Anschauliches Weihnachtswunder
Eine weihnachtliche Attraktion ist seit 1990 zwischen Heiligabend und Ende Januar der Südeichsfelder Krippenweg, übrigens der einzige in den neuen Ländern. Zehn Kirchengemeinden des Eichsfelds, eine im Nordwesten Thüringens liegende, katholisch geprägte Landschaft, laden ein, auf einem besonderen Pfad dem Geheimnis der Christgeburt nachzuspüren – unterwegs zu den Pfarrkirchen und beim Betrachten der traditionellen Weihnachtskrippen. Höhepunkt der Route ist „Sankt Georg und Juliana“ in Küllstedt.
„Soll ich Dir mal was ganz Schönes zeigen?“ Diese Frage, die kein „Nein“ zuließ, stellte mir vor Jahren meine damals siebenjährige Tochter. Sie kam mir 2009 wieder in den Sinn bei der Eröffnung der Hauskrippenausstellung in Küllstedt. „Soll ich Dir mal was ganz Schönes zeigen?“, die Frage meiner Tochter zielte darauf ab, jedem Besucher ihre neugeborene kleine Schwester vorzeigen zu dürfen…
Eine Woche lang (vom 3. bis zum 4. Adventssonntag) zeigen die Küllstedter sich und ihren Gästen „etwas ganz Schönes“ – die Darstellung der Geburt Jesu. Dazu bringen die Familien des Ortes aus ihren Häusern die sehr unterschiedlich gestalteten sogenannten „Krippchen“ in ihre Kirche „St. Georg und Juliana“, wo sie auf einem Rundweg präsentiert werden. „Hast Du die Feuerwehrkrippe ganz hinten schon gesehen?“ – „Die Figuren dort vorn haben ganz schöne Kleider an!“ – „Dort steht eine Krippe in einer Baumwurzel!“ Dem Staunen der Besucher sind keine Grenzen gesetzt. Die circa 200 Hauskrippen in verschiedensten Größen und Materialien wie Ton, Stein oder Plastik (in Form von Duplosteinen) stellen das Ereignis von Bethlehem in großer Vielfalt vor Augen. So kann der Betrachter einen Einblick in die über hundertjährige Krippentradition im Eichsfeld gewinnen: Gott wird Mensch, ganz anders, als die Menschen sich die Ankunft des Erlösers vorgestellt hatten – ein Kind in einer Futterkrippe im Stall.
1223 feierte der heilige Franziskus die Heilige Nacht mit seinen Brüdern und den Bürgern von Greccio in den Sabiner Bergen. Er hatte eine Futterkrippe sowie Ochs und Esel dorthin bringen lassen, um die Weihnachtsliturgie anschaulicher zu machen. Heute ist sie für den Einen Erinnerung an eine unbeschwerte Kindheit, für den Anderen das Wissen um den Trost in schweren Tagen. Daneben gibt es Menschen, für die gerade im Jubiläumsjahr der Deutschen Einheit die Krippe Ausdruck ihrer Dankbarkeit ist, die sie empfinden, weil die Menschen ihre Würde zurückgewonnen haben. Freude bei allen, dass sich die Liebe des Kindes von Bethlehem als stärker erwiesen hat als alle menschliche Anmaßung und Macht. In dem Weihnachtsglauben und seinem Brauchtum kann der suchende und offene Mensch vom Christkind der Krippe hinfinden zum Christus des Glaubens.
Glanzpunkte auf Höhenwegen
Die Küllstedter Kirche ist mit der Hauskrippenausstellung und ihrer Oberammergauer Weihnachtsszenerie der Glanzpunkt des „Südeichsfelder Krippenwegs“. Die weiteren Orte, zu denen dieser führt, sind die Kirche auf dem Kerbschen Berg in Dingelstädt, die Kefferhäuser St. Johannes Kirche und die am höchsten gelegene Kirche des Eichsfeldes, St. Alban in Effelder, sowie die Kirche St. Peter und Paul in Großbartloff. Von der St. Ursula Kirche in Geismar windet sich der Weg zur Wallfahrtskirche „Christus der Erlöser“ auf den Hülfensberg hinauf. Dort begeistert den Krippenfreund eine weitere Besonderheit: eine Darstellung mit in Stoff gekleideten Figuren. Die nächsten Stationen sind die Marienkirche von Lengenfeld unterm Stein und die Struther St. Jakobuskirche. Von dort geht es weiter zur Pfarrkirche St. Sebastian in Bickenriede, die vor dem barocken Hochaltar das Geschehen der Geburt des Herrn mit großen Holzfiguren von der Hand des einheimischen Bildschnitzers Merker präsentiert.
Wie zum Eichsfeld im Sommer die Flurkreuze und Prozessionen gehören, so gehören in der Adventszeit das Weihnachtsgeläut und die zahlreichen Krippen dazu. Was Generationen vor uns nur zu Fuß in nächster Nähe erreichen konnten, was uns in der DDR-Zeit lange durch eine Sperrzone verwehrt war, das können wir sehen und erfassen, wenn wir uns aufmachen. Wer den „Südeichsfelder Krippenweg“ einmal abfährt, über die Hügel und Berge hin, der kann sich neu die weihnachtliche Schönheit der Eichsfelder Höhendörfer erobern. Die Gemeinden auf dem Weg laden jeden ein, an ihren Krippen ins Staunen zu geraten.
Vom 12. bis 19. Dezember 2010 können täglich zwischen 12.00 und 17.00 Uhr die Krippen in „St. Georg und Juliana“ bestaunt werden. Die zweite Attraktion der Kirche ist eine vielgestaltige, den ganzen Chorraum ausfüllende Krippenszenerie mit 54 Oberammergauer Schnitzfiguren aus den Dreißiger Jahren. Sie kann bis zum 31. Januar 2011 besichtigt werden. Außerdem lädt die Küllstedter Heimatstube bei der Kirche alle Besucher der Hauskrippenausstellung herzlich ein, sich dort einen Eindruck vom dörflichen Leben um 1900 zu machen. Gerne führen wir Sie durch unsere liebevoll eingerichteten Räume und unsere Scheune mit bäuerlichen beziehungsweise handwerklichen Gerätschaften. Geöffnet ist die Heimatstube sonntags und werktags von 12.00 bis 17.00 Uhr. Hier können Gruppen bestens mit Kaffee, adventlichem Gebäck und der guten Eichsfelder Wurst versorgt werden.
Zeigen, was man liebt
In dem Buch „Der alltägliche Charme des Glaubens“ schreibt Fulbert Steffensky: „Junge Menschen brauchen nichts dringlicher als dies: dass Menschen sich ihnen zeigen; dass ihr Gesicht und ihre Lebenskonturen erkennbar werden. Lehren heißt: zeigen, was man liebt.“ Die Küllstedter lieben ihre vielfältigen Krippendarstellungen und zeigen sie gern. Lassen auch Sie das Geheimnis der Heiligen Nacht auf sich wirken und sich abseits des weihnachtsmarktlichen Treibens „was ganz Schönes zeigen“!
Informationen:
Gemeinde Küllstedt – Neue Straße 16 – 37359 Küllstedt
Tel.: 036075/56891 – Fax 036075/56893
E-Mail: gv-kuellstedt@t-online.de