Antonius von Padua – ganz groß in Wien
Die prächtige Antoniusstatue, die unser Titelbild ziert, wurde vor wenigen Wochen im Konvent Wien aufgestellt. Für unsere Leserinnen und Leser war die Redaktion mit vor Ort.
Wo in Deutschland die Franziskaner-Minoriten stolz darauf sind, seit nunmehr über 800 Jahren ununterbrochen in Würzburg zu sein und damit die älteste konstant besiedelte Niederlassung des Franziskus-Ordens darzustellen, können die Brüder der Provinzkustodie Österreich-Schweiz ähnliches für ihren Konvent in Wien reklamieren: Sie sind nicht nur der zweitälteste Orden in Wien, sondern wirken in Österreichs Hauptstadt seit 1224 ohne Unterbrechung. Der Ordensgründer Franziskus war noch am Leben, als die Minoriten in jenem Jahr von Markgraf Leopold VI. dem Glorreichen nach Wien geholt wurden. 1247 gründeten sie schließlich ihr Kloster und begannen einen Kirchenbau, die heutigeMinoritenkirche in der Nähe der Wiener Hofburg. Diese sorgte jüngst für Schlagzeilen: Von ihrer letzten Besitzerin, der„Italienischen Kongregation“, wurde sie im Juni 2021 gegen den Widerstand der Erzdiözese Wien an die Priesterbruderschaft St. Pius X. übergeben.
Von den Trinitariern zu den Minoriten
Die Religionspolitik von Kaiser Joseph II. (1741-1790) brachte einen tiefen Einschnitt. Das Minoritenkloster wurde an die Alserstraße umgesiedelt. Dort wirkten ursprünglich – seit dem Jahr 1690 – die Trinitarier. Ihrem Orden war eine „Sonderaufgabe“ anvertraut, nämlich das Sammeln von Lösegeld für christliche Gefangene. In einem Stockwerk des Klosters wurden sechs Zellen errichtet, in denen Türken zum Austausch gegen Christen festgehalten wurden. Der Orden, zu dem heute etwa 600 Mitglieder weltweit gehören, soll auf diese Weise (und von verschiedenen Niederlassungen aus) bis zu 900.000 Christen aus der Gefangenschaft befreit haben.
Weil ihr Kloster an der Alserstraße nun aber vom Kaiser aufgelöst worden war, mussten die Trinitarier weichen, und das Konventsgebäude wurde den Brüdern des hl. Franziskus zur Nutzung überlassen. Ihnen wurde die dortige Pfarrseelsorge übertragen; außerdem waren sie mit der Krankenhausseelsorge beschäftigt.
Österreichisches Zentrum
Heute leben im Wiener Kloster sechs Brüder, unter ihnen Br. Dariusz Zaja˛c, der seit dem Kapitel zu Beginn des Jahres 2020 als Provinzkustos die Verantwortung für die Brüder in Österreich und der Schweiz trägt. Außerdem gehören zum Konvent: Br. Thomas Manalil (Guardian), Br. Maximilian Sauge, Br. Ciprian Ban, Br. Ionut¸ Coceanga und Br. Mithin Mathew, der erst vor wenigen Tagen aus Indien zum Erlernen der deutschen Sprache angekommen ist.
Neben der Pfarrseelsorge kümmern sich die Brüder in Wien auch um die seelsorgliche Betreuung der Italienischen Mission. Weiterhin gehört die Krankenhaus- und Schwesternseelsorge zu ihrem Aufgabengebiet. Am Sitz der Provinzkustodie Österreich-Schweiz befindet sich außerdem die österreichische Zentralbibliothek der Franziskaner-Minoriten. Hier wurden die historischen Buchbestände zusammengeführt. Dazu gehören über 300 Urkunden aus der Zeit von 1243 bis 1794, sowie mehr als 1.000 Handschriften.
Eindrucksvoll ist der jüngst renovierte Kreuzgang des Klosters. Hier befinden sich weit über 4.000 Votivtafeln. Sie säumen gewissermaßen den Weg zur Antoniuskapelle, die dem beliebten Paduaner Volksheiligen gewidmet ist und in der die lebendige Antonius-Verehrung einen Platz gefunden hat. An den Antonius-Dienstagen laden die Brüder zur Messe mit anschließender Andacht ein – und vielleicht ist hier auch vor gut zehn Jahren die Idee entstanden, in den Innenhof des Klosters eine neue Antoniusstatue zu stellen.
Neue Statue aus der Slowakei
Dazu haben die Brüder Kontakt mit dem slowakischen Künstler Ján Lesnˇák aufgenommen. Er ist der leibliche Bruder von Generalassistent Br. Tomasz Lesnˇák und hat unter anderem für die römische Generalkurie eine Statue des hl. Maximilian M. Kolbe geschaffen. Nachdem sich der Konvent für die Realisierung seines Modellentwurfs entschieden hatte, dauerte die Produktion der Bronzestatue ein volles Jahr. Nach dem Entwurf wurde im Atelier des Künstlers in einem aufwändigen Verfahren eine Negativform erstellt, in die dann schließlich in mehreren Einzelschritten die Bronzefigur gegossen werden konnte. Diese wurde schließlich zusammengesetzt und Ende August nach Wien transportiert, im Innenhof aufgestellt – und am 25. September in einem festlichen Akt der Öffentlichkeit präsentiert.
Erntedank mit Antonius-Verehrung
Dazu hatten die Brüder eigens den Generalminister aus Rom, Br. Carlos A. Trovarelli, eingeladen, der dem Festgottesdienst zum Erntedank im Klostergarten vorstand. Weitere drei General-assistenten waren mit ihm aus Rom gekommen, zahlreiche Brüder der österreichischen Konvente und weit über 200 Gläubige. Die Predigt hielt der Provinzialminister aus Deutschland, Br. Andreas Murk. Er versuchte am Erntedankfest den Bogen zwischen der Schönheit, der Dankbarkeit und den positiven Folgen zu spannen: „Ja, Mensch, lass dich mitnehmen von der Schönheit. Entdecke das Schöne in dir und um dich herum. Lass dich darauf ein. Und du wirst spüren, wie die Dankbarkeit wächst. Und wo die Dankbarkeit ist, da verschwindet die Angst, da lässt die Ich-Sucht nach, da hört das ängstliche Kreisen um mich selber auf. Da gewinnt Gott Raum. Und wo Gott Raum gewinnt, da wandelt sich alles zum Guten. Und das müssen dann nicht wir machen, das hängt nicht an unserer Leistung – wir müssen Gott nur die Regie übergeben.“
Im Anschluss an die Messe – und vor dem angebotenen Frühschoppen – lud Br. Dariusz die Gläubigen zu einer Prozession in den Innenhof des Klosters ein. Dort wartete die verhüllte Statue, die vom Künstler selbst unter großem Applaus enthüllt und dann von Br. Carlos gesegnet wurde.
Das dargestellte Wunder
Als Vorlage für die Statue diente eine Begebenheit in Rimini, die in der Antonius-Biografie „Rigaldina“ berichtet wird. Erzählt wird die Auseinandersetzung zwischen Antonius und einem Ungläubigen: „Da er Mitleid mit seiner Ungläubigkeit hatte, sagte ihm der fromme Vater: ‚Wenn dein Esel den Leib Christi anbetet, der wahrhaft gegenwärtig ist im Zeichen des Brotes, wie kannst du dann nicht an die Wahrheit des Sakramentes des Herrn und der Kirche glauben?‘ Der Häretiker antwortete, entflammt vor Ungläubigkeit und Arglist: ‚Seit zwei Tagen enthalte ich meinem Esel jegliche Nahrung, und am dritten Tag werde ich ihn in die Öffentlichkeit führen. Vor das ausgehungerte Tier möge man dann auf die eine Seite Hafer stellen, auf der anderen Seite wirst du sein mit dem Brot, unter dessen Gestalt du versicherst, den Leib Christi zu finden. Wenn der Esel trotz des Hungers den Hafer nicht beachtet und sich vor dem Leib Christi niederkniet, werde ich mit dem Mund und mit dem Verstand die Wahrheit des Sakraments bekennen.‘ Der heilige Vater gab seine Zustimmung zum Vorschlag des Häretikers. – Alles wurde getan wie vereinbart, man gab dem Esel keine Nahrung. Am dritten Tag wurde das Tier in die Öffentlichkeit geführt und auf der einen Seite zeigte man ihm Hafer, auf der anderen Seite stand der selige Antonius und hielt mit Verehrung in einem Kelch das Unterpfand unseres Heils, den Leib Christi. Eine große Menschenmenge war anwesend. Nachdem man den Esel frei gelassen hatte, damit er gehen könne, wohin es ihm gefiel, näherte er sich mit sicherem Schritt, so als wäre er mit der Vernunft begabt, dem Leib des Herrn und beugte ehrfurchtsvoll die Knie vor dem Heiligen, der die Eucharistie trug. Er erhob die Knie nicht eher von der Erde, bis dass der Heilige ihm die Erlaubnis gegeben hatte. Angesichts dieses Wunders wurde der Häretiker von den Schatten seines Irrtums befreit.“