Auf nach Finnland?

26. Februar 2024 | von

Die franziskanische Familie blickt auf eine über 800-jährige Geschichte. Auf allen Kontinenten sind die Franziskaner-Minoriten präsent. Vielleicht bald auch (wieder) in Finnland?

Eine franziskanische Gemeinschaft gibt es derzeit in diesem schönen Land in Nordeuropa nicht. Stattdessen gibt es eine schöne brüderliche Verbindung zwischen der örtlichen lutherischen Gemeinde und unserem Orden. Wie kommt das?

Franziskanische Wurzeln

Im Jahr 2017, anlässlich des 500. Jahrestages des Beginns der Reformation, haben unsere finnischen Freunde eine prophetische Geste gemacht. Die lutherische Gemeinde von Rauma, einer Stadt 250 km nordwestlich von Helsinki, lud mich, Br. Igor Salmicˇ, ein, als franziskanischer Vertreter an einem ökumenischen Treffen teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit entdeckte ich eine sehr interessante Geschichte über die franziskanische Präsenz in Finnland.

Die Söhne des heiligen Franziskus vernachlässigten bei ihren missionarischen Expeditionen zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert das ferne Skandinavien nicht. Auf finnischem Boden, der damals zur schwedischen Krone gehörte, kamen die Brüder zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert an und gründeten drei Gemeinschaften mit dazugehörigen Kirchen. Von diesem franziskanischen Erbe in Finnland zeugt heute leider nur noch die Heilig-Kreuz-Kirche in Rauma, einer knapp 40.000 Einwohner zählenden Stadt im Südwesten des Landes. Sie wurde von den Minderbrüdern von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis 1512, dem Jahr ihrer Einweihung, gebaut. Doch was geschah mit den Brüdern, als kurz darauf die protestantische Reformation in Finnland Einzug hielt? Einigen Historikern zufolge wurden die Brüder aus Rauma vertrieben und mussten ihre Mission aufgeben. Aber es ist auch möglich, dass einige von ihnen aufgrund ihrer soliden theologischen Ausbildung geblieben sind, allerdings nicht mehr als katholische Priester, sondern als Lehrer für verschiedene andere Fächer.

Verehrung für Franziskus

Es gibt eine Sache, die Rauma in einzigartiger Weise auszeichnet: Während Martin Luthers Anhänger vielerorts die Wände der katholischen Kirchen übertünchten, blieb die Heilig-Kreuz-Kirche unversehrt. So können Touristen und Pilger noch immer die wunderschönen Fresken aus der Zeit der Franziskaner bestaunen. Kein Wunder also, dass die Kirche zusammen mit den anderen Denkmälern der Altstadt von Rauma in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurde.

Das Erste, was mich bei meiner Ankunft beeindruckte, war eine große Statue des hl. Franziskus mit der Inschrift Pax et bonum vor der Heilig-Kreuz-Kirche und das Kruzifix des hl. Damian im Inneren der Kirche, ein besonderes Geschenk unserer Brüder aus Litauen, die Rauma in den 1980er Jahren besuchten. Aber noch mehr konnte ich die Liebe zum hl. Franziskus bei den Menschen selbst erleben. Ich habe mich mehrmals gefragt, woher all diese Liebe und Bewunderung für Franziskus bei ihnen kommt. Einige von ihnen sagten mir sogar ausdrücklich, dass der Poverello von Assisi eine Schlüsselfigur im geschwisterlichen Dialog zwischen unseren Kirchen sein könnte. Eines scheint ganz klar: Die Authentizität und die evangelische Radikalität des Seraphischen Vaters sprechen das Herz an und fordern das Leben aller heraus, Katholiken und Lutheraner gleichermaßen.

Impulse zum Frieden

Gott sei Dank blieb der Besuch in Rauma im Jahr 2017 kein isoliertes Ereignis, vor allem dank der Bemühungen des örtlichen Pfarrers Taneli Ala-Opas, eines ehemaligen Studenten der Päpstlichen Universität Gregoriana und eines lieben Freundes unserer Brüder.

In den folgenden Jahren organisierte die lutherische Gemeinde von Rauma zusammen mit der kleinen finnischen katholischen Gemeinde (hauptsächlich durch den Dritten Orden, OFS) eine Reihe von Studientagen zur franziskanischen Spiritualität rund um das Fest des hl. Franziskus. An diesen Treffen nahm unsererseits Br. Emanuele Rimoli teil, der die Versammlung mehrmals mit seinen eigenen theologischen Vorträgen mit franziskanischem Hintergrund bereicherte.

An den letzten solchen Studientagen nahmen wir Franziskaner-Minoriten erstmals zu dritt teil: Br. Emanuele Rimoli, Br. Michael Lasky und ich. Vom 6.-8. Oktober 2023 waren wir in Rauma und beschäftigten uns mit dem Einsatz des hl. Franziskus und seiner Brüder für den Frieden. Prof. Pauli Annala (ehemaliger Professor für dogmatische Theologie in Helsinki) stellte den soziokulturellen Hintergrund von Assisi zur Zeit des Franziskus vor, wo der Gruß Pax et bonum seinen Ursprung nahm. Anschließend stellte Prof. Virpi Mäkinen die Geschichte der Franziskaner in Bergen, Norwegen, vor, die einen großen Einfluss auf das Zivilrecht hatten. Schließlich gab Br. Michael Lasky einen Einblick in das franziskanische Konzept der aktiven Gewaltlosigkeit.

Etwa 70 Personen nahmen an den Vorträgen teil. Es folgte eine Heilige Messe in der bereits erwähnten Heilig-Kreuz-Kirche. Am nächsten Tag folgte die lutherische Feier mit einer Predigt von uns. Am selben Tag erneuerten die anglikanischen OFS-Mitglieder ihr Jahresgelübde und stellten ihre Aktivitäten vor.

Hoffnungsvolle Zukunft

Es war ein schöner Moment des Austauschs, der Begegnung und des Teilens. Einige äußerten sogar den Wunsch, eine Gemeinschaft von Brüdern in der Stadt zu haben. Wir wissen nicht, was der Herr für die Zukunft vorbereitet. Zwischenzeitlich, nämlich Ende Januar 2024, stattete aber unser Generalminister Br. Carlos A. Trovarelli der Stadt bereits einen ersten Besuch ab. Ich bin mir sicher, dass der Dialog zwischen den Kirchen gesegnet ist, wenn er den Weg der Freundschaft und Sympathie beschreitet. Die Worte, die mein Freund Taneli einige Tage nach dem ersten Treffen 2017 geschrieben hat, klingen noch immer in mir nach: „Wenn wir 500 Jahre lang gelernt haben, getrennt zu gehen, hat dieses Treffen die Hoffnung geweckt, dass wir jetzt vielleicht wirklich gemeinsam gehen können.“

Zuletzt aktualisiert: 26. Februar 2024
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