Autogramme zugunsten der Armen

26. November 2013 | von

Der päpstliche Wohltätigkeitsdienst, die Elemosineria Apostolica, ist eine alte Einrichtung, deren erzbischöflicher Leiter jetzt unter Papst Franziskus nicht mehr nur einen Schreibtischjob zu erfüllen hat, sondern im „Außendienst“ päpstliche Aufträge erledigt, so auf der Mittelmeerinsel Lampedusa. Alle Gläubigen auf der ganzen Welt können diese päpstliche Armenkasse unterstützen, wenn sie zu feierlichen Anlässen ein Pergament bestellen, auf dem der Segenswunsch des Heiligen Vaters dokumentiert ist.



Wenn sich der Papst zu den großen öffentlichen Gottesdiensten nach St. Peter oder einer der großen Kirchen in Rom begibt, folgt ihm eine kleine Gruppe von Personen. Unter ihnen sieht man den Präfekten des Päpstlichen Hauses, den Privatsekretär, den Kammerdiener und den Leibarzt des Heiligen Vaters. Aber auch der Inhaber eines relativ unbekannten Amtes im Vatikan geht im Gefolge mit – der päpstliche Almosengeber. Selbst wer an der Römischen Kurie oder in der Vatikanstadt arbeitet, kennt nicht immer die Aufgabe oder den Namen des Bischofs, der nur wenige Schritte hinter dem Papst geht.



MÜNZEN ODER BROT

Der Brauch, Almosen unter die Armen und Bedürftigen zu verteilen, lässt sich bereits auf das christliche Altertum zurückführen. Schon die Apostelgeschichte erwähnt diesen Liebesdienst der Kirche. Auch die Einrichtung von Hilfswerken für Alte, Kranke, Waisen oder Witwen, die schon in der Frühzeit der Kirche entstanden, machten das Austeilen von Almosen nicht überflüssig. Einer oder mehrere Kammerherren des Papstes wurden mit dieser wichtigen Aufgabe betraut. Sie verteilten vor und nach der Messe an Bedürftige kleinere Geldbeträge. Neben Münzen wurden oft auch Lebensmittel, zumeist Brot, als Almosen unter die Menge gebracht. Sogar bei feierlichen Prozessionen und Ausritten des Papstes versahen Kammerherren diese wichtigen karitativen Verpflichtungen.

Der selige Gregor X. (1271-1276) richtete das Apostolische Almosenamt als feste Institution ein und ernannte einen Erzbischof zum Almosengeber. Wann immer sich der Papst in der Öffentlichkeit zeigte, befand sich dieser hohe Prälat an seiner Seite. Jeder konnte ihn ansprechen oder ihm eine Bittschrift übergeben. In unseren Tagen ist dies aus praktischen Gründen und aus der Sorge um die Sicherheit des Papstes heraus schwieriger geworden. Wenn auch heute noch der Almosengeber den Papst bei dessen offiziellen Auftritten begleitet, so soll dies vor allem ein symbolisches Zeichen dafür sein, dass dem Heiligen Vater die Armenfürsorge ein wichtiges und unverzichtbares Anliegen ist. Ein früherer Almosengeber, Erzbischof Diego Venini, erzählte dem „Osservatore Romano“: „Bei Prozessionen winkte uns manchmal jemand zu, von dem ich wusste, dass sein Gruß nicht nur dem Heiligen Vater, sondern auch mir galt. Denn ich erkannte die Person, da ich ihr einige Tage zuvor helfen konnte.“



JEDER ARME HAT ZUTRITT

Die Amtsräume des Päpstlichen Almosenamtes (Elemosineria Apostolica) liegen in der Vatikanstadt, nur wenige Schritte vom St.-Anna-Tor entfernt, in einer kleinen Gasse bei der Via del Pellegrino. Sie sind für jeden, der Hilfe benötigt, zugänglich. Die Wachtposten der Päpstlichen Schweizergarde und der vatikanischen Gendarmerie haben die Order, niemandem den Zutritt zu verwehren. Oft sind es aber Pfarrer oder kirchliche Institutionen, die auf schriftlichem oder telefonischem Weg für Bedürftige um eine Unterstützung ansuchen. Die Almosen werden ohne Ansehen der Person und unnötige bürokratische Hürden gewährt; auch die Konfession oder Religionszugehörigkeit des Hilfesuchenden ist bei diesem Hilfswerk des Papstes kein Kriterium. „Wer sonst nirgendwo Hilfe bekommt und sich in einer echten Notlage befindet, kann bei uns auf eine rasche Unterstützung hoffen“, versichert ein Mitarbeiter des Almosenamtes.



NAME IN SCHÖNSCHRIFT

Die bedeutendste Einnahmequelle des Almosenamtes ist die Ausstellung der Diplome „di Benedizione Papale“. Dieser offiziell bestätigte Päpstliche Segen erfreut sich großer Beliebtheit. Katholiken aus allen Ländern der Erde erbitten ihn zu Taufen, Hochzeiten, Priesterweihen, Ordensgelübden, Jubiläen, Geburtstagen und ähnlichen Anlässen. Die Segenserteilungen gibt es auf Papier, Pergament oder Leder, und zwar immer mit dem Bild des regierenden Heiligen Vaters. Die Namen der Empfänger werden von den Angestellten des Amtes mit viel Sorgfalt und Kunstfertigkeit eingesetzt. Die Mitarbeiter des Almosengebers haben hierfür Kurse in Kalligrafie, der Schönschreibekunst, belegt.

Jedes einzelne Dokument wird vom Almosengeber persönlich unterschrieben. „Autogramme zugunsten der Armen“, bemerkt die Ordensschwester, die im Vorzimmer des Erzbischofs sitzt, mit einem Lächeln. „Mehrere Hundert am Tag“, fügt sie hinzu.



SEGEN WIRKT DOPPELT

Zwar gibt es heute Apparate, die solche Dokumente automatisch mit einer Unterschrift versehen können, und zwar immer mit einem winzigen Unterschied im Namenszug, so dass eine Individualität vorgegaukelt wird. Doch im päpstlichen Almosenamt will man auf eine solche Praxis weitgehend verzichten. Zuletzt erhalten die Diplome dann noch die „bolla“, das offizielle Siegel des Almosengebers.

Der Segen selber ist kostenlos. Die konzessionierten Vermittler, die in den Souvenierläden rund um den Vatikan und in aller Welt für die Gläubigen die Ausfertigung dieser Urkunde besorgen, erheben aber für das Diplom eine bestimmte Summe und haben von dieser eine feste Gebühr an das Almosenamt zu entrichten. Auf diese Weise kommt die Ausstellung des päpstlichen Segens auch den Armen zugute. Die Segenserteilungen können aber auch direkt in der Vatikanstadt beantragt werden; dementsprechend geringer fallen dann die Unkosten aus. Der Gewinn aus den „Diplomi di Benedizione Papale“ fließt in voller Höhe der päpstlichen Wohlfahrtspflege zu.



KRIMINELLE WITTERN CHANCE

Mit einer Sorge sieht sich das Almosenamt seit einiger Zeit konfrontiert. Dank neuester Computertechnik und modernster Kopiergeräte haben auch Kriminelle die Diplome als eine lukrative Einnahmequelle entdeckt. Für den Inhaber eines großen Devotionaliengeschäftes im Schatten von St. Peter sind die bisher aufgetauchten Fälschungen fast perfekt: „Die Drucke sind von hervorragender Qualität. Sie tragen sogar die angebliche Unterschrift des Almosengebers.“ Mit Hilfe des Siegels und anderer Sicherheitsmaßnahmen, über die man aus verständlichen Gründen nicht sprechen will, versucht man einen Missbrauch zu verhindern oder zumindest zu erschweren. 

Die Armenfürsorge ist Papst Franziskus ein besonderes Anliegen. Im August dieses Jahres ernannte er den aus Łódź (Polen) stammenden Monsignore Konrad Krajewski zu seinem neuen Almosengeber. Der Prälat war zuvor fünfzehn Jahre lang einer der päpstlichen Zeremoniare gewesen.



PAPST VERSCHENKT TELEFONKARTEN

Nach dem großen Flüchtlingsdrama vor Lampedusa, bei dem Anfang Oktober fast vierhundert Menschen den Tod fanden, schickte der Heilige Vater Erzbischof Krajewski auf die kleine italienische Insel, die gut zweihundert Kilometer vor der Küste Siziliens liegt. Dort leistete der Almosengeber schnelle und praktische Hilfe. Im Auftrag des Papstes verteilte er 1.600 Telefonkarten. Sie sollten den Betroffenen helfen, den Kontakt mit ihren Verwandten in der Heimat zu halten. Den Kindern im Aufnahmelager übergab der Erzbischof ein Spielezelt. „Das Almosenamt leistet eine Soforthilfe“, erklärte er gegenüber der Presse, „die weitere Unterstützung werden dann kirchliche Hilfswerke sicherstellen, die über die notwendigen Strukturen und die Logistik verfügen, die wir nicht haben.“ Mit der Entsendung von Monsignore Krajewski nach Lampedusa hat Papst Franziskus gezeigt, dass er dessen Aufgabenbereich weit über Rom hinaus ausdehnen will. Das Apostolische Almosenamt verliert sich nicht in eine altehrwürdige Geschichte, sondern macht seinen Weg in die Gegenwart und in die Zukunft.



Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016