Baustile, Bauphasen, Bauherren

26. Januar 2015 | von

In zwei Anläufen werden wir die Basilika als Ganzes beschreiben. Dieser erste Beitrag handelt vom Baubeginn, dem Planungskonzept, der Beteiligung der Stadt Padua und ihrer Bewohner, besonders der Handwerker, Künstler und Architekten. Wir blicken auf die Fassade, den Grundriss und die verschiedenen Stilepochen, die ihre Spuren hinterlassen haben.



Die mächtige Fassade der Antoniusbasilika ist 37 Meter breit und 28 Meter hoch. Aufgelockert wird sie durch fünf Arkaden (über der mittleren befindet sich in einer Nische eine Statue des Heiligen) und eine Loggia mit 17 Säulen, über denen sich wiederum ein Geländer befindet und darüber das große, aus farbigem Gals gestaltete Rosettenfenster aus dem 19. Jahrhundert sowie zwei gotische, zweiteilige Fenster. Diese Fassade ist eine außerordentliche Visitenkarte für das Bauwerk, welches nicht nur das wichtigste der ganzen Stadt ist, sondern auch ein besonders gutes Beispiel für die mittelalterliche Architektur.



ALLES IN REKORDGESCHWINDIGKEIT

Begonnen wurde mit dem Bau der Basilika kurz nach dem Tod des heiligen Antonius († 13. Juni 1231), im Zuge seiner Heiligsprechung in Rekordgeschwindigkeit (30. Mai 1332) – genau die Zeit, die nötig war, um das Material zu besorgen und die Pläne zu fertigen. Aber was sahen diese Baupläne vor? Ein Gotteshaus, so wie wir es heute sehen, mit drei Schiffen, überdacht von Türmchen und Kuppeln, das im Laufe der Zeit ausgebaut, aber nie einschneidend verändert wurde? Oder war es ein bescheideneres Gebäude (zugeschnitten auf das franziskanische Ideal von Einfachheit, mit einem einzigen Schiff, einem kurzen Querschiff, einer unscheinbaren Apsis und einem Holzdach), das erst später erweitert und zur Jahrhundertwende radikal umgebaut wurde, bis es das heutige Erscheinungsbild erhielt mit den nach oben strebenden Kuppeln, Glockentürmen und Minaretten, ähnlich dem Markusdom in Venedig? Genießen wir einfach die Faszination dieses Gebäudes, das auf bemerkenswerte Weise drei Baustile miteinander vereint: die robuste Kompaktheit der Romanik, den kühnen Schwung der Gotik und die für den byzantinischen Stil typischen Türmchen und Minarette über einer Ansammlung von Kuppeln.



SANTA MARIA ALS BAUSTELLE

Nachdem die Baupläne gezeichnet waren, entwickelt sich der Platz um das Kirchlein Santa Maria Mater Domini, in dem die sterblichen Reste des Heiligen ruhen – bereits Anziehungspunkt für viele Pilger – zu einer quirligen Baustelle, an der sich die gesamte Stadt beteiligt, welche eine beachtliche Geldsumme zur Verfügung stellt. Auch die Handwerkszünfte spenden. Sogar die Wucherer, die dem heiligen Antonius immer ein Dorn im Auge waren, öffnen ihre gut gefüllten Geldbeutel. Verehrer und Pilger leisten ihren Beitrag durch Spenden oder freiwilligen Arbeitseinsatz. Architekten und sonstige Fachleute schleifen bis zum Äußersten an ihren Honoraren.

Dann jedoch streckt der Tyrann Ezzelino seine räuberische Hand aus über der Baustelle. Er erobert die Stadt Padua und zwingt sie zu so großen Abgaben, dass die Spenden für die Arbeiten an der Basilika versiegen und die Bauarbeiten stagnieren. Sie werden jedoch mit neuem Elan aufgenommen, als der Tyrann aus der Stadt vertrieben war – seine Vertreibung hatte der Heilige im Traum dem Bruder Luca Belludi angekündigt. Dank der Großzügigkeit der Paduaner und der Gläubigen – angespornt auch durch einen Aufruf von Papst Alexander IV. – können die Bauarbeiten ohne weitere große Hindernisse fortgesetzt werden.



ÜBERTRAGUNG DER GEBEINE

Im Jahr 1263 werden die sterblichen Überreste des Heiligen in die Basilika übertragen. Die Feier findet am 8. Mai unter der Leitung des damaligen Generalministers der Minoriten, Bonaventura da Bagnoregio, statt, der auch die Rekognoszierung der Gebeine des Heiligen vornimmt und dabei auf die unversehrte Zunge des unermüdlichen Verkünders des Wortes Gottes stößt. 

Das Gebäude, wahrscheinlich schon damals dreischiffig mit einer Apsis, erweist sich jedoch schnell als zu klein, um den Strom der Pilger aufzunehmen. Man erweitert den Bereich des Chorraumes um den Umgang und die neun sternförmig angeordneten Kapellen. An den Stirnseiten des Querschiffes werden im Norden die Kapelle für das Grab des heiligen Antonius und im Süden die Kapelle des heiligen Jakob errichtet. Die Überdachung in Kuppelform und die Glockentürme entstehen in der letzten Bauphase, die vermutlich um 1310 abgeschlossen wird. Besonders hervorzuheben ist hier die mittlere Kuppel, die jener über der Grabeskirche in Jerusalem nachempfunden ist.



EIN VIELSTIMMIGER CHORAL

Das sind nur einige wenige und unvollständige Skizzen zu einer komplexen, aber in großen Teilen nicht geklärten Geschichte. Eine Sache aber ist glasklar, und zwar das Anliegen der Paduaner, unterstützt von genialen Architekten und den vielen einzelnen beteiligten Künstlern und Handwerkern: Es soll ein einzigartiges Gotteshaus werden nach Größe und Schönheit. Jedes einzelne Element bildet eine Note im Hymnus der Künste und des Glaubens zu Ehren des heiligen Antonius und zum Lob des Schöpfers, der durch ihn Großes bewirkt hat. Ein Gesamtwerk also, vor dem man die Luft anhält ob seiner Schönheit, das aber durch seine Form und seine Symbolik den Blick nach oben leitet. Der gesamte Komplex ist das strahlende Resultat dieses Anliegens. Da ist zum Einen der Grundriss mit den langen Schiffen und dem Querschiff, die ein Kreuz bilden, zum Zeichen der Auferstehung der Menschheit und des Universums, deren Beginn Jesus am Kreuz sterbend gezeichnet hat.

Symbolisch ist auch die Ausrichtung des Gebäudes gen Osten, in Richtung der aufgehenden Sonne und der Stadt Jerusalem – eine Anspielung auf die göttliche Sonne, also Christus, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9).

Vervollständigt wird das Bild durch die aufstrebenden Formen der Gotik, die zu den himmlischen Sphären der Kuppeln und der Glockentürme leiten, die in den Himmel ragen, ja fast mit ihm verschmelzen, so wie der Pilger den Blick nach oben richten soll, um seine Bitte und sein Lob an Gott auszusprechen, denn von dort regnet das Göttliche auf die Menschheit, um sie zu retten. Eine faszinierende Symbolik, die für uns heute schwierig zu entschlüsseln ist, die aber damals im Mittelalter von den Menschen sofort verstanden wurde.



MEISTERWERKE DER KUNST

Jedes Jahrhundert fügt dann diesem Lobgesang auf den Heiligen seine eigenen Noten hinzu, durch Meisterwerke der Kunst, die wir hier nur aufzählen können und auf die wir in den folgenden Beiträgen etwas ausführlicher eingehen werden. Wenn das 13. Jahrhundert das Jahrhundert der Entstehung des Gotteshauses ist, dann ist das 14. Jahrhundert die Epoche der großen Bildzyklen von Giusto de’ Menabuoi und Altichiero da Zevio. Das 15. Jahrhundert ist geprägt von Donatello, dem großen florentinischen Bildhauer, der hier in der Basilika einige seiner außergewöhnlichen Meisterwerke hinterlässt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wird die strenge gotische Kapelle mit dem Grab des Heiligen im prunkvollen Stil der Renaissance umgestaltet. Das Ergebnis ist, wieder einmal, die Verherrlichung des heiligen Antonius als Wundertäter, erwirkt durch die plastische Darstellung der Marmorreliefs, der Bronzestatuen und das viele Gold.



LITURGISCHE NORMEN

Auch das 17. und 18. Jahrhundert hinterlassen erkennbare Spuren in der Basilika. Vor allem die Umgestaltung des Chores nach den liturgischen Normen des Konzils von Trient, das vorschreibt, dass es keine Sichtbarrieren zwischen dem Zelebranten und den Gläubigen geben darf. Die Gitter-Umgrenzung aus der Renaissance, die wie eine Ikonostase das Presbyterium zum Schiff hin abgrenzte, wird entfernt, der Chor vor dem Hochaltar nach hinten versetzt und der ganze Bereich dann mit farbigem Marmor im Zeichen nüchterner Eleganz ausgekleidet.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016