Berge im Leben Jesu
Unser Autor nimmt uns mit mit auf einen biblischen Berg, der im Leben Jesu eine bedeutende Rolle spielte – und darüber hinaus auch im Islam von großer Wichtigkeit ist.
Dass Jesus in seinem irdischen Leben „Bergsteiger“ war, sich nach den Erzählungen der Evangelien bei verschiedenen Ereignissen auf einem Berg befand, haben wir bereits gesehen. Neben dem Berg der Versuchung und dem Berg der Seligpreisungen, die wir schon kennengelernt haben, sind fernerhin der Ölberg und im weiteren Verlauf dann der Berg der Verklärung, der Tabor, von besonderer Bedeutung.
Schnittpunkt der Weltreligionen
Der Ölberg in Jerusalem ist Teil des Judäischen Berglands und steigt östlich der Jerusalemer Altstadt und des Tempelbergs auf über 800 Meter an. Alle drei Weltreligionen kennen ihn als wichtigen Ort: Für das Judentum wird nach dem alttestamentlichen Propheten Sacharja der Messias einst über den Ölberg nach Jerusalem einziehen und im Kidrontal zwischen Ölberg und Tempelberg Gericht halten: „Siehe, es kommt ein Tag für den HERRN, da verteilt man in deiner Mitte, was man bei dir erbeutet hat… Doch dann wird der HERR hinausziehen und gegen diese Völker kämpfen, wie am Tag seines Kämpfens, am Tag der Schlacht. Seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der im Osten gegenüber von Jerusalem liegt. Der Ölberg wird sich von seiner Mitte her spalten nach Osten und nach Westen zu einem sehr großen Tal. Die eine Hälfte des Berges wird nach Norden weichen und die andere Hälfte nach Süden.“ (Sach 14,1.3-4) Aus diesem Grund befindet sich am Westhang des Berges ein großer jüdischer Friedhof mit unzähligen Grabstätten, die teils noch aus biblischer Zeit stammen. Wer dort bestattet ist (und es sich finanziell leisten konnte, einen der raren und begehrten Plätze zu erhalten), wird am endzeitlichen Tag vom Messias wohl zuerst auferweckt werden müssen. Auch der Islam glaubt, dass das Kidrontal unterhalb des Ölbergs der Ort des endzeitlichen Gerichts ist.
Das Neue Testament der Christen nimmt auf den Ölberg, der seinen Namen von uralten, teils heute noch vorhandenen Olivenbäumen hat, an vielen Stellen Bezug. Der feierliche Einzug Jesu in Jerusalem zum Beispiel, an den die Christen am Palmsonntag erinnern, begann vom Ölberg aus: „Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die Schar der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machttaten, die sie gesehen hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe!“ (Lk 19,37-38) Im Garten Getsemani am Fuß des Berges wurde Jesus vor seiner Kreuzigung verhaftet (vgl. Mt 26,36-56), am Ölberg wird auch die Himmelfahrt Jesu nach seiner Auferstehung lokalisiert (vgl. Lk 24,50).
Kirchliche Erinnerungsorte
Dementsprechend sind die Kirchen und Kapellen der verschiedenen christlichen Konfessionen zahlreich. Am Fuß des Berges liegt zunächst das Mariengrab. Nach altkirchlicher Tradition und unabhängig von biblischen Belegen soll Maria hier wenige Tage bis zu ihrer Himmelfahrt gelegen haben, so dass die Byzantiner bereits im 4. Jahrhundert an dieser Stelle eine Kirche als Gedenkort errichteten. Mehrfach wurde die Kirche im Laufe der Jahrhunderte zerstört, bis sie im 14. Jahrhundert von Franziskanern schließlich wieder aufgebaut wurde. Seit 1757 ist sie in der Hand der griechisch-orthodoxen und der armenisch-apostolischen Kirche. In den Kirchenraum muss man vom Straßenniveau ein paar Stufen hinuntersteigen, was den Abstieg in ein Grab versinnbildlichen soll. Neben der Kirche befindet sich die den Franziskanern gehörende Getsemanigrotte, in der sich der Verrat durch Judas und die Festnahme Jesu zugetragen haben sollen. Weiter geht es zur römisch-katholischen Kirche der Nationen im Garten Getsemani, die 1924 geweiht und deren Bau mit Geldern aus zwölf Ländern finanziert wurde, so dass sie zu diesem Namen kam. Sie heißt auch Todesangstbasilika, da Jesus nach Darstellung der Passionsberichte dort in Angst vor seinem nahenden Tod gebetet hat. Ein Felsen vor dem Altar, umgeben mit einem an die Dornenkrone erinnernden Gitter, markiert die Stelle.
In einem höher gelegenen Teil des Gartens fällt die russisch-orthodoxe Maria-Magdalenen-Kirche mit ihren sieben vergoldeten Zwiebeltürmen ins Auge, die Zar Alexander III. 1885 hat erbauen lassen und die heute mitsamt einer Pilgerherberge von russisch-orthodoxen Nonnen betreut wird. Sehenswert ist weiterhin die römisch-katholische Kirche der Franziskaner Dominus flevit („Der Herr weinte“) aus dem Jahr 1955, die an die Trauer Jesu um Jerusalem bei seinem Einzug in die Stadt erinnert (vgl. Lk 19,41-44) und daher in Form einer Träne gestaltet ist.
An der heutigen Paternosterkirche weiter Richtung Gipfel soll Jesus seine Jünger das Vaterunser gelehrt haben. Das Gebet des Herrn ist dort in 140 Sprachen auf ebenso vielen Keramiktafeln zu lesen. Und an die Himmelfahrt Jesu erinnern schließlich sowohl die Himmelfahrtskapelle innerhalb eines Moscheebezirks auf dem höchsten Punkt des Ölbergs als auch die unter Kaiser Wilhelm II. mitsamt dem Auguste-Viktoria-Hospital erbaute evangelische Himmelfahrtskirche.
Alle Kirchen zu besuchen, kann eine Herausforderung sein. Aber den Blick auf die Altstadt Jerusalems sollte man nicht verpassen.