Das blutige Geschäft um das Schwarze Gold

29. Oktober 2013 | von

Nach dem Artikel über Kindersoldaten in der Republik Kongo im Oktoberheft nun ein Beitrag zur Lage im viel größeren Nachbarstaat Demokratische Republik Kongo. Dieses Land, umbenannt in Zaïre während der Jahre 1971 bis 1997, ist mit dem technischen Fortschritt verknüpft, den wir genießen. Er wird erkauft durch Bürgerkriege, Kinderarbeit und Umweltzerstörung.



Mobiltelefone, Digitalkameras, Navigationsgeräte, Laptops – wer verwendet nicht wenigstens eines dieser technischen Geräte? Sie prägen unser modernes Leben, vereinfachen und bereichern es. Die Geräte sind voller technischer Finesse und haben ein Innenleben aus winzigen Elementen. Wie genau sie funktionieren, ist für den Laien nicht ersichtlich. Aber wenn sie einmal nicht funktionieren, merkt man, wie sehr man sich im Alltag auf die Technik verlässt.


DAS ERZ COLTAN

Alle diese Geräte würden nicht funktionieren, wenn bei ihrer Herstellung nicht ein Stoff verwendet würde, der Columbit-Tantalit heißt und kurz „Coltan“ genannt wird. Dies ist ein Erz, aus dem wiederum das Metall Tantal gewonnen wird. Und Tantal ist bislang ohne Alternative bei der Herstellung der kleinen elektronischen Geräte. Zwar wird pro Gerät nur eine winzige Menge verarbeitet, doch es gibt eine riesige Nachfrage nach Handys, MP3-Playern, Flachbildschirmen usw. auf der ganzen Welt. Hinzu kommen die medizinischen Errungenschaften, die dieses Erz ebenfalls verwenden: zum Beispiel Hörgeräte und Herzschrittmacher. Sie alle machen Tantal, und damit Coltan, zu einem so begehrten Stoff, dass man auch vom „schwarzen Gold“ spricht. Der begehrte Stoff ist zugleich ein seltener Stoff. Es gibt nur wenige Stellen auf der Erde, an denen dieses Erz zu finden ist.

Das größte Vorkommen (ca. 80 Prozent) liegt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, in der Mitte Afrikas. Diese großen Coltan-Reserven, aber auch viele andere Bodenschätze (Kupfer, Gold, Diamanten usw.), machen den Kongo zu einem reichen Land – in der Theorie. In der Realität gehört der Kongo mit seinen etwa siebzig Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Erde. Wie kommt es zu diesem Kontrast? Die heutige Demokratische Republik Kongo war bis 1960 belgische

Kolonie und wurde von Belgien ausgebeutet.



PLÜNDERER MOBUTU

Während der Diktatur Mobutus (1965-1997) blieb das Geld zwar im Kongo, wurde jedoch nicht für Infrastruktur, Gesundheitseinrichtungen oder Bildung verwendet, sondern wanderte wohl auf Mobutus Privatkonten. Heutzutage gehört der rohstoffreiche Osten des Landes zu den konfliktreichsten Gegenden der Welt. Hier kämpfen Regierungstruppen gegen Rebellen und Soldaten aus den Nachbarländern Uganda und Ruanda. Das Geld für diese Kämpfe erhalten sie unter anderem durch die Minenarbeiter und durch den Verkauf des Coltans. Zwar beziehen deutsche Firmen inzwischen kein Coltan mehr direkt aus dem Kongo, doch werden unsere Geräte ja in großen Mengen in China produziert. So halten wir also doch kongolesisches Tantal in der Hand. Und so unterstützen wir mit dem Kauf unserer Handys die Kriegsparteien im Kongo.

Doch nicht nur das. Coltan liegt nahe unter der Erdoberfläche. An vielen Stellen muss man nur etwas schürfen, um es zu finden. Das hat über Jahre Menschen in diese Gegend gezogen, die hofften, dort mit Coltan reich zu werden. Um Platz für neue Minen und Arbeitercamps zu schaffen, wurden im Kongo riesige Flächen tropischen Regenwaldes abgeholzt, selbst ein Nationalpark ist betroffen. Dies hat Auswirkungen auf unser Klima. Es hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf die Tierwelt. Die Anzahl der Berggorillas im Nationalpark wurde um 90 Prozent verringert, die der Elefanten um 80 Prozent.



KINDER ALS MINENARBEITER

Und ein drittes schwerwiegendes Problem: Kinderarbeit. Unter der Aufsicht der Milizen arbeiten neben Flüchtlingen und Kriegsgefangenen auch viele Kinder als Minenarbeiter. Statt in einer Schule zu lernen, erfüllen sie eine menschenunwürdige und auch gefährliche Arbeit. Immer wieder gibt es Tote durch Erdrutsche und Unfälle.

Kriegsfinanzierung, Umweltzerstörung, Kinderarbeit: Diese drei Aspekte müssen wir bedenken, wenn wir uns das neueste iPhone, einen größeren Fernseher oder andere Geräte anschaffen. Unser Wohlstand und unser Fortschritt basieren auf dem Elend der Menschen im Kongo. Kann man dem als Privatperson entgehen?



FAIR GEHANDELTE ROHSTOFFE

Immerhin kommt bald das „Fairphone“ auf den Markt, ein Mobiltelefon, das überwiegend aus fair gehandelten Rohstoffen und unter sozialen Arbeitsbedingungen hergestellt wird. Es gibt noch andere kleine Schritte. Vor jedem Kauf sollten wir uns fragen: Ist dies wirklich nötig? Brauche ich tatsächlich einen schnelleren Computer, ein moderneres Handy? Ich sollte keinesfalls mehrere alte Handys zu Hause liegen haben. Ich kann sie weitergeben. Es spart überdies Coltan, wenn ich ein gebrauchtes übernehme. Ich kann auch helfen, auf diesen Skandal hinzuweisen, meine Umgebung zu sensibilisieren. Je mehr Menschen protestieren, desto stärker kommen die Verantwortlichen unter Druck.

Die UNO ist dabei, ein System mit Zertifikaten zu entwickeln, mit dem nachgewiesen werden soll, woher genau das verwendete Erz kommt. Es bleibt zu hoffen, dass Politik und Industrie dabei mitmachen, um die Lage im Kongo, diesem armen reichen Land, zu verbessern.

Die kongolesische Bischofskonferenz hat 2007 eine eigene Kommission eingerichtet, die sich für die natürlichen Ressourcen einsetzt, aber auch für die Minenarbeiter: CERN.


Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016