Das Weihnachtsspiel vom Meistersänger
Als Sohn des Schneidermeisters Jörg Sachs wurde Hans am 5. November 1494 in Nürnberg geboren. Er besuchte die Lateinschule, ging in eine Schuhmacherlehre und als Geselle 1511 auf Wanderschaft durch deutsche Lande. Eine Zeitlang war er Jagdgehilfe am Hof von Kaiser Maximilian I. in Innsbruck, wo er mit dem Meistersang bekannt wurde. Im gleichen Jahr nahm er selbst Unterricht bei Lienhard Nunnenbeck in München.
Literat und Krämer. Der Meistersang wurde im 15. und 16. Jahrhundert von dichtenden Handwerkern gepflegt, die sich in Singschulen organisierten. Die historische Bedeutung dieser Bewegung liegt in der Tatsache, dass Bürger angeregt wurden, für sich, Familie, Nachbarn zu dichten. Neben dem Hauptsingen in der Kirche traten die Meistersinger auch zum Zechsingen in Wirtshäusern auf. Nach seiner Rückkehr nach Nürnberg heiratete Hans Sachs 1519 Kunigunde Creutzer, ließ sich 1520 als Schuhmachermeister und Krämer nieder, wurde Mitglied der Meistersingerzunft und freundete sich mit angesehenen Humanisten an. Er starb am 19. Januar 1576.
In 34 Folianten finden sich, eigenhändig geschrieben, seine gesammelten Werke: 4.275 Meistergesänge, 208 Komödien und Tragödien, 1.492 Schwänke und Fabeln, 73 Lieder: insgesamt 6.048 Dichtungen. Die Stoffe entnahm er der Bibel, Schriftstellern des Altertums und der Renaissance, Volksbüchern und Sagen. Daneben griff er aktuelle Themen auf. Von seinen dramatischen Arbeiten sind die Fastnachtsspiele wohl am bekanntesten, mit ihrer lebendigen Charakterisierung, ihrem Humor und ihrer drastischen Komik setzten sie einen Meilenstein auf dem Weg zum deutschen Lustspiel.
Mittelalterliches Krippenspiel. Begonnen hatte das Theater in den Kirchen des Mittelalters. Die dichterische und musikalische Gestaltung des Gottesdienstes wurde im 12. Jahrhundert um szenische Darstellungen biblischer Geschichten erweitert. So führte man die Weihnachtsgeschichte um die Krippe herum auf: Die Verkündigung des Engels an Maria und an die Hirten und der Auftritt der heiligen drei Könige wurden mit Sprache, Mimik und Gestik ausgespielt. Im 13. Jahrhundert vollzog sich der Übergang vom lateinischen zum deutschen Spiel. Schließlich wurden die Spiele aus der Kirche ins Freie verlegt, Passionsspiele auf städtischen Marktplätzen aufgeführt.
Dass das Krippenspiel außerhalb der Kirchen populär wurde, soll auf den heiligen Franziskus zurückgehen: Die von ihm inszenierte Krippenfeier von Greccio in der Nacht zum 25. Dezember 1223 wurde weit außerhalb von Assisi bekannt. Franziskus ließ damals im Wald eine Krippe aufstellen und Akteure als biblische Gestalten auftreten, dabei bezog er Ochs und Esel als Staffage ein.
Comedia in 5 actus. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begann mit Hans Sachs eine neue künstlerische Stufe des Dramas, es wurde realistischer und humoristischer, besaß aber zugleich moralischen Gehalt. Sachs’ Weihnachtsspiel „Empfängnis und Geburt Christi" fand weite Verbreitung, bis heute wird es vor allem in Süddeutschland aufgeführt. In der „Forschungsreihe für fränkische Volksmusik" wurden als Band 32 zwei geistliche Dramen von Hans Sachs, „Empfängnis und Geburt Christi" sowie „Die Ganz Passion", veröffentlicht (Walkershofen 1984). Irene Steinmetz hat die Texte aus der Handschrift des Autors transkribiert, der Herausgeber Horst Steinmetz hat sie bearbeitet und gekürzt. So präsentiert sich das Weihnachtsspiel von Hans Sachs als „Comedia mit 10 Personen … in 5 actus", das zumeist durch Lieder und musikalische Darbietungen ergänzt wird.
Nach dem Prolog durch den Herold tritt im zweiten Akt Maria auf. Es folgt die altbekannte biblische Geschichte von der Verkündigung des Engels Gabriel an Maria, Josefs Traum, den drei Weisen aus dem Morgenland und den Hirten auf dem Felde, dem über Leichen gehenden König Herodes. Sie endet mit dem fluchtartigen Aufbruch der heiligen Familie nach Ägypten. Der Epilog des Herolds resümiert das heilige Geschehen und beendet das Weihnachtsspiel mit einem Aufruf zum Glauben.
Volksnah und gefühlvoll. Es ist die alt vertraute Weihnachtsgeschichte, doch bei Hans Sachs schimmert die Lebenswirklichkeit seiner Zuhörer durch. Zum Beispiel wenn Maria beschreibt, wie sie dem von Jesaja prophezeiten „hochwürdig Kindelein" dienen will „mit Wickeln, Wiegen, Legen und Tragen, mit Wischen, Waschen, Badn und Sagen, im Ätzen, Tränken, Singen und Wachen, was ich vermöchte in allen Sachen…". Oder wenn Josef seinen Kummer klagt. Kann er doch nicht verstehen, wie seine zarte und tugendhafte Maria, „die ich noch nit, wie sich gebührt, mit Hochzeit hab zu Haus geführt, und sie geht doch mit großem Leib jetzt schwanger wie ein ander Weib". Doch sie unmoralischen Verhaltens zu beschuldigen, bringt er nicht übers Herz: „Sollt ich sie rügen, so muss sie sterben, nach dem Gesetz elend verderben. … Will sie nit schelten oder hassen, sondern heimlich ziehen mein Straßen…" Das sind gefühlvolle Momente, bis Josef endlich in Schlaf fällt und im Traum ihm der Engel alles erklärt.
So nimmt Hans Sachs die spätmittelalterlichen Traditionen auf, gibt seinen Dramen aber einen neuen volksnahen Ton, vermittelt christlichen Glauben und humanistisches Bildungsgut an seine Mitbürger in den aufstrebenden Städten. Sein Werk bezeugt die Kultur des erstarkenden Bürgertums. Und uns Heutigen ist „Empfängnis und Geburt Christi" ein heimeliges Stück weihnachtlicher Tradition.