Der Augenblick der großen Liebe

21. Januar 2011 | von

Nichts ist so fragil, so zerbrechlich, so verletzlich wie die Liebe. Gut zu wissen, dass es da einen Heiligen gibt, der ein Herz für die Liebenden hat. Und einen Tag, der allein den Verliebten vorbehalten ist.

Der Valentinstag, den die Liebenden am 14. Februar begehen, geht zurück auf den heiligen Valentin. Er lebte vermutlich im 3. Jahrhundert, erst als Priester in Rom, dann als Bischof in Terni. Zu seiner Zeit konnten Liebende nicht ohne die Zustimmung ihrer Eltern heiraten. Der Legende nach soll der Heilige einem Liebespaar gegen den Willen der Eltern zur Ehe und dann auch zur Flucht vor den Eltern verholfen haben. Allen Liebenden begegnete er stets mit großem Wohlwollen, schenkte ihnen Blumen und segnete sie
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Immer mehr Gemeinden greifen diesen „alten Brauch“ auf und laden verliebte Paare am Valentinstag zu einer Segensfeier ein. Der Segen des heiligen Valentin ist allen Liebenden gewiss, auch wenn er heute keinem Liebespaar mehr zur Flucht verhelfen muss...

Liebe beginnt mit dem Augen-blick. Manchmal reicht buchstäblich ein Augenblick, der Bruchteil einer Sekunde, die Dauer eines Wimpernschlages. Da treffen sich zwei Menschen, oft rein zufällig, blicken sich in die Augen... und schon ist es um sie geschehen. Ganz plötzlich, völlig unerwartet, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Irgendwann und irgendwo erwischt es wohl jeden. Liebe auf den ersten Blick! Valentin lässt grüßen...

Liebe beginnt zwar mit dem Augen-blick, ist aber keine „Augenblickssache“. „Mein Ort ist, wo Augen mich ansehen, wo sich Augen treffen, entstehe ich“, schreibt Hilde Domin in einem ihrer Gedichte. Ein Blick genügt, und nichts ist mehr wie es war. Alles bleibt, aber völlig anders. Auch bei den Verliebten! Sie erleben sich als liebens-wert, für viele eine ganz wichtige Erfahrung, für manche sogar eine erstmalige. Das stärkt den Selbst-wert, das Selbstbewusstsein. Das Leben erhält einen ganz neuen Stellenwert. Man hat Lust auf Leben! Möchte am liebsten die ganze Welt umarmen. Die Welt steht kopf, wenn einem der Kopf verdreht wird!



Es hat gefunkt

Das Passwort für Liebende heißt Liebe. Liebe kennt keine Fristen, keine Vorbehalte, keine Vorbedingungen. Allein die unbefristete, bedingungslose Liebe eröffnet den Zugang zum anderen. Nur wer sich auf den anderen verlassen kann, kann sich selbst ver-lassen, sich öffnen, aus sich herauskommen. Und sich auf-machen – im Doppelsinn des Wortes. Das Passwort der Liebe jedoch kennt keinen Passepartout, keinen Allerweltsschlüssel. Den Geheimplan der Liebe muss jedes Paar selbst ganz neu für sich entschlüsseln.

Die Chemie muss stimmen, sagen wir, wenn es um menschliche Beziehungen in den verschiedensten Lebensbereichen geht. Man muss sich „gut riechen“ können, wenn man miteinander auskommen will. Schon das ist im allgemeinen Leben oft schwer genug. Umso mehr muss die Chemie stimmen, wenn es um die „große Liebe“ geht. „Liebe ist nichts anderes als ein Boogie-Woogie der Hormone“, meinte einst der amerikanische Schriftsteller Henry Miller sarkastisch. Wer sich Hals über Kopf verliebt, bei dem kommt es im Zusammenspiel von Gehirn und Nerven zu einer lawinenartigen Ausschüttung der Glückshormone. Dann hat es gefunkt, und wie...

Im Hirn Verliebter finden sich hohe Konzentrationen der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin. Sie verursachen die berühmten Schmetterlinge im Bauch und verantworten freudige Erregung bis hin zur Ekstase. Eineinhalb bis drei Jahre kann dies bei verliebten Paaren anhalten. Dann übernehmen die Kuschelhormone Oxytocin und Vasopressin die Regie. Sie erzeugen die Gefühle der Nähe, Wärme und Gemeinsamkeit.



Mehr als nur Chemie

Gott sei Dank: Liebe ist doch eben mehr als alle chemischen Versuchsanordnungen. Und immer noch mehr als eine Reaktion von Botenstoffen im Gehirn – allen neuesten neurobiologischen Erkenntnissen zum Trotz. Und doch kann Liebe „verrückt“ machen, die alltäglichen Maßstäbe ver-rücken. Verliebte schweben im siebten Himmel, von „Wolke Acht“ schauen sie mit verklärtem Blick auf ihre Liebe. Der Volksmund kennt dafür vielsagende Bilder: die rosarote Brille, der verdrehte Kopf, das blinde (eine) Auge, die entflammte Liebe, das lodernde Feuer. Er spricht auch vom Wirbelsturm der Gefühle, einem Tsunami gleich... Jedoch: Wer möchte sie missen, die Zeit des Verliebtseins? Sie ist und bleibt eine wichtige Etappe auf dem langen Weg der Liebe. Mit der Zeit verwandelt sich Verliebtheit in wirkliche Liebe, die über sich selbst hinauswächst und mehr und mehr den Anderen in den Blick nimmt. „Liebe ist Verantwortung eines Ichs für ein Du“, meint Martin Buber, der jüdische Philosoph.

Eine solche Liebe bleibt nach wie vor unbestritten das Wichtigste im Leben... die Liebe der Eltern, der Kinder, der Geschwister und eben auch der Liebes- und Eheleute. Weil wir ohne Liebe nicht leben können, suchen wir sie, sehnen wir uns danach. Und hoffen darauf, irgendwann und irgendwo „die große Liebe“ zu finden. Liebe ist universell und grenzenlos, der größte und älteste Global-Player aller Zeiten. Alle Sprachen kennen das Wort Liebe, alle Menschen verstehen die Sprache der Liebe. Und alle, ob jung oder alt, sprechen enthusiastisch von der Liebe oder träumen von der „großen Liebe“. Aber was ist Liebe überhaupt? Wüssten wir es (so genau), bräuchten wir nicht die unzähligen Liebesgeschichten durch die Jahrhunderte. Wir wissen es nicht, und darum suchen wir voller Sehnsucht nach der Liebe. In Zeitschriften und Büchern, im Kino und auf der Bühne. Liebe mal als Drama, mal als Komödie, mal als Tragödie. So wie „im richtigen Leben“?



Liebesglück und Liebesleid

„Liebe ist, wenn...“ Darauf antworten wir in vielfältigen Bildern und Aphorismen. Da Worte kaum ausreichen, um auszudrücken, was wir fühlen und ersehnen, brauchen wir Zeichen und Symbole. Der Kuss, die Umarmung, der Freundschaftsring, die rote Rose – sie machen jedes Wort überflüssig. Symbolhafte Zeichen und Handlungen fügen zusammen (symbolon, griech., das Zusammengefügte): das Unfassbare macht es „fassbar“, das Unbegreifliche lässt es (be-)greifen, das Unglaubliche macht es glaubhaft. Liebende brauchen diesen „Glauben“ an die Liebe – heute mehr denn je, da der Glaube an eine beständige und tragfähige Liebesbeziehung zu schwinden droht.

Liebe ist voller Leidenschaft, sie kann aber auch viel Leid schaffen. Nicht ohne Hintersinn kommt die Liebe in der römischen  Mythologie als Götterjüngling Amor daher. Der wirkt so rein und unschuldig, als könnte er keiner Seele etwas zuleide tun. Und doch zielt er mit dem Pfeil auf die Herzen des verliebten Paares. Die Liebe, um im Bild zu bleiben, beginnt mit einer Verletzung. Je offener und vertrauter sich die Liebenden werden, umso verletzlicher und verwundbarer werden sie füreinander. Und wenn dann noch Eifersucht mit Eifer sucht, dann wird man krank vor Eifersucht. Sie ruiniert die Liebe. Ein echter „Liebeskiller“! „Wahnsinnig verliebt sein“ bekommt hier eine ganz andere Bedeutung.

Die Liebe geht mit der Zeit. Heute kommt sie nicht selten per Mausklick ins Haus. Der virtuelle Liebesmarkt hat Hochkonjunktur. Über 2500 Singlebörsen und Partnervermittlungen bieten im Internet ihre Dienste an. „Safer flirten“ per Mausklick – eine interessante Art der Kontaktanbahnung. Vor allem für Menschen in den dreißiger Lebensjahren, die im „Stau“ ihres Lebens stehen. Wo sich alles aufstaut: Abschluss der Ausbildung, Eintritt ins mobile Berufsleben, Wohnortwechsel, neuer Freundes- und Verkehrskreis, evtl. berufliche Kündigung und vieles mehr. Bleibt da noch Zeit für die Liebe, für die Suche nach dem „richtigen“ Partner? Liebe im Eiltempo, so nebenbei, geht nicht.



Im Netz der Liebe

Letzter Ausweg: der „Klick“ beim Klicken. Es gibt das große Glück im Internet, es gibt aber auch die große Enttäuschung. So schnell Kontakte entstehen, so schnell können sie auch vergehen. Wer online nach seinem (Traum-)Partner sucht, muss wissen, dass das Leben immer noch offline gelebt wird. „High-Tech“ ist gut, aber „High-Touch“ muss folgen ... und das ist oft schwieriger als man glaubt!

Denn Lebensübergänge, wie die von zwei Singles zu einem Liebespaar, sind immer mit Veränderung und Neuorientierung verbunden. Da braucht es ein neues Zusammenspiel, ein beider-seitiges Aufeinander-Zugehen. Ob zwei zusammenpassen, hängt nicht allein von der Schnittmenge gemeinsamer Interessen, Neigungen oder Prägungen ab. Sie mögen darüber entscheiden, wer zusammenfindet und zusammenkommt. Wer aber zusammenbleiben will, muss Gemeinschaft leben können und darf diese Gemeinschaft nicht auf Wochen, Monate oder Jahre begrenzen. Liebe braucht Dauer, damit sie sich entwickeln kann. Liebende schwören sich „ewige Liebe“. Ob sie aber für ein ganzes Leben reicht? Zwei sind besser als einer allein, eine uralte Lebenserfahrung. Bereits nachzulesen im Alten Testament. Genauer im Buch Kohelet, verfasst im 3. Jahrhundert v. Chr.(!). Über Jahrtausende lebensnah und aktuell geblieben, im besten Sinne modern. „Zwei sind besser als einer allein... Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne dass einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet. Außerdem: Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; einer allein − wie soll er warm werden?“ (Koh 4, 9-11).

Zwei sind besser als einer allein, das sagen auch die Glücksforscher unserer Zeit. Wer zusammenlebt, ist glücklicher als jemand, der allein lebt. Was für ein Liebesglück!

Bei aller Liebe: In Zeiten der Beliebigkeit ist das Glück der Liebe immer auch gefährdet, mitunter sogar bedroht. Selbst die „große Liebe“ unseres Lebens. Liebende ahnen oder spüren vielleicht, dass sie sich allein nicht genügen, sich selbst mitunter überfordern. Der Schriftsteller Peter Handke bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: „Ich brauche immer einen Dritten, an den ich mich wenden könnte, zur Beruhigung, zur Danksagung − zur Ergänzung; und dieser Dritte, den ich benötige in meiner Liebe, den ich mitdenken möchte in meiner Liebe, der für die jeweilige Wendung in mir sorgt, da kommt mir nur der Name ‚Gott‘ in den Sinn.“



Gott als ständiger Begleiter

Liebe ist im letzten nicht planbar, machbar, bestimmbar. Darum suchen Liebende so etwas wie „rituelle Begleitung“: Schutz und Beistand, Vergewisserung und Deutung, nicht zuletzt Segen und Feier.

„Segen Gottes“ – schaden kann er uns und unserer Liebe ja nicht. So mag das ein oder andere Paar insgeheim wohl denken. Gar nicht so falsch gedacht! Schädlich ist der Segen Gottes allemal nicht. Ganz im Gegenteil: Er bewahrt vor Schaden oder hilft möglichen Schaden zu begrenzen. Im Segen verheißt Gott menschlicher Liebe seine Liebe.

Die Liebesgeschichte eines jeden Paares ist auch die Liebesgeschichte Gottes mit ihm. Gott meint es gut mit den Liebespaaren. Wer immer sie sind, wo immer sie stehen. Ob vollwertig, halb(zeit)wertig oder etwa „nur“ minderwertig im Glauben. Seine Segenshand bleibt ausgestreckt... Das gilt es zu feiern in den Segensfeiern am Valentinstag!

Fleurop sei Dank: Valentin ist als Schutzpatron der Liebenden zu neuen Ehren gelangt. Am Valentinstag blüht das Geschäft, aber viel wichtiger: Es „blüht“ auch die Liebe auf. Wenn zwei sich lieben, geht ihr Blick immer öfter nach oben... Denn ihre Liebe wird vom Jenseits betreut, nicht nur am Valentinstag.









Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016