Der echte Antonius?
Unter einem Bogen im Chorbereich der Antonius-Basilika befindet sich ein Fresko aus dem 14. Jahrhundert, das den segnenden heiligen Antonius zeigt. Zur Zeit wird dieses Fresko, bei dem es sich wohlmöglich um das älteste Porträt des Wundertäters handelt, restauriert.
In der Antonius-Basilika in Padua wird zur Zeit ein antikes und wertvolles Fresko restauriert, auf dem der segnende heilige Antonius dargestellt ist, mit einem Buch in der Hand und zwei kleinen Figuren zu seinen Füßen, ein Mann und eine Frau, wahrscheinlich die Auftraggeber.
Es ist ein Bildnis, das eher unbekannt und auch für die Besucher eher „unsichtbar“ ist, da es sich unter einem Bogen des Chores befindet, unter einer dicken Glasplatte und noch dazu schlecht ausgeleuchtet. Im Dunklen liegt auch die Geschichte des Freskos. Man kennt den Künstler nicht, möglicherweise war es ein Schüler Giottos, der in sein Werk den figurativen Stil und den menschlichen Humanismus des berühmten Florentiner Malers eingehen ließ. Auch das Entstehungsjahr ist nicht bekannt. P. Vergilio Gamboso nimmt in seinem historisch-künstlerischen Führer zur Antonius-Basilika das Jahr 1326 an, was aber von Wissenschaftlern als reine Hypothese gesehen wird. Und doch hat dieses Fresko eines unbekannten Meisters, das den meisten Besuchern gar nicht auffällt, einen indiskutablen Wert: „Vom dritten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts an,“ so schreibt P. Vergilio, „gilt diese Darstellung als das wahre Porträt des heiligen Antonius.“
Fresko in Gefahr
Bei so vielen Unklarheiten gibt es jedoch auch eine Sache, die sicher ist: der schlechte Zustand des Werkes. Nicht zufällig hat die Veneranda Arca del Santo, die im Jahr 1396 gegründet wurde, um sich nicht nur um die Grabeskapelle des heiligen Antonius, sondern grundsätzlich um die Kunstwerke in der Basilika und deren Erhaltung zu kümmern, gemeinsam mit dem Heiligen Stuhl, zu dessen Besitz die Basilika gehört, entschieden, das Kunstwerk zu restaurieren.
Dass das dringend notwendig ist, erklärt Baldissin Molli von der Abteilung für Kulturgüter der Universität Padua und Präsident der Veneranda Arca: „Das Werk ist in keinem guten Zustand. Es handelt sich um ein sehr empfindliches Fresko, dessen Restaurierung, die von Anfang an als schwierig eingestuft wurde, sehr behutsam vorgenommen werden muss. Wir wissen im Moment nicht, ob das Fresko direkt auf die Säule gemalt wurde, auf der es sich befindet, oder woanders und dann später erst hierher gebracht wurde.“
Die Restaurierung, mit der Valentina Piovan beauftragt wurde, ist noch ganz am Anfang; bisher gab es keine Überraschungen, die vielleicht Hinweise auf die Geschichte des Freskos geben könnten.
Eine realistische Darstellung?
Wir haben schon angedeutet, dass eine antike Tradition in diesem Bild das wahre Porträt des heiligen Antonius sieht. Ist das möglich? Jeder Zweifel ist mehr als berechtigt, da es im Moment zumindest keine Dokumente oder Beweise gibt, die dies belegen. Wenn man die Datierung von P. Vergilio (1326) als richtig ansieht, war der heilige Antonius zu diesem Zeitpunkt schon seit fast einem Jahrhundert gestorben. Die Möglichkeit, dass der Meister aus Giottos Schule auf mündlich von Bruder zu Bruder weitergegebene Zeugnisse zurückgreifen konnte, ist ziemlich unwahrscheinlich. Er hätte sich von anderen Darstellungen des Heiligen inspirieren lassen können, die vielleicht auch ohne jeglichen künstlerischen Wert waren und die zur damaligen Zeit in der Basilika zu finden waren, von denen man bislang aber keine entdeckt hat. Noch nicht einmal der anonyme Autor der Assidua, der ersten Antoniusbiografie, die drei Jahre nach dem Tod des Heiligen verfasst wurde, hat ein Antonius-Porträt erstellt. Obwohl er so bemüht war, seine Heiligkeit, seine Weisheit, seine Tugend und seine Vorzüge zu schildern, hat er nicht eine Zeile für das körperliche Erscheinungsbild verwendet. Und diese Lücke wurde auch von den nachfolgenden Biografen nicht geschlossen. Dem Autor der Assiuda sind dann aber doch ein paar kurze Hinweise herausgerutscht, wie dieser: „Es erstaunt jedoch in gewisser Weise, dass er von einer gewissen natürlichen Korpulenz betroffen und von dauerhafter Krankheit heimgesucht war.“ „Eine gewisse natürliche Korpulenz“ also, die sicherlich nicht auf ein Übertreiben bei den Gaumenfreuden zurückzuführen ist, sondern, im Gegenteil, auf verlängerte Phasen des Fastens, zu vielen „armen“ Lebensmitteln mit wenig Nährstoffen, was dann zu seiner Krankheit geführt hat, die die Tradition als Wassersucht ansieht, eine Pathologie also, bei der Flüssigkeiten im Körper und vor allem unter der Haut angelagert werden. Umgangssprachlich, „die den Körper durch Wasser aufbläht“. Von einer gewissen Korpulenz gekennzeichnet erscheint eben auch der Heilige auf dem Fresko. Das lässt vermuten, dass der Künstler die knappe Beschreibung des Verfassers der Assidua kannte.
Mutmaßungen und Wahrscheinlichkeiten
Bei der Rekognoszierung des heiligen Antonius im Jahr 1981 haben Fachleute die sterblichen Überreste genau untersucht. Unter anderem kamen sie zu diesem Schluss: Der heilige Antonius war ziemlich groß, circa 171 cm, zu einer Zeit, als die Durchschnittsgröße von Männern bei 163-165 cm lag, mittelmäßig robust, ein guter Läufer mit starken Beinen. Andere interessante Elemente dieser Untersuchungen: Er hatte eine längliche, gemäßigt breite Kopfform, ein hohes, starkes und leicht quadratisches Kinn, das nicht sehr hervorstehend war. Eine schmale Nase, tief liegende Augen und schwarze Haare.
Auf Grundlage dieser Daten hat der Bildhauer Roberto Cremesini im Jahr 1985 eine Bronzebüste des Heiligen erstellt. Das Ergebnis ist ein mageres, knochiges Gesicht, das sowohl von der kollektiven Vorstellung der Verehrer als auch von dem Fresko des Giotto-Meisters weit entfernt ist. Diesem jedoch nähert sich wiederum eine jüngere Rekonstruierung an, die mithilfe der neusten Erkenntnisse der forensischen Anthropologie erstellt wurde, die aus wenigen Daten eine recht genaue Physionomie erstellen kann. Diese Untersuchung wurde von einem italienisch-brasilianischen Team durchgeführt, das sich seit 2012 mit der Rekonstruktion von Gesichtern aus dem Bereich der Archäologie befasst. Anhand der Untersuchungsergebnisse wurde ein 3-D-Bild des Heiligen erstellt. Haben wir nun also das wahre Antlitz des Heiligen? Wer kann das schon sagen. Sicherlich kann man bei dem heutigen Wissensstand vermuten, dass das von dem unbekannten Meister gemalte Bildnis nicht ganz unwahrscheinlich ist.