Der Hüter des Antoniusgrabes
Das Grab des Heiligen ist das Herzstück der Basilika. Zahlreiche Pilger ziehen täglich still an ihm vorüber, unter dem wohlwollenden Blick von Bruder Francesco Fantin, Minorit im Konvent an der Basilika in Padua. Sein gutmütiges Gesicht wirkt so einladend, dass sich ihm viele Pilger anvertrauen.
Der „Hüter des Antoniusgrabes“ muss am Morgen schon beizeiten aufstehen, um sein Amt gewissenhaft auszuführen. Wenn die Basilika noch geschlossen ist, sorgt Bruder Francesco Fantin bereits dafür, dass die „Arca“ und das Grab des Heiligen ansprechend und ordentlich aussehen. Später, wenn die Türen geöffnet sind, ist es die Aufgabe des 60-Jährigen, die Pilger mit derselben Brüderlichkeit aufzunehmen, wie es der heilige Antonius getan hätte.
Ein Herz und zwei Mütter
Viele Pilger vertrauen ihm ihre Geschichte an und bitten ihn um sein unterstützendes Gebet. Wie außergewöhnlich diese Begegnungen sein können, schildert Bruder Francesco: „Eines Morgens bringen mir Eltern ein Foto ihres Sohnes, das ich zu den Dankeszeichen stellen sollte. ‚Er ist dreizehn Jahre alt und heute Nacht hat er ein neues Herz transplantiert bekommen; es war höchste Zeit’, erklären mir die beiden.
Eine andere Frau tritt hinzu und unterbricht sie beinahe: ‚Vater, beten Sie für mich, heute Nacht ist meine Tochter gestorben. Als Trost bleibt mir nur, dass ich ihr Herz spenden konnte und nun jemand anderes für sie weiterleben darf.’ Alle schweigen, die Spannung ist greifbar. Nach kurzer Ungläubigkeit schauen sich die beiden Mütter an – sie haben verstanden: Das Herz, das dem Jungen das Leben geschenkt hat, ist das Herz der Tochter, die verstorben ist. Eine lange, nicht enden wollende Umarmung verbindet diese beiden Familien für immer.“ Eine andere wundervolle Begegnung am Grab des Heiligen: Zwei junge Leute, die Bruder Francesco persönlich kennt, haben sich nach einer langen Verlobungszeit eine „Auszeit“ genommen. Ein paar Tage später sieht der „Hüter der Arca“, wie die junge Frau ein Foto ihres Freundes zu den anderen Bildern ans Grab steckt, so, als ob es sich um eine Sache handele, die sie verloren hat und schnell wiederfinden möchte. Als sie die Kapelle verlässt, sieht sie ihren Freund, der ein Foto von ihr in der Hand hält, um genau dasselbe damit zu tun. Die beiden kommen wieder zusammen, um – wie im Märchen – glücklich zusammenzuleben.
Und wer hat wohl die Mutter direkt zu dem Foto geführt, auf dem sie das zerstörte Auto ihres Sohnes zu erkennen glaubte? „Die Frau kam zu mir und wollte wissen, wann dieses Ex-Voto-Bild gebracht wurde, auf dem das Auto ihres Sohnes abgebildet sei. ‚Vor drei oder vier Tagen, aber das Auto könnte ja von jedem sein’, antworte ich. Aber sie ist sich ganz sicher. Ich nehme also das Bild ab und frage sie nach dem Namen und dem Geburtsdatum ihres Sohnes. Sie stimmen mit den Angaben auf dem Foto, mit dem für das Überleben nach dem schweren Unfall gedankt wird, überein. Die Frau bricht in Tränen aus: Sie hat seit drei Jahren nichts mehr von ihrem Sohn gehört, als dieser nach einem heftigen Streit die Türe knallend das Haus verlassen hat. Nun weiß sie zumindest etwas mehr.“
Kleine Anekdoten und große Begebenheiten, die das tägliche Leben unter den mächtigen Kuppeln der Basilika bestimmen. Häufiger sind die erwirkten „Wunder“ innere: Sie künden von gewandeltem Leben.