Der Panama-Kanal
Als ich vor einigen Jahren, in Urlaub bei meinem Bruder in Panama, auf der Besucherterrasse der Schleusenanlage von Miraflores stand, konnte ich mich der Faszination von Technik und Ingenieurskunst nicht entziehen. Große Frachtschiffe mit tausenden Containern an Bord passten zentimetergenau zwischen die Schleusenmauern, wurden neun Meter abgesenkt bzw. angehoben und fuhren anschließend weiter in den Pazifik bzw. den Atlantik. Und dies seit hundert Jahren.
Der Panamakanal wird jährlich von ca. 14.000 Schiffen befahren, die Hälfte davon Schiffe der Panamax-Klasse, deren Ausmaße genau auf die Schleusenanlagen des Kanals abgestimmt sind. Die Schiffe sind 294 Meter lang und 32 Meter breit und dürfen 57 Meter Höhe nicht überschreiten, um unter der Puente des las Americas hindurchfahren zu können. Bei Panama-Stadt fahren die Schiffe von der Pazifikseite in den Kanal hinein, werden durch die Schleusenanlagen von Miraflores und Pedro-Miguel um ca. 26 Meter angehoben, durchqueren den Gaillard-Cut, um dann auf dem Fluss Rio Chagres und dem aufgestauten Gatúnsee Richtung Atlantik zu fahren. In den Gatúnschleusen werden sie wieder 26 Meter abgesenkt, um bei der Stadt Colon den Atlantik zu erreichen. Insgesamt legen sie dabei eine Strecke von ca. 80 Kilometern zurück.
Durch den Panamakanal werden 5 Prozent der weltweiten Seefracht transportiert. Vor allem für die USA und China ist dieser Transportweg von herausragender Bedeutung. Fast 70 Prozent aller in US-Häfen gelöschten Waren wird durch den Panama-
kanal transportiert. China befördert ca. 25 Prozent seiner Exporte durch den Kanal Richtung Ostküste der USA und Europa. Der Panamakanal verkürzt den Seeweg von der Ost- zur Westküste der USA um das Kap Horn um 15.000 Kilometer.
SPANIER UND FRANZOSEN
Nach der Entdeckung und Eroberung Lateinamerikas durch die spanische Krone im frühen 16. Jahrhundert wurden erste Projekte einer Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik durch einen Kanal schon 1523 von Kaiser Karl V. angeregt. Das Projekt wurde nicht verwirklicht, und das geraubte Gold und Silber aus dem Inkareich in Peru und Bolivien auf Mauleseln vom Pazifik zum Atlantik transportiert und dann auf Schiffen weiter nach Europa gebracht.
Da es in den USA Mitte des 19. Jahrhunderts noch keine Ost-West-Verbindung gab, wurde der Personen- und Güterverkehr über Mittelamerika abgewickelt. Nach Goldfunden in Kalifornien wurde in der Provinz Panama eine Eisenbahnlinie gebaut, die die vielen Goldsucher von einem Atlantik- zu einem Pazifikhafen brachte, von wo sie die Reise nach Kalifornien fortsetzten.
Nachdem der Franzose Ferdinand de Lesseps 1869 den Suezkanal erfolgreich finanziert und gebaut hatte, wandte man sich in Frankreich seit 1876 dem neuen Kanalprojekt in Mittelamerika zu. Der französische Marine-Leutnant Wyse erhielt von der Regierung Kolumbiens das Zugeständnis, einen Kanal durch Panama bauen zu dürfen. Der von Frankreich geplante Kanalbau scheiterte. Zum einen starben in den Jahren 1881-1889 über 22.000 Arbeiter an Malaria und Gelbfieber, zum anderen musste die französische Kanalgesellschaft Konkurs anmelden. Viele Kleinanleger verloren ihr Geld. 1889 wurden die Arbeiten eingestellt.
EIN EIGENER STAAT FÜR DEN KANAL
Die USA kauften 1902 für 40 Millionen Dollar die theoretischen Planungen von der französischen Kanalgesellschaft ab. Da Kolumbien ihnen aber die Erlaubnis zum Kanalbau nicht gewährte, unterstützten die USA die Trennung der Provinz Panama von Kolumbien und die Ausrufung eines souveränen Staates. Sie vereinbarten mit der neuen Regierung von Panama sofort den Bau des Kanals und die Abtretung einer 16 Kilometer breiten Kanalzone gegen eine Zahlung von 10 Millionen Dollar und einem jährlichen Abschlag von 250.000 Dollar.
Von Präsident Roosevelt beauftragt, plante seit 1905 John F. Stevens den Kanal, und George W. Goethals leitete seit 1907 die Bauarbeiten. 1913 wurde die letzte Sprengung vorgenommen, und am 15. August 1914 konnte die „Ancon“ als erstes Schiff den Kanal in voller Länge durchfahren. Obwohl die hygienischen Maßnahmen die Tropenkrankheiten deutlich reduziert hatten, starben auch bei diesem Bauabschnitt 5.600 Arbeiter. Wegen des ausgebrochenen Ersten Weltkrieges wurde die feierliche Eröffnung verschoben und erst 1920 durchgeführt.
NEUER VERTRAG
Der Staat Panama war durch die von den USA beanspruchte Kanalzone in zwei Teile getrennt. So kam es in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zu Streitigkeiten mit den USA, um mehr Geld für den Kanal bzw. um die Souveränität über die Kanalzone zu erhalten. Erst US-Präsident Jimmy Carter war 1977 bereit, mit General Omar Torrijos einen Vertrag auszuhandeln, um den Kanal und die Kanalzone in die Hände des Staates Panama zu übergeben. Seit dem 1. Januar 2000 ist der Kanal in der Hand des Staates, der einst mit Hilfe der USA gegründet wurde, um den Kanal überhaupt bauen zu können.
Seit 2007 werden neue Schleusen gebaut, die mit einer Breite von 55 Metern und einer Länge von 420 Metern auch Schiffen mit bis zu 12.000 Containern die Durchfahrt ermöglichen. Damit muss der erweiterte Panamakanal mögliche Kanalprojekte in Nicaragua nicht fürchten.