Der Tag des Herrn bleibt heilig

22. Januar 2010

 Der Kommerzialisierung des Sonntags hat das Bundesverfassungsgericht Anfang Dezember Einhalt geboten: Mit einem Grundsatzurteil beschied es, dass Berliner Geschäfte vom kommenden Jahr an nicht mehr an allen vier Adventssonntagen öffnen dürfen. Eine Entscheidung, die vor allem von der katholischen und evangelischen Kirche begrüßt wurde, die gegen die Berliner Sonderregelung geklagt hatten.



 Zu einer Bremse des Zeitgeistes könnte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Sonntagsruhe werden, das es am 1. Dezember 2009 erließ. Dieses höchste deutsche Gericht erklärte Teile des Berliner Ladenöffnungsgesetzes für verfassungswidrig. Der besondere Schutz der Sonn- und Feiertage darf nur in besonderen Ausnahmen durchbrochen werden. „Bloße wirtschaftliche Interessen von Verkaufsstelleninhabern und die alltäglichen Erwerbsinteressen der Käufer genügen nicht für eine Ladenöffnung an den Sonntagen."



Anlass für das Gerichtsurteil war eine Verfassungsbeschwerde der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Ober-

lausitz und des Erzbistums Berlin. Die beiden großen Kirchen wehrten sich gegen das Ladenöffnungsgesetz aus dem Jahr 2006, in dem Berlin als einziges Bundesland alle Adventssonntage von 13.00 bis 20.00 Uhr für die Ladenöffnung freigegeben hatte. Mit diesem Urteil ist eine Serie von Entscheidungen gestoppt worden, die die Sonderstellung des Sonntags immer mehr ausgehebelt hat. Den Marketingstrategen war es gelungen, den Menschen einzuimpfen: Einkaufen ist ein Erlebnis und dieses muss zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar sein. Nun endlich ein entschiedenes Stoppschild!



Offensichtlich griffen die Karlsruher Richter das wachsende Unbehagen über das Diktat des Geldes und des Konsums auf und sagten klar, dass der Mensch Pausen braucht. Ist es nicht inzwischen so, dass die Ökonomie und die Gier Götzen sind und die Menschen sich zu deren Sklaven machen lassen? Die Karlsruher Richter argumentierten mehr von der gesellschaftspolitischen Seite her und nahmen die Regelung zur Sonntagsruhe aus der Weimarer Reichsverfassung als Begründung. Das hat den Vorteil, dass sie nicht nur gläubige Menschen betrifft. Es wird auch das Grundrecht des Schutzes von Ehe und Familie und Gesundheit berührt. „Die Gewährleistung der Arbeitsruhe sichert eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben." Karlsruhe bestätigt also, was Theologen und Soziologen schon immer sagen: Wir brauchen einen Tag, der anders ist als die anderen sechs. Wir brauchen eine Zeit, die nicht von Aktion geprägt ist, sondern Raum bietet für Alternativen wie Begegnungen, Gespräche, Ausflüge, Nichtstun. Das ist zwar für die Götzendiener der Ökonomie pure Zeitverschwendung. Doch für den Menschen ist es Chance: Leben ist mehr als Arbeit und mehr als „Shopping".



Die Karlsruher Richter haben einen bemerkenswerten Pflock gegen die Diktatur der Ökonomie eingeschlagen. Für den Christen ist der Sonntag der Tag des gemeinsamen Gottesdienstes, der Tag, an dem er die Sonnenseiten des Lebens entdecken darf, ein Tag der Ruhe und des zweckfreien Tuns, ein Tag der Gemeinschaft in Familie und Pfarrgemeinde.



Das Karlsruher Urteil fand viel Zustimmung, doch auch Kritik von Seiten einiger der Beliebigkeit verfallenen Politiker und Sklaven des Götzen Ökonomie. Damit der Tag des Herrn auch in Zukunft geschützt wird, forderte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick: „Die Sonntagskultur muss ein Toppthema in der Seelsorge, im Unterricht und in der Erwachsenenbildung werden."



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016