Die Alt-Katholische Kirche

24. Mai 2021 | von

Die Alt-Katholische Kirche dürfte vor allem immer dann ins Blickfeld römisch-katholischer Christen rücken, wenn ein Priester dorthin konvertiert. Unser Autor fasst zusammen, was es mit den Alt-Katholiken auf sich hat.

Im Nachhinein erscheint alles viel klarer, aber damals hat das für viel Verwirrung in der Pfarrei gesorgt: Pfarrer X war noch jung. Und er war bei allen sehr beliebt. Seine Gottesdienste waren lebendig. Seine Predigten waren kurz und ansprechend. Er hatte ein Ohr für die Menschen und deshalb hatte er den Gläubigen auch etwas zu sagen. Plötzlich war er aber ganz anders: Er sprach davon, dass er überfordert sei. Er beklagte sich darüber, dass er vor allem mit Verwaltung beschäftigt sei. In der Kirche gehe es nur noch um Strukturen und nicht mehr um Seelsorge. Überhaupt könne er als Pfarrer in der Katholischen Kirche kaum mehr das machen, wofür er einmal angetreten sei. Und dann kam an einem Sonntag jemand aus dem Ordinariat zur Messe und vermeldete, dass der Pfarrer die Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche verlassen habe und konvertiert sei. Nach der ersten großen Verwirrung gab es natürlich allerlei Gerüchte, bis dann nach wenigen Wochen durchsickerte: Pfarrer X war zur Alt-Katholischen Kirche konvertiert. Er war nun dort als Pfarrer tätig und hatte zwischenzeitlich auch geheiratet.

Alt – und zugleich modern?
Damit gingen die Spekulationen in eine neue Runde, denn niemand wusste so richtig, wer oder was die Alt-Katholiken sind. Aus dem „Alt” wollten manche schließen, dass das die Leute seien, die an der alten, lateinischen Messe festhielten – aber das konnte ja auch wieder nicht stimmen, denn die galten ja als besonders konservativ, und dass gerade die verheiratete Priester zuließen – nein, das konnte nicht sein. Also musste es sich um eine andere Kirche handeln.
Das Alt-Katholische Bistum selbst sagt von sich auf seiner Home-Page: „Das Leben ist bunt. Wir auch.“ Und deshalb gilt: „Ganz gleich, welche ethnischen Wurzeln, welche Hautfarbe, welche Interessen, welcher Familienstand oder wie jemand liebt – unsere Gemeinden stehen jedem offen.” Die Alt-Katholische Kirche präsentiert sich selbst als eine moderne Kirche. Sie wirbt damit, dass sie bereits Reformen umgesetzt habe, die in der katholischen Kirche von manchen gerade mal diskutiert werden: „Einige Reformen, die wir im Lauf der Zeit umgesetzt haben, sind beispielsweise die Möglichkeit der kirchlichen Wiederheirat Geschiedener, die Öffnung des geistlichen Amtes für Frauen oder die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.” Andere Reformen sind schon beinahe historisch, wie die Einführung der Volkssprache in der Liturgie 1874 und die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung 1878. Die Frauenordination wurde 1996 eingeführt und die Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften 2014.

Frucht des I. Vatikanums
Entstanden ist die Alt-Katholische Kirche 1873 in Deutschland in Folge des ersten Vatikanischen Konzils. Trotz erheblicher Widerstände unter den teilnehmenden Bischöfen hatte dieses Konzil die sogenannten Papstdogmen beschlossen, wonach der Papst höchste und volle Jurisdiktionsgewalt in der Kirche ebenso wie das unfehlbare Lehramt besitzt. In der Alt-Katholischen Kirche fanden sich Katholiken zusammen, die die neuen Papstdogmen nicht annehmen konnten. Dabei sieht sich diese Kirche an den alten katholischen Glauben der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends gebunden und bekennt sich „zu der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die vom Glauben an Jesus Christus als deren Mitte und Haupt geprägt ist.” Das erklärt den Namen Alt-Katholische Kirche. Mit der Römisch-Katholischen Kirche hat die Alt-Katholische Kirche wesentliche Elemente gemeinsam, die in c. 205 CIC (Codex Iuris Canonici; Gesetzbuch der lateinischen Kirche) angesprochen werden: Das Glaubensbekenntnis sowie die Zahl und das Verständnis der Sakramente. Keine Gemeinsamkeit gibt es hingegen beim dritten Element, der kirchlichen Leitung, weil weder die Gemeinschaft mit dem Bischofskollegium noch mit dem Papst als dem Haupt des 
Bischofskollegiums gegeben ist. Von daher kann die Alt-Katholische Kirche seitens der Römisch-Katholischen Kirche nicht als eine katholische Teil- oder Rituskirche mit eigenen Ordnungen und Traditionen anerkannt werden, auch wenn sie dies selbst für sich in Anspruch nimmt. Die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung für Priester der Alt-Katholischen Kirche stellt keinen Trennungsgrund dar, weil es dabei nicht um eine Glaubensfrage, sondern um eine Frage der Kirchenordnung geht. Die Priesterweihe von Frauen hingegen berührt Glaubensfragen, ebenso wie die kirchliche Wiederheirat von Geschiedenen und die Segnung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften faktisch das katholische Verständnis des Ehesakraments in Frage stellen. Ungeachtet dessen gibt es lebendige ökumenische Kontakte zwischen der Alt-Katholischen und der Römisch-Katholischen Kirche. Die Alt-Katholische Kirche steht in Kirchengemeinschaft mit der Anglikanischen Kirche und der Lutherischen Kirche von Schweden und ist freundschaftlich verbunden mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und lädt mit dieser zum gegenseitigen Empfang des Abendmahls und der Eucharistie ein.

Vereinbarungen – und Grenzen
Ganz offenkundig stellt der Wechsel von katholischen Priestern zur Alt-Katholischen Kirche sowie der Wechsel von alt-katholischen Amtsträgern zur Römisch-Katholischen Kirche keinen seltenen Einzelfall dar. Die Deutsche Bischofskonferenz und die Alt-Katholische Kirche in Deutschland haben daher am 22. Dezember 1999 eine gemeinsame Vereinbarung veröffentlicht, mit der der Übertritt von Geistlichen von einer zur anderen Kirche geregelt wird. Darin geht es um die Vorbereitung des Übertritts, um die gegenseitige Information der Verantwortlichen und um die Regelung der Versorgungsansprüche ebenso wie um einen künftigen Einsatz, der nach einer dreimonatigen Wartefrist nicht im bisherigen regionalen Tätigkeitsbereich des betreffenden Geistlichen stattfinden soll.
Die Informationen, die man über die Alt-Katholische Kirche sammeln konnte, sollten aber nicht einfach nur theoretisch bleiben: Der Frauenbund der Pfarrei hatte nämlich beschlossen, den ehemaligen eigenen Pfarrer X in seiner neuen Pfarrei der Alt-Katholischen Kirche zu besuchen und dort an einem Sonntag die Messe mitzufeiern. Bei aller Neugier waren dann doch einige Interessierte ziemlich unsicher geworden: Dürfen wir eigentlich als Katholiken dabei eventuell auch zur Kommunion gehen? Das ist eine kirchenrechtliche Frage. Der c. 844 § 1 CIC bestimmt generell, dass Katholiken die Sakramente erlaubt nur von katholischen Spendern empfangen dürfen, weist dabei aber auf Ausnahmen hin. So erlaubt c. 844 § 2 CIC Katholiken, die keinen katholischen Spender aufsuchen können, die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung auch in einer getrennten Kirche zu empfangen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Das betreffende Sakrament muss gültig gefeiert werden – das ist bei Pfarrer X wohl der Fall. Es muss auf Seiten des Gläubigen eine geistliche Notwendigkeit bestehen oder ein geistlicher Nutzen angezielt werden – Neugier gehört nicht dazu. Es darf nicht der Eindruck herrschen, dass sowieso alles unterschiedslos gleich ist – es handelt sich um eine Ausnahme.
Selbst zur Alt-Katholischen Kirche konvertiert ist dann keine von den Mitfahrerinnen. Aber interessant war der Ausflug schon.
 

Zuletzt aktualisiert: 24. Mai 2021
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