Die Augen des Papstes im Weltall
Die Vatikanische Sternwarte und Italiens Nationales Institut für Kernphysik veranstalten in Pisa eine gemeinsame Ausstellung über Astronomie. In der Geburtsstadt Galileo Galileis kann man sich vom 10. März bis 1. Juli über „Geschichten aus einer anderen Welt – Das Universum in uns und
außerhalb von uns“ informieren.
Für den Himmel und seine Gestirne interessierten sich die Stellvertreter Christi auf Erden schon immer. Eine der großen „Sternstunden“ der päpstlichen Astronomie fand im Pontifikat Gregors XIII. (1572-1585) im „Torre dei Venti“ des Apostolischen Palastes statt. Der „Turm der Winde“ sollte der Beobachtung der Gestirne und den Studien zur Reform des Kalenders dienen. Der päpstliche Astronom Ignazio Danti konnte den Beweis dafür antreten, dass die astronomische Tag- und Nachtgleiche des Frühjahrs nicht, wie seit dem Konzil von Nicäa angenommen, auf den 21. März, sondern bereits auf den 11. März fällt – und überzeugte Papst Gregor XIII. von der Notwendigkeit einer Kalenderkorrektur.
BEGRÜNDER DER ASTROPHYSIK
Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die von den Päpsten gewünschten astronomischen Beobachtungen und Forschungen im Collegio Romano der Jesuiten fortgesetzt, das sich von 1774 an „Päpstliches Observatorium“ nennen durfte. Dort wirkte seit dem Jahre 1850 P. Angelo Secchi SJ, einer der bedeutendsten Astronomen der Neuzeit und Begründer der Astrophysik. Er führte als erster die Spektralanalyse in die astronomische Forschung ein und klassifizierte die Sterne nach ihrem eigentümlichen Farbspektrum. Zudem befasste er sich mit dem Einfluss der Sonne auf die Erdatmosphäre. Unbeabsichtigt beflügelte er damit eine neue Literatursparte, den Zukunftsroman. Bei der Erstellung von Marskarten hatte er die Linien, die dunkle Punkte des Planeten miteinander verbinden, als „canali“ (Kanäle) bezeichnet. Secchi spekulierte darauf, dass diese möglicherweise natürliche Wasserwege gewesen seien (heute geben die neuesten NASA-Forschungen dem Jesuiten recht). Zeitgenössische Publikationen führten die Hypothesen des Astronomen ins Abenteuerliche hinüber, und schon bald sprach man von künstlichen Konstrukten, die Außerirdische geschaffen hätten. Noch vor wenigen Jahren stellte eine Esoterik-Zeitschrift die Frage: „Wusste Pater Secchi mehr?“
1891 errichtete Leo XIII. (1878-1903) in den Vatikanischen Gärten ein neues päpstliches Observatorium: „Die Astronomie hilft am besten, die Seele der Menschen zur Betrachtung der himmlischen Dinge zu erheben.“ Der erste Direktor, Barnabitenpater Francesco Denza, erreichte, dass dem Vatikan ein Sektor am Himmel (+50–+64 Grad) vom „Ständigen Komitee für die Bildung der Himmelskarte“ zugewiesen wurde. Weltberühmt wurde die Vatikanische Sternwarte durch ihren „Atlas Stellarum Varabilium“, ein Verzeichnis der veränderlichen Sterne in neun Bänden, in 30-jähriger Arbeit fertiggestellt.
CASTEL GANDOLFO UND ARIZONA
1931 verlegte Pius XI. (1922-1939) die Sternwarte nach Castel Gandolfo, denn das nächtlich erleuchtete Rom erschwerte immer mehr eine sinnvolle Beobachtung des Himmels. Pius XII. (1939-1958) ließ neue Kuppeln bauen und schaffte die damals modernsten Teleskope an. 1948 übertrug die „Internationale Astrographische Union“ der Päpstlichen Sternwarte die Erstellung eines Atlanten für molekulare Spektren. Papst Paul VI. (1963-1978) hielt sich in Castel Gandolfo oft stundenlang im Observatorium auf. Als im Juli 1969 der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte, schaute der Papst am Fernsehbildschirm zu. 1972 bekam er eine kleine Vatikanflagge überreicht, die bei einer der letzten Apollo-Missionen mit auf den Erdtrabanten genommen worden war.
1978 wurde P. George V. Coyne SJ zum Direktor der „Specola Vaticana“ ernannt. Der Professor für Astrophysik an der Universität von Arizona (USA) schlug Johannes Paul II. (1978-2005) vor, auf den zwei- bis dreitausend Meter hohen Bergen Arizonas eine neue Sternwarte des Vatikans zu begründen. So arbeiten seit 1981 päpstliche Astronomen in Tucson/Arizona. Die Sternwarte des Papstes verfügt daher heute über zwei Standorte: Die Beobachtungen und Forschungen finden in den USA statt, die Leitungs- und Verwaltungsaufgaben in Castel Gandolfo. In jedem zweiten Jahr gibt es in der päpstlichen Sommerresidenz für Universitätsstudenten aus aller Welt die „Summer School in Astronomy and Astrophysics“.
METEORITEN UND MONDKRATER
Seit der Entdeckung der „Kanäle“ auf dem Mars durch P. Angelo Secchi ist der Vatikan auch in die Erforschung des vierten Planeten des Sonnensystems involviert. Die vatikanische Sternwarte in Castel Gandolfo befindet sich im Besitz einer der größten Meteoritensammlungen der Welt (1020 Meteoriten von 448 verschiedenen Fundorten). Einer der Steine, der seine Heimat auf dem Mars hat, diente auf Grund seiner besonderen Struktur dazu, die Kamera für die „Pathfinder-Mission“ der NASA auf den roten Planeten zu kalibrieren.
„Die Kirche hat in der Geschichte der astronomischen Forschung eine Spur hinterlassen“, ist sich P. José Gabriel Funes SJ, der Direktor der Vatikanischen Sternwarte, sicher. Dies würden nicht nur die vielen wissenschaftlichen Arbeiten belegen, sondern auch die etwa dreißig Mondkrater und die große Zahl von Asteroiden, die nach päpstlichen Astronomen benannt worden seien.