Die Heiligen Drei Könige in Köln

30. Juni 2014 | von

Zum Wappen der Stadt Köln gehören die drei Kronen. Sie erinnern an die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die Reichskanzler Rainald von Dassel im Juli 1164 aus Mailand an die Rheinmetropole überführte. Damit wurde die Stadt „dat hillige Coellen“ und ist bis heute Ziel vieler Pilger. Beim 20. Weltjugendtag im August 2005 feierten über eine Million Menschen den Abschlussgottesdienst mit Papst Benedikt XVI.



Der Dom und die Stadt Köln feiern ein wichtiges Jubiläum. Vor 850 Jahren wurden die Reliquien der Heiligen Drei Könige durch Erzbischof Rainald von Dassel aus Mailand nach Köln überführt. Die Gebeine der Heiligen erreichten schon bald eine zentrale Stellung in der abendländischen Heiligen-verehrung. Der mit den Pilgerströmen verbundene reiche Geldfluss ermöglichte den Bau des Kölner Doms und des wertvollen Dreikönigsschreins. Heute zählt der Kölner Dom mit jährlich

6 Millionen Besuchern zu den am meisten besuchten Bauwerken Deutschlands.



DREI SARKOPHAGE

Versucht man, den Weg der Gebeine von ihrer Auffindung bis zur Ankunft in Köln und ihrer endgültigen Aufbewahrung im Goldsarg nachzugehen, öffnet sich ein Fenster, das einen spannenden Einblick in die Geschichte freigibt. Die kleine Zeitreise nimmt ihren Ausgangspunkt vor dem Reliquienschrein im Kölner Dom. Der 2004 renovierte Schrein präsentiert sich dem Betrachter auf einem beleuchteten Gestell und kann umschritten und unterschritten werden.

Der Schrein, er wird Nikolaus von Verdun (1130 – 1205) zugeschrieben, entstand in den Jahren zwischen 1181 bis 1190. Er ist 110 cm breit, 153 cm hoch und 220 cm lang und damit der größte und auch kostbarste Goldsarg des Mittelalters. Die künstlerische Ausführung erhält ihren speziellen Charakter durch die Kombination verschiedener Materialien. Der Kern besteht aus Eichenholz, die Hülle aus Gold, vergoldetem Silber und Kupfer. Darüber hinaus zieren den Schrein Edelsteine und Perlen, farbige Bänder aus Emailstreifen und blaugoldene Inschriftenzeilen. Die äußere Gestalt entspricht zwei Sarkophagen, auf deren Dachfirsten ein dritter Sarkophag ruht.



DER VIERTE KÖNIG

Wendet sich der Betrachter der Vorderseite des Goldsargs zu, sieht er eine thronende Gottesmutter mit Kind, der sich von links die Heiligen Drei Könige nähern. Der vierte König ist Otto IV.

(1198/1208 – 1218), der den Reliquien besondere Wertschätzung entgegenbrachte. In Analogie zu den Heiligen aus dem Morgenland, sah er sich durch Gottes Sohn beglaubigt und bestätigt und damit zur gottgewollten Herrschaft berufen. Kein anderer Herrscher nach ihm hat die Heiligung des Königtums enger mit der Herrschaft der Heiligen Drei Könige verbunden als er.

Der rechte Teil des Kunstwerks widmet sich thematisch der Taufe Jesu. Darüber befindet sich eine abnehmbare Trapezplatte. Sie ermöglicht einen Einblick in den Schrein und verdankt ihre heutige Gestalt zwei Restaurierungen. In der Giebelwand thront Christus, der Weltenrichter, von zwei Engeln mit Kelch, Patenen und einer Krone begleitet.



SPÄTANTIKE SEIDENSTOFFE

Auf der Rückseite fällt dem Betrachter der unter einer Arkade stehende Prophet Jesaja ins Auge. In den seitlichen Kleeblatt-Arkaden findet sich die Darstellung der Geißelung und der Kreuzigung Christi. An der Giebelwand überreicht der gekrönte Christus den beiden Märtyrern Felix von Afrika und Nabor die Märtyrerkrone. Im Feld zwischen dem Erdgeschoss und dem Abschlussgiebel der Rückseite hat der Künstler die plastische Halbfigur eines Bischofs mit Mitra eingefügt. Sie stellt den Erzbischof Rainald von Dassel als Erzkanzler von Italien dar.

Der heutige Zustand des Dreikönigsschreins ist das Ergebnis mehrfacher Restaurierungen im 18., 19. und 20. Jahrhundert. Die entnommenen Reste der Gewebe, in denen die Gebeine eingehüllt waren, erwiesen sich bei einer Untersuchung im Jahre 1981 als spätantike Seidenstoffe aus dem Orient, ein sogenannter Blöckchendamast. Sie wurden in der Zeit vom 2. bis 4. Jahrhundert im Vorderen Orient gewebt.



DREI LEBENSALTER

Die aufgefundenen Reliquien konnten durch die angebrachten Beschriftungen dem heiligen Gregor von Spoleto und den heiligen Nabor und Felix zugeordnet werden. Die Abteilung, in der die Reliquien der Heiligen Drei Könige verwahrt wurde, bestand aus Schädeln und Gebeinen dreier verschiedener männlicher Personen im unterschiedlichen Lebensalter: jugendliches, mittleres und höheres Erwachsenenalter. Historiker äußerten immer wieder erhebliche Zweifel an der Echtheit der Reliquien. Grund genug, einen Blick in die Frühgeschichte der Reliquien und ihren weiteren Weg zu werfen.



MAGIER AUS DEM MORGENLAND

Das Matthäus-Evangelium berichtet in Kapitel 2 von Sterndeutern aus dem Osten, die sich kurz nach der Geburt Christi auf den Weg nach Betlehem machen, um das neugeborene Kind zu suchen. Ein Stern weist ihnen den Weg, sie erreichen den Stall, in dem Jesus in der Krippe liegt. Nach ihrer Huldigung und Gabenübergabe – Gold, Weihrauch und Myrrhe – kehren sie auf einem anderen Weg, der ihnen im Traum geboten wird, nach Hause zurück. Damit beschließt der Evangelist Matthäus seine Aussagen zu den Sterndeutern. Ihr weiterer Weg bleibt im Dunkeln.

Auch Jacobus de Voragine, der Autor der Legenda Aurea (1263/1267), einer im Mittelalter weit verbreiteten Sammlung von Heiligenleben, schreibt nur sehr wenig über sie. Er erwähnt die Heiligen Drei Könige im Zusammenhang mit dem Fest der Erscheinung des Herrn, Epiphania, am 6. Januar.



KAISERINMUTTER HELENA

Ergiebiger für die Frühgeschichte der Reliquien ist die Figur der heiligen Helena (249/50 – 328/29), die Mutter des Kaisers

Konstantin I. Der Legende nach soll sie im Jahre 326 das „wahre Kreuz“ Jesu gefunden haben. Diese Geschichte wurde durch den heiligen Ambrosius von Mailand überliefert, von griechischen Kunsthistorikern des 5. Jahrhunderts aufgenommen und weiter ausgeschmückt. Die heilige Helena soll aber nicht nur das „wahre Kreuz“ Jesu, sondern auch den „heiligen Rock“ und den Schleier der Gottesmutter Maria aufgespürt und nach Konstantinopel gebracht haben. Über eine Auffindung der Reliquien der Heiligen Drei Könige durch die heilige Helena finden sich jedoch in der Frühzeit keine Quellen, erst in späterer Zeit wird Helena wiederholt in diesem Zusammenhang genannt.

Als weitere Quelle der frühen Zeit kommt neben Helena noch der heilige Eustorgius und seine Lebensbeschreibung, die Vita Beati Eustorgii Confessoris, in Frage. In dieser Vita taucht Helena als Sammlerin von Heiligenreliquien auf. Es sei ihr gelungen, so schreibt der anonyme Autor, die Leiber der drei Weisen aufzufinden und nach Konstantinopel zu überführen.



DER WEG NACH MAILAND

Die Vita gibt weiterhin an, Eustorgius, der Ratgeber des Kaisers von Konstantinopel, sei nach Mailand gekommen und wäre dort zum Bischof gewählt worden. Der über die Wahl hoch erfreute Kaiser von Konstantinopel habe ihm daraufhin die Gebeine der Heiligen Drei Könige gesandt. Dort wurden sie in einer Kirche aufgebahrt, in welcher Eustorgius nach seinem Tod bestattet wurde, und die seitdem seinen Namen trägt, weiß die Quelle zu berichten.

Die genannte Lebensbeschreibung ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Es fallen nicht nur einige Unschlüssigkeiten mit historisch belegbaren Personen auf, auch sonst steht das Wenige, was historisch von Eustorgius belegbar ist, weder in Zusammenhang mit den Heiligen Drei Königen, noch mit der Kirche Sant‘Eustorgio. Da keine Quellen aus Mailand von den Reliquien der Heiligen Drei Könige oder deren Verehrung berichten, liegt die Annahme nahe, dass sich diese Reliquien weder im 4. noch im 6. Jahrhundert in Mailand befunden haben. Aktuelle Forschungen geben zudem Hinweise darauf, dass die Vita des heiligen Eustorgius erst im 12. Jahrhundert in Köln geschrieben wurde.



PRIOR JOHANNES VON HILDESHEIM

Helena wird noch in einer weiteren, legendarisch-literarischen Quelle im Zusammenhang mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige genannt. Dabei handelt es sich um die „Geschichte der drei Könige“ – Historia Trium Regum des Johannes von Hildesheim. Der Prior des Karmelitenklosters Marienau bei Hameln verfasste die Geschichte um 1364, vermutlich anlässlich des 200. Jubiläums der Übertragung der Dreikönigsreliquien nach Köln. Johannes von Hildesheim erweitert die bekannten Dreikönigsgeschichten um Angaben aus zum Teil phantastischer Pilger- und Reiseliteratur. So weiß er zu berichten, die Könige seien auf ihrem Heimweg vom Apostel Thomas getauft worden und, zu Erzbischöfen geweiht, hochbetagt kurz nacheinander gestorben. Helena findet ihre Gebeine und bringt sie nach Konstantinopel. Von dort aus gelangen sie nach Mailand.



ABT AUS MONT SAINT MICHEL

Ebenso schwierig ist auch die Quellenlage anlässlich der Auffindung der Gebeine im Jahre 1158. Nur der Abt des Klosters auf dem Mont Saint Michel, Robert von Torigni (ca. 1110 – 1186), weiß von einem Augenzeugen zu berichten, der bei der Öffnung des Sarkophags der Heiligen Drei Könige anwesend gewesen sei. Vom Aussehen her handele es sich, so der Zeuge, um die Körper eines fünfzehn, eines dreißig und eines sechzig Jahre alten Mannes. Aus Angst vor dem herannahenden Kaiser Friedrich I. Barbarossa hätten die Mailänder die Gebeine gehoben und in eine Kirche (Santo Giorgio) im Inneren der Stadt gebracht.

Als sich die Stadt am 1. März 1162 nach einer weiteren Belagerung ergeben musste, fielen die Truppen Friedrich Barbarossas plündernd ein. Ob sich der Kaiser oder sein Gefolge schon bei dieser Gelegenheit der Gebeine bemächtigten, ist nicht sicher zu belegen.



KAISERLICHE SCHENKUNGSURKUNDE

Allerdings legt eine zwei Jahre später, am 9. Juni 1164, ausgestellte Urkunde Zeugnis ab von reichen Schenkungen, die der Erzbischof von Köln, Rainald von Dassel, vom Kaiser als treuer Bediensteter erhalten hat. Über die Gebeine der Heiligen Drei Könige findet sich in der kaiserlichen Schenkungsurkunde jedoch kein Wort. Schon einen Tag nach Ausstellung der Urkunde tritt Rainald von Dassel die Reise nach Köln an. Ab diesem Zeitpunkt wird die Quellenlage reicher, denn verschiedene Chroniken nehmen sich des Themas an. In ihnen werden die Gebeine der Heiligen Drei Könige als Geschenke von unermesslichem Wert bezeichnet.

Die Chroniken berichten von weiteren Reliquien, die Rainald von Dassel auf seinem Weg nach Köln mitführt: die Gebeine der heiligen Märtyrer Nabor und Felix. Über den schmerzhaften Verlust der sehr verehrten Heiligen Nabor und Felix berichten auch Mailänder Chroniken. Zeitgenössische Mailänder Quellen stellen die Echtheit der mitgenommenen Reliquien der Heiligen Drei Könige hingegen in Frage.



REICHSRELIQUIEN

Der reich Beschenkte wählte aus Vorsicht den Weg über Burgund und Frankreich nach Köln, da er feindliche Gebiete meiden wollte. Rainald von Dassel verfügte über Informationen, dass ihn Truppen des Papstes Alexander III. abzufangen versuchten. Denn im Konflikt zwischen dem Papst und Kaiser Friedrich Barbarossa entwickelten sich die Reliquien der Heiligen Drei Könige zum politischen Sprengstoff. Kaiser Friedrich Barbarossa benötigte nach dem Schisma mit Alexander III. Mittel, die seinen Anspruch auf die von Gott gegebene Gnade des Kaisertums legitimierten. Dieses Mittel konnten die Gebeine der Heiligen Drei Könige und ihre Wirkungsmacht sein. Damit wurden die Gebeine zu sogenannten „Reichsreliquien“, die durch ihr biblisch verankertes Königtum den Anspruch Friedrich Barbarossas auf die Gottunmittelbarkeit seiner Kaiserwürde sichern konnten.



ÜBER BURGUND NACH KÖLN

Rainald von Dassel konnte sich durch geschickte und geheimgehaltene Planung der Reiseroute den päpstlichen Truppen entziehen. Die genaue letzte Wegstrecke ist historisch nicht nachweisbar, lediglich legendenhaft weitergegeben. Historisch belegbar ist nur die letzte Station Vienne, denn dort forderte er auf einer Versammlung die Anerkennung von Paschalis III. als Papst. Vermutlich reiste Rainald über Burgund und dann rheinabwärts nach Köln. 

Rainald von Dassel trifft am 23. Juli 1164 mit seiner wertvollen Ladung in Köln ein. Dieser Tag wird seitdem in der Kölner Gemeinde als Translationsfest gefeiert. Drei Jahre später stirbt der Überbringer der wertvollen Reliquien. Sein Nachfolger im Bischofsamt, Philipp von Heinsberg, beginnt Edelsteine und Gold zu sammeln, um einen würdigen Goldsarg bei Nikolaus von Verdun in Auftrag zu geben.

Damit kommt die kleine Zeitreise an ihrem Ausgangspunkt, an dem die Heiligen Drei Könige ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, zum Ende. Die drei Könige haben seither eine kaum zu überschätzende Wirkungsgeschichte entfaltet, in der sie prägend in den Alltag der Menschen eingedrungen sind.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016