Die Krise der Olympischen Spiele

Pünktlich zu den Sommerspielen in Rio de Janeiro befinden sich die Olympischen Spiele (wieder einmal) in einer großen Krise. Mehrere Dopingskandale erschüttern die Welt der Ringe, die Spiele werden wieder verstärkt politisch instrumentalisiert und die Ver
27. Juni 2016 | von

Es ist nicht so, dass es in der Geschichte der olympischen Bewegung bisher nur Licht und keinen Schatten gegeben hätte, aber diesmal ist es, wie viele Beobachter meinen, anders. Diesmal ist es existenzbedrohend. Was führt zu dieser Einschätzung?

Doping seit eh und je

Doping ist und bleibt die Geißel des Weltsports. In der Geschichte der Olympischen Spiele wurde wahrscheinlich seit den Anfängen versucht, sich mit unerlaubten Mitteln einen Vorteil zu verschaffen. Aus der Antike sind Versuche bekannt, die eigene Leistung mit Stierblut zu steigern, später dann experimentierte man mit Strichnin und anderen Giften, bis zum Missbrauch von Medikamenten, den wir heute kennen, und auch die Gentherapie soll schon im Visier der Betrüger sein. Die schlimmsten Auswüchse gab es wahrscheinlich in den 1980ern, als wahre Staatsdopingprogramme eingerichtet wurden, um mit möglichst vielen Medaillen den Ruhm der eigenen Nation zu mehren. Damals am effektivsten – wenn auch bei weitem nicht alleine – beim Versuch, die eigenen Athleten zu optimieren, war bekanntlich die DDR. Also alles schon da gewesen? Leider nein. Ein Phänomen, das bisher nur aus dem Radsport bekannt war, wurde nun in der olympischen Kernsportart Leichtathletik ruchbar. Lance Armstrong musste vor einigen Jahren gestehen, dass er den Weltradsportverband UCI bestochen hatte, positive Dopingproben unter den Teppich zu kehren. Damals war die Weltöffentlichkeit zurecht empört, und der Radsport wurde so etwas wie die Paria der ganzen Sportwelt.

Erpressung im großen Stil

Im Leichtathletikweltverband IAAF scheint das Problem noch eine ganz andere Dimension zu haben. Dem ehemaligen  IAAF Präsident Lamine Diack und einer Reihe seiner Getreuen wird vorgeworfen, Athleten nach positiven Dopingtests erpresst zu haben. Bis zu $ 650.000 sollen von den Athleten gefordert worden sein, damit positive Proben verschwänden. Diack und sein Sohn sind mittlerweile lebenslang gesperrt. Laut einem Bericht der Weltantidopingagentur WADA ist es unmöglich, dass die Mitglieder des IAAF-Council von diesen Vorgängen keine Kenntnis hatten. Das wiederum macht die Sache für die aktuelle Führung brisant. Der neue Präsident der IAAF, Lord Seabastian Coe, ist nämlich bereits seit 2003 Mitglied im Council, und ausgerechnet er soll jetzt die Aufklärung leiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Außerdem wird die Kritik immer massiver, weil es in vielen Ländern gar kein funktionierendes Antidopingprogramm gibt. So wird in manchen Ländern Ostafrikas und Osteuropas kaum bis gar nicht getestet, aber die Medaillen bei Mittel- und Langstreckenrennen gehen regelmäßig nach Kenia, Äthiopien und Marokko. Ein Ausschluss dieser Länder von den Olympischen Spielen wird geprüft.

 

Bereits seit November 2015 suspendiert sind die russischen (Leicht-)Athletinnen und Athleten, über ihre Suspendierung in Rio soll ebenfalls am 17. Juni entschieden werden. Nach den jüngsten Enthüllungen über die Spiele von Sotschi wäre eine Teilnahme Russlands in egal welcher Sportart allerdings eine Bankrotterklärung des Weltsports. 

 

Der Leiter des Dopinglabors der letzten Winterspiele behauptet – und hat wohl auch Beweise dafür vorgelegt – dass der russische Geheimdienst FSB durch ein Loch in der Wand systematisch Dopingproben russischer Athleten ausgetauscht hat, um das im Vorfeld der Spiele betriebene Doping zu vertuschen. Russland war mit 33 Medaillen prompt auch die erfolgreichste Nation.

Verdächtige Spielevergabe

 

Aktuell prüfen Ermittler – wieder einmal – verdächtige Zahlungen im Rahmen einer Olympiabewerbung. Tokio 2020 hat wohl insgesamt $ 1,8 Millionen an eine Firma aus dem Umfeld von Papa Massata Diack gezahlt. Und wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt: Ja, es ist der Sohn des Ex-IAAF-Chefs. Nun ist es leider nicht ungewöhnlich, dass es zu Korruption bei der Vergabe von sportlichen Großereignissen kommt, auch Salt Lake City hatte sich die Olympischen Spiele schon einmal erkauft. Was die Herren der Ringe allerdings langsam zum Nachdenken zwingen sollte, ist der auffällige Mangel an Bewerberstädten. Für die Olympischen Winterspiele 2022 gab es mit Almaty und Peking nur noch zwei. Gerade in Europa ist eine zunehmend kritische Stimmung zu vernehmen, wenn es darum geht, Milliarden für ein Sportereignis auszugeben. In München, Hamburg, Krakau, Oslo oder im Kanton Graubünden (für St. Moritz): Überall wurde die Bewerbung nach Bürgerentscheiden aufgegeben. 

 

 

 

Wenn aber nur noch autoritäre Regimes in der Lage sind, Olympiabewerbungen beim eigenen Volk durchzudrücken, öffnet das der politischen Instrumentalisierung der Spiele Tür und Tor. Überwunden geglaubte Zustände wie in Berlin 1936, als Nazideutschland den Sport nutzte, um für sich selbst Propaganda zu machen, könnten zurückkehren.

 

Ungewisse Zukunft

 

 

Gelingt es nicht, die Spitzenverbände des Sports von der Korruption zu befreien und das Doping endlich wirksam zu bekämpfen, wird die olympische Bewegung an Bedeutung verlieren. Ein warnendes Beispiel kann der Radsport geben, der sich von seinem Image als Sport der Doper nur sehr langsam lösen kann. Gerade in den olympischen Kernsportarten Leichtathletik und Schwimmen liegt beim Kampf gegen Doping aber noch vieles im Argen. Wenn es nur noch darum geht, den größten Betrügern zuzujubeln, werden sich die Zuschauer abwenden, so wie sie es bereits jetzt tun, wenn sie gefragt werden, ob sie bereit sind, die immer gigantischere Infrastruktur der Spiele zu finanzieren. 

 

Bei den anstehenden Spielen in Rio gibt es noch einige andere Probleme. Die brasilianische Wirtschaftskrise, die politische Krise, die unlängst Präsidentin Rousseff aus dem Amt fegte und die Tatsache, dass in Brasilien außer Fußball und Beachvolleyball kaum eine Sportart mit einheimischen Medaillenkandidaten gesegnet ist, kann die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden lassen. 

 

Trotz alledem hoffen Sportfans weltweit auf stimmungsvolle, hochklassige und vor allem faire Wettbewerbe.

 

Zuletzt aktualisiert: 11. Oktober 2016
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