Die moderne Thermometrie
Wer einmal in die USA gereist ist, musste dort feststellen, dass nicht nur die Entfernungen in Meilen oder Yards eine für den gemeinen Mitteleuropäer seltsame Einheit haben, sondern auch die Temperatur ungewöhnlich angegeben wird. Meldet der Wetterbericht dort eine Vorhersage von 32 Grad, ist das beileibe kein Badewetter, sondern eher eine Warnung vor Glatteis auf den Straßen.
Die USA und einige Inseln in der Karibik messen die Temperatur in einer anderen Skala als wir Europäer. Statt °C (Grad Celsius) wie bei uns, gilt dort °F (Grad Fahrenheit), eine etwas ältere und anders bemessene Temperaturskala. Die von uns benutzte Temperaturskala ist definiert über den Gefrierpunkt von Wasser 0°C und den Siedepunkt von Wasser 100°C bei Normaldruck von 1013 Hektopascal. Sie wurde vom schwedischen Physiker Anders Celsius 1742 eingeführt. Vor allem wegen der Einbeziehung des Luftdrucks und der leichten Reproduzierbarkeit des Versuchs setzte sie sich fast überall auf der Welt durch. Um ein Quecksilberthermometer zu eichen, musste man nur noch Wasser kochen und sehen, bis wohin die Säule stieg.
VOR 300 JAHREN ENTDECKT
Aber woher hatte Celsius denn das Quecksilberthermometer? Dieses Thermometer war bereits im Jahr 1714, also vor 300 Jahren, von Daniel Gabriel Fahrenheit entwickelt worden, dem Begründer der modernen Thermometrie.
Daniel Gabriel Fahrenheit wurde am 24. Mai 1686 in Danzig geboren als ältestes von fünf Geschwistern, das die Kindheit überlebte. Als seine Eltern in Folge einer Pilzvergiftung früh verstarben, musste er 1701 eine Kaufmannslehre in Amsterdam beginnen, um sein Auskommen zu sichern. Von dort aus unternahm er weite Reisen durch ganz Nordeuropa, die sowohl beruflicher Natur waren, als auch, um sein großes Hobby, die Physik, pflegen zu können. Er hatte dabei Kontakt zu vielen großen Wissenschaftlern seiner Zeit, unter ihnen Gottfried Leibniz und der norwegische Physiker Ole Rømer.
ZUERST WAR DAS THERMOSKOP
Rømer war es auch, den Fahrenheit 1708 besuchte, und bei dem er eine Neuentwicklung bestaunen konnte, die ihn nicht mehr loslassen sollte. Rømer hatte einen Vorläufer des Thermometers entwickelt. Temperaturmessungen an sich wurden zwar bereits seit der Antike durchgeführt, etwa von Heron von Alexandria. Auch Galileo Galilei und andere experimentierten mit der Ausdehnung von Luft in einem Glasgefäß. Diese Geräte – man nannte sie Thermoskope – waren jedoch recht ungenau und funktionierten eher wie ein Barometer. 1654 ließen die Medici ein Thermometer herstellen, das mit Alkohol als Messflüssigkeit schon wesentlich bessere Ergebnisse lieferte.
All diesen Instrumenten fehlte jedoch ein entscheidender Faktor, den Rømer auf den Weg bringen sollte: die Fixpunkte, zwischen denen eine Skala sinnvoll und allgemeingültig ist. Der Physiker hatte den Schmelzpunkt einer Salzlake als unteren Punkt und den Siedepunkt von Wasser als oberen Punkt festgesetzt, somit konnte man die Werte dazwischen genau beziffern.
QUECKSILBER BESSER ALS ALKOHOL
Fahrenheit war begeistert von dieser Idee und setzte sich zum Ziel, sie weiterzuentwickeln und zu verbessern. Er machte sich gleich ans Werk, war aber insbesondere mit Alkohol als Messflüssigkeit nicht zufrieden, da der Siedepunkt von Alkohol bereits unter dem von Wasser liegt und sich dadurch die Siedetemperatur von Wasser nicht genau bestimmen ließ. 1714 ersetzte er Alkohol durch Quecksilber und erzielte wesentlich genauere Ergebnisse bei hohen Temperaturen.
Fahrenheit ließ sich 1717 als Glasbläser in Den Haag nieder und machte damit sein Hobby zum Beruf. Er produzierte Barometer, Thermometer und Höhenmesser und entwickelte 1724 seine eigene Temperaturskala. Als Nullpunkt setzte er die tiefste Temperatur, die mit einer Kältesalzmischung erreichbar war (0°F entspricht - 17,8°C). Der Schmelzpunkt von Eis wurde festgelegt mit 32°F. Und die Temperatur, die erzielt wurde, wenn sich ein gesunder Mensch das Thermometer unter die Achsel hielt, war der obere Fixpunkt. Nach seinen Messungen kam dabei heraus: 96°F entspricht 35,9°C.
TÜFTLER WIRD CHEMIE-PROFESSOR
Diese Skalierung setzte sich auch sehr schnell durch und wurde zunächst zur allgemeingültigen Messgröße für Temperatur. In den Ländern des Commonwealth war die nach Fahrenheit benannte Temperatureinheit bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts üblich und dies gilt in einigen Ländern bis heute. Fahrenheit selbst erhielt 1718 einen Lehrstuhl für Chemie und wurde 1724 zum Mitglied der Royal Society ernannt. 1736 starb er an den Folgen einer Tuberkuloseerkrankung.
Seine Leistung besteht nicht so sehr darin, dass er revolutionäre Ideen hatte, sondern vielmehr in seiner konsequenten, beharrlichen Tüftelarbeit, die dazu führte, dass die Ideen auch praktisch anwendbar waren. Seine jahrelangen Versuche führten zur ersten Herstellung eines eichbaren Thermometers, was wiederum genaue Messungen erlaubte und viele weitere Entdeckungen ermöglichte.
Die Fortentwicklung der Temperaturskala durch Celsius und später Kelvin basieren auf den Messwerten, die sie mit Hilfe der Fahrenheit-Thermometer gewonnen hatten. Wer auf Weltreise ist, dem wird die Formel zur Umrechnung von °F in °C ein hilfreiches Mittel sein: