Die Taufe - mehr als nur Familienfest

31. Juli 2015 | von

Immer wieder wird der Wunsch nach einer Taufe in der besonders schönen Kapelle geäußert, im engsten Familienkreis, gespendet vom Lieblingspfarrer. Doch ist, was schön sein mag, im Blick auf die Kirche auch sinnvoll? Der Kirchenrechtler der Universität Würzburg antwortet.




Gottesdienstordnungen teilen oft viel mehr mit als nur den Ort und die Zeit von Gottesdiensten: Man kann an einer Gottesdienstordnung erkennen, welches Kirchenbild in der betreffenden Pfarrei gelebt wird. Nehmen Sie beispielsweise die Ankündigung: „Samstag, 14.00 Uhr: Taufe Familie Müller.“







Vermeintliche Privatsache



Was machen Sie eigentlich am Samstagnachmittag so gegen 14 Uhr? Geschirr abwaschen? Straße fegen? Kuchen backen? Mittagsschlaf halten? Eigentlich egal – jedenfalls klingt da die Woche langsam aus, es wird ruhiger, man darf ein wenig verschnaufen. Und von dieser Ankündigung in der Gottesdienstordnung brauchen Sie sich sowieso nicht stören zu lassen, denn was da in der Kirche stattfindet, das scheint nur die Familie Müller zu betreffen. Wer genau getauft wird, das wird die liebe Verwandtschaft schon wissen; die ganze Familie ist es wahrscheinlich nicht. Und den Rest der Pfarrei scheint es auch nichts anzugehen: Der Name des Kindes wird nicht mitgeteilt. Die Zeit der Taufe und die Form der Ankündigung signalisieren ganz deutlich: Das geht nur die Familie Müller an, das ist deren Privatsache. Soll sich nur niemand anders blicken lassen!



Die Eltern des Täuflings haben sich wahrscheinlich etwas ganz anderes dabei gedacht, und sie haben für die Tauffeier eine Zeit gewählt, die in der Pfarrei seit langem üblich ist: Bei der Feier in der Kirche ist die Familie unter sich. Man ist dann so rechtzeitig fertig, dass gleich der Nachmittagskaffee ausgeschenkt werden kann. Und auch der Pfarrer kann noch auf ein Stück Torte vorbeikommen, bevor er zur Vorabendmesse muss.







Taufe als Aufnahmefeier in die Gemeinde



Die Taufe als private Familienfeier, das ist leider eine weit verbreitete Praxis. Von der Würde der Taufe und von ihrer zentralen Bedeutung für die Kirche ist dabei nicht viel zu spüren. Im Gesetzbuch der lateinischen Kirche (= CIC) heißt es dazu in c. (= Kanon) 96: „Durch die Taufe wird der Mensch der Kirche Christi eingegliedert und wird in ihr zur Person mit den Pflichten und Rechten, die den Christen unter Beachtung ihrer jeweiligen Stellung eigen sind.“ Im theologischen Leitsatz zur Taufe (c. 849 CIC) wird ebenfalls hervorgehoben, dass ein Mensch durch die Taufe der Kirche eingegliedert wird. Das liturgische Buch „Die Feier der Kindertaufe“, das für alle deutschsprachigen Bistümer gilt und bei der Feier der Taufe verwendet werden muss, hebt ebenso hervor: „Damit deutlich wird, dass die Taufe ein Sakrament des Glaubens der Kirche ist und in das Volk Gottes eingliedert, soll sie normalerweise in der Pfarrkirche gefeiert werden.“ (S. 21) Dort wird auch empfohlen, dass die Taufe am Sonntag gefeiert wird, sogar im Rahmen der Eucharistiefeier, damit die ganze Gemeinde daran teilnehmen kann. Dieselbe Empfehlung spricht c. 856 CIC aus.







Wachstum bewusst wahrnehmen



Wir erleben derzeit eine merkwürdige Situation: Die Beerdigung eines verstorbenen Christen ist meist ein öffentliches Ereignis. Gerade auf den Dörfern ist es noch guter Brauch, dass aus jedem Haus wenigstens ein Familienmitglied an einer Beerdigung teilnimmt. Es prägt sich ins öffentliche Bewusstsein ein, dass eine Pfarrgemeinde im Lauf des Jahres um soundso viele Menschen ärmer wird – man hat die Beerdigungen ja mitgefeiert. Wenn eine Pfarrgemeinde aber wächst, weil durch die Taufe neue Glieder hinzukommen, dann spielt sich das meist im privaten Rahmen ab und ist den wenigsten wirklich bekannt. Die Schieflage im Bewusstsein, die sich daraus ergibt, liegt auf der Hand.



Es gibt also gute Gründe, den Empfehlungen des Kirchenrechts und des betreffenden liturgischen Buches zu folgen und jede Feier der Taufe in den öffentlichen Raum und in das öffentliche Bewusstsein einer Pfarrgemeinde zu heben: Immerhin wird ein konkreter Mensch Glied der Kirche und der betreffenden Pfarrei und bringt neue Möglichkeiten und Chancen für die Zukunft der Kirche ein. Immerhin gibt es einen Menschen mehr, der zusammen mit allen anderen Getauften die Pflicht und das Recht übernimmt, den Auftrag der Kirche in der jeweiligen Zeit aktiv fortzuführen. Immerhin gibt es einen weiteren Menschen, der mit seinem Namen und mit seinem Gesicht für diese Kirche steht und der Frohen Botschaft Hand und Fuß gibt.







Taufe als öffentliches Fest



Bei der Taufe geht es also nicht nur um einen einzelnen Menschen und um sein ganz persönliches Verhältnis zu Gott: Es geht immer auch – und das sogar in erster Linie – darum, dass durch die Taufe ein Mensch der Kirche eingegliedert wird und dass dadurch die Kirche wächst. Die Taufe ist demnach ein öffentliches Kirchenfest – und kein privates Familienfest! Deshalb soll die Taufe in der Pfarrkirche und nach Möglichkeit an einem Sonntag gefeiert werden, auch im Rahmen der sonntäglichen Eucharistie, damit möglichst die ganze Pfarrgemeinde dieses Kirchenfest mitfeiern kann. Damit bietet sich auch die Chance, Schritt für Schritt der ganzen Pfarrgemeinde eine wichtige Erfahrung zu vermitteln, dass nämlich die Kirche aus der Taufe gehoben wird.






Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016