Die Taufstelle Jesu

23. September 2024 | von

Unser Autor nimmt uns mit an den Jordan und erinnert an die Taufe Jesu. Dass es sogar zwei mögliche Taufstellen gibt, ist für den einen oder anderen vielleicht eine neue Information. 

Sie steht am Beginn seines öffentlichen Auftretens und stellt gewissermaßen den Auftakt seines Wirkens dar: die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer am Jordan. Die Taufe, die Johannes anbot, war ein Zeichen der Umkehr, eine Bitte an Gott um Vergebung der Sünden. Die Menschen damals, die zu Johannes kamen, bekannten sich öffentlich als Sünder und wollten Buße tun. Sie wollten sich reinwaschen lassen, einen Neuanfang setzen und dann tatsächlich ein Leben nach Gottes Geboten führen. Die Johannestaufe hat das kommende Gericht Gottes im Blick, für das man gewappnet sein konnte mit einem entsprechenden Lebensstil und dem Empfang seiner Taufe, die Sünden vergab. Warum nun auch Jesus diese Taufe empfing, der nach unserem Glauben ja ohne Sünde war, darüber lässt sich theologisch diskutieren. Zumindest zeigt seine Bitte um die Taufe, dass er sich einreiht in die Schar der Menschen, die ihre Sünden bekennen, sich nicht mit erhobenem Zeigefinger über die Menschen mit ihren Fehltritten erhebt, sondern sich solidarisch mit ihnen zeigt.

Ein geöffneter Himmel
Dass Jesus getauft wurde, darüber sind sich die Evangelien einig. Doch wo Jesus getauft wurde, lässt Raum für Spekulationen. Folgt man den Angaben der synoptischen Evangelien, könnte die Taufstelle Qasr al-Yahud am westlichen Ufer des Jordan die authentische sein. „Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung. Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. (…) Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ (Mt 3,4-6.13-17)

Lebendige Erinnerung
Die Taufstelle Qasr el-Yahud am Westufer befindet sich im palästinensischen Westjordanland, südöstlich von Jericho, wird aber von Israel kontrolliert. Bis ins 6. Jahrhundert lässt sich hier ein Gedächtnis an die Taufe Jesu nachweisen. Das Kloster Johannes‘ des Täufers, das in dieser Zeit erbaut, im 12. Jahrhundert wiedererrichtet und schließlich 1882 noch einmal neu gebaut wurde, gedenkt nicht nur der Taufe Jesu, sondern auch der für das Judentum bedeutenden Ereignisse des Durchzugs der Israeliten durch den Jordan (Jos 3-4) und der Himmelfahrt des Propheten Elija (2 Kön 2). Beides soll ebenfalls an dieser Stelle stattgefunden haben. Qasr el-Yahud war in der britischen Mandatszeit ein vielbesuchter Pilgerort, da zahlreiche christliche Konfessionen dort ihre Kirchen errichtet hatten, so auch die Franziskaner. 
Seit 1968 war die Gegend militärisches Sperrgebiet, das Areal wurde von den Israelis vermint. Der Besuch von Papst Johannes Paul II. im März war der Anlass dafür, nach und nach die 2.600 Anti-Panzer- und 1.200 Anti-Personen-Minen zu entfernen. Seit Dezember 2018 konnten die Taufstelle und die verschiedenen christlichen Kirchen wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auch die Franziskaner bezogen 2020 ihr Kloster wieder.

Alternative Taufstelle?
Dass aber auch am Ostufer des Jordan, im heutigen Jordanien, eine Taufstelle verehrt wird, Al-Maghtas, geht auf die Angabe im Johannesevangelium zurück: „Johannes antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser. Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt, der nach mir kommt; ich bin nicht würdig, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Dies geschah in Betanien, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte.“ (Joh 1,26-28)
Auch Al-Maghtas war bis 1994 gesperrt und vermint, bis nach der Unterzeichnung des Israelisch-jordanischen Friedensvertrags der Ort archäologisch untersucht und touristisch erschlossen wurde. Funde römischer und byzantinischer Bauten mit teils aufwendigen farbigen Mosaiken lassen auf eine Verehrung schon in den ersten christlichen Jahrhunderten schließen. Seit dem Jahr 2015 gehört Al-Maghtas als landschaftlich und kulturell bedeutsame Stätte zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Ob nun die israelische oder die jordanische Taufstelle der authentische Ort der Taufe Jesu ist: In dieser Frage hat sich die katholische Kirche noch nicht festgelegt. Während die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus die jordanische Taufstelle besuchten, gab der lateinische Weihbischof von Jerusalem, William Shomali, kürzlich an: Da Jesus im Jordan getauft wurde, sei damit der ganze Flusslauf gesegnet.

Zuletzt aktualisiert: 21. Oktober 2024
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