Die Welt steht in Flammen!
Kämpferisch und leidenschaftlich, zugleich mit Frische und Charme, findet die Mystikerin und Kirchenlehrerin Teresa von Ávila in einer von Männern dominierten Gesellschaft und Kirche ihren eigenständigen Weg, der im „Teresianischen Karmel“ fortlebt. Sie lässt sich von geistlichen Begleitern aus unterschiedlichen Orden beraten und wird selbst eine gesuchte Beraterin. Dabei reicht der Horizont ihres Apostolates von der Reformation bis zur Conquista Lateinamerikas. Vor 500 Jahren, am 28. März 1515, wurde sie geboren.
Als erster Frau wurde Teresa von Ávila am 27. September 1970 von Papst Paul VI. der Titel „Kirchenlehrerin“ zuerkannt. Die Gebetslehre dieser „Lehrerin des geistlichen Lebens“ wird zu einem intensiven Weg der Freundschaft mit Gott und den Menschen, der bis in unsere Tage Menschen fasziniert, ermutigt und auf dem eigenen Lebensweg stärkt.
Am 28. März 1515 wurde Teresa als drittes Kind der Eheleute Alonso de Sánchez de Cepeda und Beatriz de Ahumada in Ávila geboren. Nachdem Alonsos erste Ehefrau, Catalina de Peso, kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes starb, heiratete er Doña Beatriz de Ahumada, die zehn Kindern das Leben schenkte.
DER JÜDISCHE GROSSVATER
Teresa lebte in einer Zeit gesellschaftlich-politischer und kirchlicher Umbrüche. Durch die „Katholischen Könige“ Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon wurde 1492 mit der Eroberung Granadas die Reconquista, die Rückeroberung der muslimisch geprägten Iberischen Halbinsel durch das Christentum, beendet. Die Juden wurden gezwungen, den katholischen Glauben anzunehmen oder das Land zu verlassen. 1502 wurden auch die Muslime, die im damaligen Spanien Mauren (Moros) genannt wurden, vertrieben. Der Großvater Teresas väterlicherseits, Juan Sánchez de Toledo, gehörte zu den Conversos, einer diskriminierten Bevölkerungsgruppe von konvertierten Juden. 1485, als die Inquisition Toledo erreichte, ließ er sich mit seiner Familie – Teresas Vater war damals fünf Jahre alt – taufen. 1490 übersiedelte die Familie von Toledo nach Ávila. Keines der Kinder von Don Alonso übernahm den jüdisch belasteten Nachnamen Sánchez, und die Familie kaufte sich einen Adelstitel, der die Konversion vertuschen konnte. Ein weiteres Indiz für die Conversos: Mehrere Brüder Teresas gingen nach „Westindien“, das 1492 mit der Entdeckung durch Christoph Columbus den Beginn der Conquista, der brutalen Eroberung und Ausbeutung Mittel- und Südamerikas, markierte. Ohne dieses Wissen um Teresas jüdische Abstammung lässt sich ihre Offenheit für Menschen aus diskriminierten Gruppen nur schwer verstehen.
ANGST UM IHR SEELENHEIL
Mit 16 Jahren kam Teresa in das von Augustinerinnen geleitete Internat María de Gracia. Kurz darauf entschloss sie sich zum Ordenseintritt. Am 2. November 1535 trat Teresa in das Karmelitinnenkloster der Menschwerdung in Ávila ein, vorwiegend unter dem Druck der Angst um ihr Seelenheil. Ein Jahr später wurde sie eingekleidet und legte 1537 ihre Profess ab.
Zeitlebens litt Teresa an verschiedenen Krankheiten. Wegen einer schweren Erkrankung musste sie 1538 ihr Kloster verlassen, kehrte aber ein Jahr später todkrank zurück und blieb bis 1542 gelähmt. Auf die Fürsprache des heiligen Josef erfuhr sie Heilung.
Schon vor ihrem Eintritt ins Kloster begann sie mit dem inneren Beten: „Ich versuchte, mir Christus in meinem Innern vorzustellen, und wie mir schien, ging es mir damit an jenen Stellen besser, wo ich ihn am einsamsten erlebte. Besonders gut ging es mir mit dem Gebet Jesu im Ölgarten. Dort war es, wo ich ihn begleitete. Viele Jahre lang dachte ich an den meisten Abenden vor dem Einschlafen, wenn ich mich zum Schlafen Gott empfahl, immer wieder eine Weile an diesen Abschnitt des Gebetes Jesu im Ölgarten. So begann ich, inneres Beten zu halten…“
DAS INNERE BETEN
Ein Wegbereiter für Teresa war das Buch des Franziskaners Francisco de Osuna über das Gebet der Sammlung: „Tercer abecedario espiritual“ („Das dritte ABC“), das sie in ihrem Entschluss zu beten stärkte. „Ich entschloss mich, diesen Weg mit allen Mitteln zu gehen.“ In der Schrift „Subida del Monte Sión“ („Aufstieg auf den Berg Zion“) des Franziskaners Bernardino de Laredo fand sie Bestätigung in ihrer Erfahrung der Einung der Seele mit Gott. In den ersten 20 Jahren ihres Ordenslebens unterlag sie mehrfach der Versuchung, das innere Beten aufzugeben, „weil ich mich sogar schämte, mich in einer so besonderen Freundschaft, wie es das Verweilen im Gebet ist, Gott erneut zuzuwenden“, auch wenn ihre Beichtväter, wie der Dominikaner Vicente Barrón, sie ermahnten, es nie aufzugeben.
In der Fastenzeit des Jahres 1554 hatte Teresa vor einer Skulptur eines Schmerzensmannes ein Bekehrungserlebnis. Seitdem verwandelte sich ihre Heilsangst in das Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, gleichzeitig weitete sie sich für die Nöte ihrer Mitmenschen. Das innere Beten wurde für sie immer mehr ein Weg der Freundschaft mit dem menschgewordenen Christus: „Über das, was ich aus Erfahrung weiß, kann ich sprechen, und das ist, dass jemand, der mit dem inneren Beten begonnen hat, es ja nicht mehr aufgeben soll, mag er noch so viel Schlechtes tun. … Denn meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“
Teresa kannte mystische Erfahrungen. Das Gefühl der Gegenwart Gottes wandelte sich im Laufe ihres Lebens zur Erfahrung der Menschheit Christi und seiner Gegenwart. Und sie erlebte die Präsenz der Einwohnung der heiligsten Dreifaltigkeit, die sie in ihrem Werk der „Wohnungen der inneren Burg“ als mystische Verlobung bzw. Vermählung bildhaft beschrieb.
BEGINN DER KLOSTERREFORM
Zu Teresas Zeit lebten im Menschwerdungskloster etwa 180 Schwestern, so dass manche, um nicht hungern zu müssen, außerhalb des Klosters bei ihren Familien lebten. Es gab gravierende Unterschiede zwischen wohlhabenden Adligen, die sich ganze Wohnungen einrichten konnten, und den Frauen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, die sich einen Schlafsaal teilen mussten. Die Öffnung der Klausur brachte ein ständiges Kommen und Gehen von Besuchern mit sich, das oft das Gebetsleben der Schwestern beeinträchtigte.
Im Herbst 1560 traf sich Teresa mit einigen Gleichgesinnten. „Da ergab es sich eines Tages, als ich gerade mit einer Person beisammen war, dass diese zu mir und den anderen sagte, ob es denn nicht möglich wäre, ein Kloster gründen zu können, wenn wir schon nicht so wären, dass wir Schwestern nach Art der Unbeschuhten sein könnten.“ Dieses „nach Art der Unbeschuhten“ meint ein Reformkloster der Franziskanerinnen, das auf
Initiative des Franziskaners Pedro de Alcántara gegründet worden war, den sie kannte und der sie in ihrer Reform unterstützte. „Unbeschuht“ als Terminus technicus für „reformiert“ geht darauf zurück, dass die ersten Reformer im 16. Jahrhundert, vor allem aus dem Orden der Franziskaner, aus asketischen Gründen barfuß gingen. Zu den charakteristischen Merkmalen der Reform zählten Askese bis hin zum Rigorismus, Schwerpunkt auf einem kontemplativen Leben, Anti-Intellektualismus u.a. Am 24. August 1562 wurde das erste Kloster der Reform, San José in Ávila, gegründet.
DIE APOSTOLISCHE DIMENSION
Das Reformklima innerhalb der Ordenslandschaft im 15./16. Jahrhundert ist zugleich Teil einer größeren Reform, die weite Teile Europas erfasste. 1517 wird mit dem Thesenanschlag Martin Luthers die Reformation in Deutschland eingeläutet. Teresa erfuhr von den 1562 ausbrechenden Hugenottenkriegen im benachbarten Frankreich und der Spaltung innerhalb der Kirche: „Ich glaube, ich würde als Abhilfe für eine der vielen Menschenseelen, die ich verlorengehen sah, tausend Leben hergeben.“ Durch den Franziskanermissionar Alonso Madonado hörte sie von den vielen Indios Lateinamerikas, die Christus nicht kannten. Fortan widmete sie ihr Gebetsleben auch diesen „vielen Millionen Seelen“. Ihr Gründungsideal erhielt eine apostolische Dimension, die sie motivierte, weitere Klöster zu gründen, um so den Menschen zu helfen: „Ich dachte darüber nach, was ich für Gott tun könnte. Dabei dachte ich mir, dass das erste wohl wäre, der Berufung zum Ordensleben, die mir Seine Majestät verliehen hatte, nachzukommen, indem ich meine Regel mit der größtmöglichen Vollkommenheit beobachtete.“
GEGEN DOMINIERENDE MÄNNERWELT
Teresa ging mit ihren Gründungen einen eigenen Weg, obwohl ihr als Frau kein Eigenleben zuerkannt wurde. „Im Übrigen reicht es schon, Frau zu sein, dass mir die Flügel herunterfallen, um wie viel mehr noch Frau und erbärmlich.“
Teresa verstand ihre Reform nicht im Sinne einer Rückbesinnung und Wiederbelebung von Traditionen, sondern sie setzte neue Akzente und wurde dadurch zur Gründerin. Dabei war es ihr wichtig, kleine Gemeinschaften zu gründen, in denen ein geschwisterlicher Umgang miteinander möglich ist. Die Klausur verstand sie als einen Freiraum für das Gebet, aber auch als einen Schutzraum, in dem die dominierende Männerwelt keinen Zugriff ausüben konnte. Dem Rigorismus setzte sie ihre „Sanftheit“ entgegen und der Kontemplation im Sinne eines Leerwerdens ihre Freundschaft zu Jesus Christus.
Es ist beachtlich, dass Teresa – gerade auch als Frau – innerhalb von 20 Jahren eine Vielzahl Klöster gründete: 1562 San José in Ávila, 1567 Medina del Campo, 1568 Malagón und Valladolid, 1569 Toledo und Pastrana, 1570 Salamanca, 1571 Alba de Tormes, 1574 Segovia (von Pastrana wegverlegt), 1575 Beas de Segura und Sevilla, 1576 Caravaca (im Auftrag Teresas durch Ana de San Alberto), 1580 Villanueva de la Jara und Palencia, 1581 Soria, 1582 Granada (im Auftrag Teresas durch Johannes vom Kreuz und Ana de Jesús), 1582 Burgos.
Gemeinsam mit dem Karmeliten Juan de la Cruz (Johannes vom Kreuz) wurde sie auch zur Gründerin des männlichen Ordenszweiges (1568 Duruelo, 1569 Pastrana). Im Päpstlichen Breve „Pia consideratione“ von 1580 wurde die Errichtung einer eigenen Ordensprovinz der „Unbeschuhten Karmeliten“ gestattet, deren erster Provinzial der enge Vertraute und Freund Teresas, Jerónimo Gracián, wurde.
GRUNDZÜGE IHRER SPIRITUALITÄT
Teresa starb am 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes. Durch die Gregorianische Kalenderreform war dies der 15. Oktober. Ihre letzten Worte drücken ihre Treue und Liebe zur Kirche aus: „Am Ende bin ich immer noch eine Tochter der Kirche…“ Teresa wurde 1614 selig- und 1622 heiliggesprochen.
Grundzüge der Spiritualität Teresas sind ihre Erfahrungen im Glauben und im Gebet, die geprägt sind von einer personalen Beziehung zu Jesus Christus. Sie versteht ihre Freundschaft mit Gott nicht heilsindividualistisch, sondern weitet diesen Begriff und setzt einen apostolischen Akzent: Gebet ist für sie das Gespräch mit dem Freund über die Menschen. Teresa lebt aus dem Reichtum der Heiligen Schrift und findet dort Nahrung, wie sie dem menschgewordenen Gott nachfolgen kann. Damit bricht sie mit der damaligen Strömung des Neuplatonismus, der die Menschheit Christi hinter sich zurücklässt. Ihre Gottes- und Gebetserfahrungen möchte sie auch mit anderen Menschen teilen. Dabei war es immer ihr Wunsch, „zu wissen, ob das, was in ihr vorging, mit der Heiligen Schrift im Einklang stehen würde“.
IHRE SCHRIFTEN SIND LITERATUR
Teresas Autobiographie Das Buch meines Lebens (1562/1565) kam vor die Inquisition, wurde aber vom Großinquisitor, P. Gracián Don Gaspar de Quiroga, und dem bedeutendsten Dominikanertheologen jener Zeit, P. Domingo Báñez, für irrtumsfrei gehalten. Inhalt ist, neben den Stationen ihres Lebens bis zur Gründung des ersten Reformklosters, ihre Lehre vom Gebet als ein Weg der Freundschaft mit Gott.
Im Weg der Vollkommenheit (1566) gibt sie ihren Schwestern drei Dinge mit auf den Weg: gegenseitige Liebe, Loslösung von allem Geschaffenen, Demut (Wandel in der Wahrheit). Das Buch der Gründungen enthält ihre Klostergründungen von 1567 bis 1582. In den Wohnungen der inneren Burg (1577) beschreibt sie in vielen sprachlichen Bildern und mit großer Wahrhaftigkeit und innerer Weite den Weg der Gotteinung des Menschen.
In ihren 480 erhaltenen Briefen (vermutlich waren es 10.000 bis 25.000), die sie ab 1546 bis zu ihrem Tod 1582 verfasste, wird ihre Freundschaft zu den Menschen sichtbar. In ihnen können wir Teresa als Menschen authentisch erfahren: ihre Frische und ihren Charme, aber auch ihr Mitgefühl für jeden, der ihr begegnet.
TERESAS EINLADUNG AN UNS
Was kann Teresa von Ávila uns heute sagen? Teresa lebt freundschaftlich mit den Menschen und ermutigt ihre Schwestern, wie Freundinnen miteinander zu leben. Freundschaft ist das Charakteristikum ihrer Beziehung zu Jesus Christus, wobei sich diese Freundschaft besonders auf den leidenden Herrn ausrichtet.
Teresa will ihre Erfahrungen, die sie mit Gott und im Gebet gemacht hat, mit anderen Menschen teilen. Alle sind ihrer Meinung nach eingeladen, diesen Weg des Gebetes zu gehen.
In ihrer ausdrucksstarken, bildhaften und bodenständigen Sprache verleiht sie ihren Erfahrungen Gestalt. Ihre Werke sind ein Meisterwerk der kastilischen und spanischen Literatur und zählen zur Weltliteratur.
Teresa leidet mit und an ihrer Kirche, der sie bis in ihre Sterbestunde hinein treu bleibt.
Sie geht ihren Weg als Frau in einer frauenfeindlichen Umgebung und ermöglicht somit auch anderen Frauen, ihren eigenen geistlichen Weg zu gehen.
Teresa sucht Beratung in Gesprächen mit Beichtvätern aus verschiedenen Orden und ist selbst eine gesuchte Beraterin für zahlreiche Menschen.
Mit „entschiedener Entschlossenheit“, Mut, Phantasie und Kreativität beginnt sie neue Wege und lässt sich dabei konkret vom Leid der Mitmenschen ansprechen.
„Die Welt steht in Flammen! Nein, meine Schwestern, nein, es gibt keine Zeit, um mit Gott über Geschäfte von wenig Bedeutung zu verhandeln.“