Lebenskünstler ist, wer seinen Sommer so erlebt, dass er ihm noch den Winter wärmt. (Alfred Polgar, österreichischer Schriftsteller, 1873-1955)
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Liebe Leserinnen und Leser! Auch wenn ich Ihnen diese Zeilen aus Indien schreibe, wohin mich unser Generalminister zur Durchführung der Generalvisitation geschickt hat, und über mir der Deckenventilator surrt, um die Hitze einigermaßen erträglich zu machen, muss ich mich in das Januar-Heft hineinfühlen. Es erreicht Sie vermutlich bei ordentlicher Kälte, möglicherweise auch bei Schnee und Eis. Vielleicht ist es – angesichts der Energiekrise und den Sparbemühungen – selbst in der Wohnung etwas kälter als normal.

Unser Titelbild hat mir geholfen, mir den Winter greifbar zu machen. Kindheitserinnerungen wurden wach. Etwas außerhalb des Dorfs, in dem ich meine Kindheit verbracht habe, gab es einen kleinen See. Der fror, im Gegensatz zu heute, regelmäßig zu. Und dann war meine Mutter ganz eifrig: Wir mussten unsere Schlittschuhe packen und aufs Eis. Schlittschuhlaufen. Mit diesem Sport wurde ich nie richtig warm. Ich fühlte mich unsicher. Mir fehlte der sichere Halt unter den Füßen und das Eis war mir zu glatt. Vielleicht wurde mein Unwohlsein zusätzlich verstärkt durch Friedrich Wilhelm Gülls berühmtes „Büblein auf dem Eis“, welches ich in der Schule hatte auswendig lernen müssen. Ich hatte Angst, dass das Eis „auf einmal knacket, / Und krach! schon bricht’s hinein“.

Umso mehr war ich im vergangenen Winter von mir selbst überrascht, als ich mich auf einmal vor dem Fernseher ertappte und fasziniert Wettkämpfe im Eiskunstlauf verfolgte. Mit größter Perfektion und Eleganz wurden Tänze aufgeführt, jeweils passend zur Musik, fein aufeinander abgestimmt, fast wunderbar koordinierte Bewegungen. Natürlich ging es da auch um Punkte bei den Kampfrichtern und darum, wer am Ende als Sieger dasteht. Ich war aber mehr gebannt von der einfachen Schönheit dieser Bewegungen – einer Schönheit, die sich so schwer in Worte fassen lässt, die man aber erleben und fühlen kann.

Die Mühsal des Alltags lässt uns an der schlichten Schönheit oft zweifeln. Schwierigkeiten und Probleme, Auseinandersetzungen und Streit drängen sich in den Vordergrund. Vielleicht ein guter Vorsatz für das neue Jahr: Ganz bewusst die Augen offenhalten für das Schöne. Und es genießen. Dass Ihnen und mir das immer wieder gelingen mag: Ich wünsche es uns von Herzen!

Ihr Bruder Andreas

Zuletzt aktualisiert: 03. Januar 2023
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