Ein bisschen weniger Schmerz
An der Hausnummer 59 in der Straße „Via Ospedale Civile“ in Padua treffen wir uns. Das Schild an der Fassade des antiken, restaurierten Hauses „Haus der Kinder – Kinderhospiz“ lässt nichts Gutes ahnen, man denkt sofort an unheilbar Kranke, an Traurigkeit und Verzweiflung. Ich bin aber in positiver Mission hier, denn die Caritas Antoniana hat eine Maschine zur Schmerzlinderung finanziert – wenigstens etwas, mag man denken.
Im zweiten Stock öffnet sich die Tür des Aufzugs und ich bin überrascht: Von weißen Kitteln keine Spur, obwohl hier viele Ärzte und Krankenschwestern unterwegs sind. Keine Spur von Drama. Durch einen Türspalt sehe ich eine Mutter im hellblauen Jogginganzug und mit Hausschuhen mit einem rosa gekleideten Mädchen. Das Kind scheint schwerstbehindert zu sein. Die beiden schmusen, lächeln sich an, man sieht, wie sehr sie sich lieb haben. Hinter ihnen ein Mann, ungefähr 35 Jahre alt, vielleicht ein Pfleger, vielleicht der Vater, den Blick starr auf einen Laptop gerichtet. Nein, hier liegt der Tod nicht in der Luft, hier geht es um eine Art von Leben, die wir nicht kennen.
Gemeinsam gegen den Schmerz
Diesen Eindruck bestätigt Stefania Bettin, die Vorsitzende des Verbandes „Kinderhospiz Padua“. Auch ihr Sohn Francesco, 14 Jahre alt, gehört zu den 120 Kindern und Jugendlichen, die von dieser Einrichtung betreut werden. „Die palliative Pflege für Kinder ist anders als die für Erwachsene im Endstadium. Das Hospiz begleitet Kinder mit unheilbaren Krankheiten und ist auch das regionale Zentrum für Schmerztherapie. Wir kümmern uns also um alle möglichen Situationen, in denen die Kleinen Schmerzen haben.“ Das Hospiz im eigentlichen Sinn betrifft vor allem den kleinen Anteil an krebskranken Kindern. „70 Prozent unserer Patienten leiden an neurologischen Muskelkrankheiten wie Dystrophie,“ erklärt Chiara Di Pede, Physiotherapeutin, die unsere Schmerzmaschine betreut, „ein anderer Teil hat seltene genetische Krankheiten. In jedem Fall handelt es sich aber immer um komplexe Krankheitsbilder, die interdisziplinär zu behandeln sind.“
Die neu angeschaffte Maschine zur Schmerztherapie hat
Pioniercharakter: „Wir hatten Fälle von Schmerzen, die sich mit keinerlei Schmerzmittel bekämpfen ließen und die jeden anderen Aspekt des Lebens beeinflussten: den Schlaf, den Appetit, die Möglichkeit, in die Schule zu gehen oder zu spielen. Es ist das erste Mal, dass eine solche Maschine bei Kindern angewendet wird. Es ist wie ein Pilot-Projekt.“ Es handelt sich um eine neue Form der Elektrotherapie, wie Frau Di Pede erklärt: „Die Elek-troden werden außerhalb und nicht innerhalb der schmerzenden Zone angebracht, um das Gehirn auszutricksen, damit es vom
Signal „Schmerz“ auf das Signal „kein Schmerz“ umschaltet. Nach einem Jahr und 30 behandelten Kindern, die an chronischen Schmerzen leiden, wird diese Therapie heute schon als Routine eingesetzt. „Nicht immer verschwindet der Schmerz, manchmal wird er nur ein bisschen weniger. Aber auch Schmerz, der von einer imaginären Skala von 8 auf 1 oder 2 fällt, macht ein ganz anderes Leben möglich.“
Unheilbar, aber behandelbar
Im Kinderhospiz kümmert man sich aber nicht nur um die Schmerzen der Kleinen. Betroffen sind auch die Eltern. Stefania Bettin erklärt: „Wenn eine Familie von einer schlimmen Krankheit getroffen wird, hat man das Gefühl, zu ertrinken. Auf einmal ist deine Wohnung voller Maschinen, zum Atmen, zum Absaugen, zum Ernähren. Ein Elternteil ist gezwungen, seine Arbeit aufzugeben, damit kommt es auch zu finanziellen Problemen. Das Hospiz hilft dabei, sich um dein Kind zu kümmern. Schnell entwickelt sich zum Pflegepersonal eine vertraute Beziehung. Ein ganzes Team ist täglich unterwegs, um die einzelnen Situationen zu überprüfen und Untersuchungen zu organisieren.“ Wenn das Kind ins Hospiz muss, wird versucht, den Aufenthalt so kurz wie möglich zu halten, und zwar möglichst in einem Zimmer mit Bad, Kühlschrank und Mikrowelle, um sich ein wenig wie zu Hause zu fühlen. „Es gibt einen Arzt, der rund um die Uhr da ist, auch an Sonn- und Feiertagen. Da fühlst du dich nicht mehr so alleine, im Gegenteil, hier hast du das Gefühl, dass das, was scheinbar unerträglich ist, Normalität ist.“
Und so werden diese Kinder, die sich immer in Grenzsituationen befinden, zu Jugendlichen, die ihr Leben leben möchten. „Unsere Jugendlichen versuchen, alles aus dem Leben herauszuholen. Sie haben einen besonderen Blick. Letztes Jahr ist mein Sohn Francesco zusammen mit Sara, 17 Jahre alt, nach Rom gefahren zu einem Kongress über Religionen und Palliativmedizin. Als er gefragt wurde, was er dort mache, sagte er: „Ich bin hier, um zu zeigen, dass man auch in unserer Situation glücklich sein kann.“
Neue Perspektiven
Auch Frau Doktor Franca Benini, die Verantwortliche für das Hospiz, ist der Meinung, dass man nie die Krankheit in den Mittelpunkt stellen darf, weil man sonst das Rennen noch vor dessen Beginn verliert. Wenn man jedoch die Kinder und deren Familien in den Mittelpunkt stellt, dann kann die Medizin wirklich helfen. Das Hospiz verändert die Menschen: „Du verstehst, dass du medizinische Kompetenzen hast, aber auch, dass die Eltern natürlich ihre Kinder viel besser kennen. Das ist eine Erfahrung, die dich jedes Mal an deine Grenzen bringt. Wenn ich hier eine Familie sehe, der es gelingt, sich um das Drama herum neu zu orientieren, dann denke ich, dass meine Arbeit zu etwas dient. Wenn sie es schaffen, dann ist alles möglich. Kann man sich angesichts dessen über Nichtigkeiten aufregen?“
Während ich das Hospiz verlasse, denke ich an eine Nachricht, die eine Mutter, deren Kind gestorben ist, auf der Pinnwand im Eingang hinterlassen hat: „In dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, mich von meinem kleinen Engel zu verabschieden, in einer harmonischen Umgebung und mit der Unterstützung und dem Trost von euch allen. Diese Liebe, die mir genommen wurde, hat ein großes Loch in mir gelassen, aber sie hat mich auch unendlich reich gemacht. Danke, trotz allem!“