Ein Kranz von Rosen für Maria

18. Oktober 2021 | von

Wie die Gebetsschnur entstand und weshalb der Oktober zum „Rosenkranzmonat“ wurde.

In spätmittelalterlichen Kirchen weisen Darstellungen mit Maria und dem Jesuskind gelegentlich eine zumeist übersehene Besonderheit auf. Die Muttergottes und der Jesusknabe halten einen Rosenkranz in ihren Händen. Dieses Motiv erfreute sich besonders im frühen 15. Jahrhundert einer gewissen Beliebtheit.

Mit Sicherheit hat die Mutter Jesu ihr Lebtag lang nie eine solche Gebetsschnur besessen. Das wussten natürlich auch die Künstler, welche die besagten Gemälde schufen. Mit ihren anachronistischen Darstellungen wollten sie bloß daran erinnern, dass das Rosenkranzgebet die geistige Verbundenheit mit Jesus und seiner Mutter fördert.

Vom Laienpsalter zum Rosenkranz

Die Zahl von 150 Ave-Maria, die dem Rosenkranz zugrunde liegt, geht auf die 150 Psalmen im Alten Testament zurück. Die Iren und Angelsachsen teilten den ganzen Psalter in drei Gruppen zu je fünfzig Psalmen ein. Im Kloster Cluny war es gegen Ende des 11. Jahrhunderts üblich, dass das einfache Volk, das des Lesens unkundig war, für einen Psalm ersatzweise ein Vaterunser betete. Zur Zählung diente eine sogenannte Paternosterschnur. Im 13. Jahrhundert ging man dazu über, statt der 150 Vaterunser ebenso viele Ave-Maria zu beten. Diese Andachtsform bezeichnete man als Laienpsalter. Die Gliederung in Zehnergruppen durch eingefügte Vaterunser findet sich erstmals 1408 bei dem Kartäuser Heinrich von Kalkar. Die heutige Form des Volksrosenkranzes geht auf eine von dem Trierer Kartäusernovizen Dominikus von Preußen (um 1384-1460) verfasste Schrift zurück. Dieser hängte jedem Ave-Maria nach der Nennung des Namens Jesu einen Hinweis auf Marias und Jesu Wirken an („den du o Jungfrau vom Heiligen Geist empfangen hast“; „der uns den Heiligen Geist gesandt hat“…).

Dass aus dem Laienpsalter schließlich ein Rosenkranz wurde, hat seinen Ursprung darin, dass Maria im Mittelalter als rosa mystica, als mystische Rose, bezeichnet wurde. Diese Symbolik brachte es mit sich, dass man das Ave-Maria mit einer Rose verglich und die Marienbilder häufig mit einem Kranz aus Rosen schmückte, was schließlich zu der Vorstellung eines geistlichen Rosen- oder Gebetskranzes führte.

Ins Reich der frommen Erfindungen gehört jene Geschichte, der zufolge die Gottesmutter dem heiligen Dominikus (um 1170-1221) den ersten Rosenkranz überreichte, mit der Auflage, dieses Gebet zu ihren Ehren zu verbreiten. Diese Legende ist darauf zurückzuführen, dass sich Jahrhunderte nach seinem Tod neben den Jesuiten vor allem die Mitglieder des Dominikanerordens um die Förderung des Rosenkranzgebets große Verdienste erwarben. Tatsächlich erhielt der Ordensgeneral der Dominikaner im Jahr 1663 von Papst Alexander VII. das ausschließliche Recht zur Errichtung von Rosenkranzbruderschaften.

Zwischen Glauben und Aberglauben

Der großen Beliebtheit des Rosenkranzgebets entsprach die Vielfalt der Materialien, aus denen die Gebetsketten angefertigt wurden; die Palette reicht von Hölzern und Mineralien über Nüsse und Samen und Eukalyptusknospen bis hin zu Korallen. Eine Freifrau, die sich etwas auf ihre adelige Herkunft zugutehielt, begnügte sich natürlich nicht mit einfachen, an einer Hanfschnur aufgezogenen Holzkügelchen, sondern verlangte nach echten Perlen. Für Landesfürsten waren vergoldete Rosenkränze aus kostbaren Edelsteinen eine Prestige-, gelegentlich schon fast eine Existenzfrage. Vereinzelt kam es auch vor, dass bei der Herstellung von Rosenkränzen die Grenze vom Glauben zum Aberglauben überschritten wurde. Die vielen Erzählungen von der wunderkräftigen Wirkung gerade dieser Andachtsübung führten nicht selten dazu, dass man die Gebetsschnur als Talisman benutzte – etwa, indem man zur Herstellung die Wirbelknochen von Schlangen oder die Früchte der Wassernuss verwendete, deren hornartige Auswüchse angeblich der Geisterabwehr dienten. Manche Rosenkränze waren mit Gegenständen angereichert, die vor allerlei Abergeistern, vor gefährlichen Dämonen oder vor dem bösen Blick schützen sollten; dazu gehörten Sargnägel, Knochenstücke oder die Maulwurfskralle.

Neue Gesätze von Johannes Paul II.

Zusammen mit solchen abergläubischen Vorstellungen ist inzwischen leider auch das Rosenkranzgebet selber etwas in Vergessenheit geraten. Was Papst Johannes Paul II. im Jahr 2002 veranlasste, die Gläubigen wiederum vermehrt zum Beten des Rosenkranzes zu motivieren. Bei dieser Gelegenheit fügte er den freudenreichen, den schmerzhaften und den glorreichen Gesätzen auch fünf „lichtreiche Geheimnisse“ hinzu, welche das öffentliche Wirken Jesu zum Gegenstand der Betrachtung machen: „Gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus, der von Johannes getauft worden ist; der sich bei der Hochzeit in Kana offenbart hat; der uns das Reich Gottes verkündet hat; der auf dem Berg verklärt worden ist; der uns die Eucharistie geschenkt hat.“ Eine Initiative, die sich in der Volksfrömmigkeit nicht so recht durchzusetzen vermochte.

Oktober als Rosenkranzmonat

Dass der Oktober zum Rosenkranzmonat wurde, hängt mit einer berühmten Seeschlacht zusammen. Am 20. Mai 1571 schlossen sich Papst Pius V., Spanien, Venedig und Genua zu einer „Heiligen Liga“ zusammen, um die osmanische Übermacht im Mittelmeer und deren Expansionspolitik zu bekämpfen. Am 7. Oktober 1571 kam es südlich der kleinen griechischen Insel Oxia zur Seeschlacht von Lepanto (heute Nafpaktos), in der die Flotte der Liga unter dem Oberbefehl von Don Juan de Austria die osmanische Flotte vernichtend schlug. Dieser überraschende Sieg wurde vom Papst dem Rosenkranzgebet zugeschrieben, woraufhin er anordnete, dass von nun an dieser Tag als Fest der Seligen Jungfrau Maria vom Sieg zu feiern sei. Was wiederum dazu führte, dass fortan manche Kirchen der Sancta Maria de Victoria geweiht wurden.

Zuletzt aktualisiert: 21. Oktober 2021
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