Ein neuer Seliger für die Minoriten
Der bisherige Generalminister unserer Gemeinschaft widmet sich in diesem Beitrag einem neuen Seligen des Ordens aus dem Heimatland von Papst Franziskus.
Unser Orden der Franziskaner-Minoriten hat wieder einmal Grund, den allerhöchsten und allmächtigen Gott zu ehren und ihn zu loben, weil einer unserer Brüder kürzlich in den großen Chor der seligen Märtyrer aufgenommen wurde – in den Kreis der Märtyrer, denen es gelang, ihr Leben und Sterben zu einem fruchtbaren Samen werden zu lassen und zu einer gelebten Ausgabe des Evangeliums für alle, die nach Heil suchen.
Fürsprecher bei Gott
Am 27. April wurde unser Mitbruder Carlos de Dios Murias, Märtyrer und Ordenspriester, in der Stadt La Rioja in Argentinien seliggesprochen, zusammen mit drei anderen Zeugen Christi, nämlich Enrico Angelo Angelelli Carletti, Bischof von La Rioja, P. Gabriel Longueville, ein französischer Fidei-Donum-Priester, und Wenceslao Pedernera, ein Laie und Familienvater. Das bedeutet für uns auch, dass diese vier Seligen, die im Leben und Sterben eng miteinander verbunden waren, nun für immer vereint als Fürsprecher bei Gott für uns eintreten, insbesondere für die Brüder der Provinz Argentinien und alle Bewohner dieses Landes.
Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Carlos de Dios Murias wurde am 10. Oktober 1945 in Córdoba, Argentinien als Sohn von Carlos María Murias und Ebe Ángela Grosso geboren. Gut einen Monat nach seiner Geburt wurde er am 24. November 1945 in La Falda getauft. Mit Erreichen des schulpflichtigen Alters wurde er in ein von Ordensleuten geführtes Internat geschickt, wo er schnell seinen Platz fand und sich mit besonderer Aufmerksamkeit seiner schwächeren Mitschüler annahm. Er wuchs auf als ein Junge mit hohen Idealen: großzügig, bescheiden und leidenschaftlich an Musik interessiert. Nach Ende der Schulpflicht fühlte er sich vom Ordensleben angezogen. Sein Vater überzeugte ihn aber – weil er eine glänzende Universitäts-Karriere für ihn ersehnte – vom Besuch einer weiterführenden Schule des Militärs, welche er mit herausragenden Ergebnissen abschloss.
Nach Beendigung dieser Schule kehrte er nach Hause zurück. Auch wenn er nun sein Studium begann, erklärte er dem Vater ausdrücklich, dass er Priester werden wollte. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Enrique Angelelli, Bischof von La Rioja. Ihn hatte Carlos schon während seiner Schulzeit kennengelernt. An den verschiedenen Fakultäten der Universität von Córdoba sorgte der Bischof für eine prophetische und mutige Seelsorge an den jungen Studenten. Die „Option für die Armen“, die der Bischof traf, war sehr klar und so für viele junge Menschen, die ihm folgten, eine echte Inspiration. Der Bischof stand auch bei Carlos‘ Vater in hohem Ansehen, der schließlich dem Anliegen des Sohnes zustimmte, nachdem er wusste, dass er in guten Händen sein würde.
Leidenschaftlicher Einsatz
Im Alter von 21 Jahren begann Carlos schließlich im Jahr 1966 mit dem Postulat im Konvent des heiligen Josef in Montevideo. Im darauffolgenden Jahr trat er in das Noviziat ein, um von seinen Ausbildern zu einem guten Franziskaner-Minoriten geformt zu werden. Im Blick auf die Priesterweihe begann er seine theologischen Studien. Am 31. Dezember 1971 legte er die Feierliche Profess ab und am 17. Dezember 1972 wurde er durch Bischof Angelelli zum Priester geweiht. Kurz darauf wurde er in den Konvent der Franziskaner-Minoriten im Seminar von Moreno versetzt. Ein Jahr später wurde er in den Konvent von José León Suárez geschickt, wo er sich um junge Menschen in Not kümmerte.
Vom 9. Januar 1976 ab bis zu seinem Tod bemühte sich der selige Carlos, für die Franziskaner-Minoriten neue Straßen zu ebnen. Er diente als Kaplan in Chamical in der Diözese von La Rioja und unterstützte den dortigen Pfarrer Gabriel Longueville, einen französischen Fidei-Donum-Missionar. Br. Carlos gab sich ganz der Verkündigung der Frohen Botschaft unter den Menschen hin und prangerte Ungerechtigkeiten, die der Soziallehre der Kirche entgegenstanden, an. Sein Engagement zog den Hass der Mächtigen auf sich. Am 18. Juli 1976, einem Sonntagabend, während er mit einigen Schwestern vom Institut der Schwestern des hl. Josef zu Abend aß, wurde Carlos gemeinsam mit Gabriel Longueville von Unbekannten, die sich als Vertreter der Autoritäten ausgaben, entführt. Noch am selben Abend wurden beide Priester brutal gefoltert und ermordet.
Beispielhafte Verfügbarkeit
Aus Liebe zu Gott folgte Carlos den Fußspuren des heiligen Franz von Assisi, indem er das Evangelium verkündete und den Armen beistand. Das natürliche Ergebnis dieser Art von Leben konnte – wegen der Verfolgung durch das damalige Regime – nur das Martyrium sein. Das war freilich nicht die Erfüllung eines Traums nach Heiligkeit um seiner selbst willen als vielmehr die totale Hingabe für Andere – und zwar zu jeder Zeit seines Lebens, wie alle es berichtet haben, die als Zeugen gehört wurden. Ich könnte noch deutlicher sagen: wie er sich dem Orden der Minderbrüder-Konventualen zur Verfügung stellte in der damals noch sehr jungen Kustodie von Argentinien, zu der er gehörte; wie er sich für die Kirche vor Ort engagierte, in der er sein fruchtbares Apostolat ausübte; und wie er sich für all die hingab, denen er auf den Straßen dieser Welt begegnete.
Einige Zeit vor seiner Ermordung und im vollen Bewusstsein der Gefahr, wenn er bei den Gemeindemitgliedern in Chamical bleiben würde, wurde er gefragt, ob es nicht besser wäre, wegzugehen. Er antwortete: „Es ist besser, jung zu sterben und etwas bewirkt zu haben, als alt zu sterben und gar nichts zustande gebracht zu haben.“ Lasst uns diese Worte unseres seligen Mitbruders Carlos de Dios Murias meditieren – und lasst uns Gott loben, weil Carlos es verstand, diese Worte mit Leben zu füllen. Wir bitten um seine Fürsprache, damit wir es ihm gleichtun können.
Im glorreichen Leben und Sterben von Carlos werden die prophetischen Worte des heiligen Papstes Paul VI. wieder einmal wahr: „Der moderne Mensch schaut lieber auf Zeugen als auf Lehrer – und wenn er auf Lehrer hört, dann weil sie Zeugen sind“. Seliger Carlos de Dios Murias, bete für uns und tritt bei Gott für uns ein!