Ein Zauberwort mit nur vier Buchstaben
Kater Pünktchen soll die Sommerferien bei mir verbringen. Das haben sich zumindest meine Nachbarn überlegt. Sie fahren in die USA und suchen nach einer Möglichkeit, ihr Haustier in dieser Zeit gut unterzubringen. Eigentlich finde ich den Kater ausgesprochen unsympathisch. Aber das kann ich doch nicht zugeben.
Meine beste Freundin jedoch erinnert mich an ein kleines Wort mit vier Buchstaben: „Sag` doch einfach nein!“ Aber ich finde es schwierig, nein zu sagen. Zu meiner Überraschung erkenne ich: Damit stehe ich nicht allein. Die Wissenschaft spricht sogar von der „Drei-A-Falle“. Und Menschen, die ungern nein sagen, tappen da oft hinein.
A wie Anpassung: Warum soll ich sagen, was ich denke? Vielleicht entsteht dann ein Konflikt? Das lohnt sich nicht. Um des lieben Friedens willens behalte ich meine Meinung für mich.
A wie Angriff: Ich sage ein aggressives Nein, und prompt reagiert der andere, wie ich es eigentlich nicht wollte: Er ist gekränkt und verletzt. A wie Ausweichen: Das ist die dritte Strategie. Um nichts falsch zu machen, sag ich lieber gar nichts und zeige Pokerface. Niemand sieht, was ich wirklich denke.
Doch es gibt den Weg zum positiven Nein. Warum fällt das Nein-Sagen nur so schwer? Die Forschung erkennt in den Nein-Sagern die Macher, die sich und ihre Bedürfnisse wichtig nehmen und den anderen ihre Richtung zeigen. Ja-Sager dagegen sehen vor allem die Beziehung zum andern. Sie wollen nicht verärgern oder abgelehnt werden. Aber die Angst vor Konflikten führt dazu, dass so mancher eigentlich zu sich selbst und seinen Bedürfnissen nein sagt, statt dem anderen dieses Nein zuzumuten. Ich frage mich: Haben wir also nur diese zwei Möglichkeiten: Entweder Macht auszuüben, um den eigenen Willen durchzusetzen, oder auf die eigenen Bedürfnisse zu verzichten, um der Beziehung willen?
Der britische Autor William Ury zeigt einen dritten Weg auf. Er nennt ihn: das positive Nein. Dieses Nein beginnt und endet mit einem Ja. Das erste Ja, sozusagen mit Ausrufezeichen, bekennt sich zu meinen eigenen Bedürfnissen. Erst auf Grund dieses Ja zu mir selbst kommt das Nein zur Anfrage des anderen. Beim Beispiel „Kater Pünktchen“ könnte es so aussehen: Ich erkläre meinen Nachbarn, dass ich allergisch gegen Katzenhaare bin und deshalb Pünktchen nicht bei mir wohnen kann.
Der zweite Schritt des positiven Nein: Ich male mir ein Worst-Case-Szenario aus. Oft erscheinen in angespannten Situationen die Reaktionen schlimmer, als sie wirklich sind. Wie könnten meine Nachbarn im ärgsten Fall reagieren? Kündigen sie mir die Freundschaft? Könnte ich gegebenenfalls damit leben?
Dann das Nein, das ein Ja ist. Im dritten Schritt des positiven Nein sagen wir wieder ein Ja, dieses Mal mit Fragezeichen. Dieses Ja hat eine Brückenfunktion. Es vermittelt zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen des anderen. In meinem Nein eröffnet sich eine dritte Position, die es beiden Seiten ermöglicht, mit meinem Nein zu leben. Im Fall von Kater Pünktchen: Ich nehme ihn aus oben genannten Gründen nicht auf, biete aber dafür an, während der Abwesenheit der Nachbarn ihre Blumen zu gießen.
Ein positives Nein ist also auch für chronische Ja-Sager eine Möglichkeit, anderen eine Grenze aufzuzeigen. Sicherlich lassen sich Enttäuschungen nicht vermeiden, aber wenn es gelingt, Unangenehmes nicht unangenehm rüberzubringen, ist in der zwischenmenschlichen Beziehung bereits viel erreicht.
Und so ist NEIN, dieses kleine Zauberwort mit vier Buchstaben, vielleicht ein ganz probates Mittel – nicht zuletzt gegen jede Art von Katerstimmung.