Eine berühmte heilige Clara
Wie wohl nur ganz wenige Minoritenklöster weltweit sorgt die Niederlassung im schweizerischen Freiburg für ihr historisches Erbe. Was sich hinter der Inventarnummer P 129 verbirgt, erläutert die Archivarin der Gemeinschaft.
Das Franziskanerkloster in Freiburg/Schweiz ist bekannt durch seine wertvolle Bibliothek an mittelalterlichen Handschriften und frühen Druckwerken. Auch die Geschichte der Clara-Zeichnung ist mit der Klosterbibliothek verbunden. Gegen 1940 wurde die Zeichnung vom damaligen Bibliothekar P. Nicolas Bongard († 1955) in einem gedruckten Buch des 16. Jahrhunderts entdeckt und herausgelöst. Leider weiß man heute nicht mehr, in welchem Buch sie sich befand.
Ein besonderer Entwurf
Die Zeichnung auf einem weißen Blatt von 32.5 x 22.3 cm zeigt die hl. Klara in einer von zwei Säulen gerahmten Nische. Wir sehen die Heilige im Dreiviertelprofil, in den Händen hält sie eine Turmmonstranz. Die Zeichnung mit Feder und brauner Rußtinte erzeugt durch rhythmische Federstriche und Lavierungen den Eindruck einer plastischen Figur, die in einem nicht allzu tiefen Raum steht. Hans Fries signierte und datierte die Zeichnung durch eine Inschrift auf der Basis der linken und rechten Säule: I O [Johannes] F [Fries] 1505. Damit gehört sie zu einer der frühesten Zeichnungen in der Schweiz, die ein Künstler mit Namen und Datum versehen hat. Die Schrifttafel unten benennt die Dargestellte als „Sancta clara“. Da Fries die Zeichnung zwar sorgfältig bezeichnete, sie aber nicht im Detail ausarbeitete, handelt es sich vermutlich um einen Entwurf für ein Gemälde oder eine Fensterscheibe.
Historische Rekonstruktion
Anfang des 16. Jahrhunderts unterhielt Hans Fries enge Beziehungen zum Franziskanerkloster. 1506 schuf er für die Franziskanerkirche das Retabel für den Antonius-Altar. Die Zeichnung der hl. Clara entstand in enger Anlehnung an die Darstellung Claras im Retabel der Nelkenmeister, das seit 1479/80 den Hochaltar schmückte. Daher vermutet man, dass der Künstler diese Entwurfs-Zeichnung, die wohl hier entstanden ist, dem Kloster überlassen hatte. Noch im 16. Jahrhundert wurde das Blatt in der klostereigenen Buchbindewerkstatt als Vorsatzblatt in eines der frühen gedruckten Werke eingebunden und so vor Verlust bewahrt. Auf diese Nutzung geht wohl zurück, dass die Zeichnung an der linken Seite beschnitten ist. Man kann sich das Schicksal dieser Zeichnung noch weiter ausmalen. Das Retabel der Nelkenmeister von 1479/1480 und später das Retabel des Antonius-Altares von 1506 wurden durch den Guardian Jean Joly († 1510) in Auftrag gegeben. Durch Notizen in den Büchern selbst sind 46 Inkunabeln (Frühdrucke) aus dem Besitz dieses hochgebildeten Franziskaners bekannt. Man kann daher vermuten, dass die Clara-Zeichnung in einem gedruckten Buch gefunden wurde, das Jean Joly besessen hat und das er hier im Kloster mit einem Einband versehen ließ.
Zurückgeholte Leihgabe
Nach ihrer Entdeckung wurde die Zeichnung als Depositum des Klosters im Museum für Kunst und Geschichte Freiburg ausgestellt. 1995 restaurierte sie Pater Otho Raymann († 2010) und übergab sie erneut als Leihgabe an das benachbarte Museum. Mit dem Bau eines Kulturgüterschutzraumes im Franziskanerkloster wünschte der damalige Guardian Pater Vincent Cosatti, dass das Depositum vertraglich geregelt werde oder die Zeichnung ins Kloster zurückkehre. Dies führte 2011-2013 zu einem lebhaften Briefwechsel mit dem Museum, das die berühmte Zeichnung nicht dem Franziskanerkloster überlassen wollte. Das Angebot der damaligen Direktorin des Museums, das Kloster mit einer guten Kopie zu entschädigen, fand im Franziskanerkloster kein positives Echo. Nachdem die kantonalen Stellen und das Amt für Kulturgüter Stellung genommen hatten und zudem das Eigentumsrecht des Franziskanerklosters zweifelsfrei feststand, wurde die Zeichnung im April 2013 durch den Restaurator Martin Strebel in das Kloster zurückgebracht.
Das Blatt selbst ist gut erhalten, die Federzeichnung aber durch Tintenfraß an einigen Stellen angegriffen. Eine Ausstellung in den Räumen des Klosters setzt daher die Unterbringung in einem Klimakasten voraus, damit die Erhaltung dieses wertvollen Werks gesichert werden kann. Zurzeit befindet sich das Werk unter guten klimatischen Bedingungen im Kulturgüterschutzraum. Das Hauskapitel entscheidet über Anfragen zur Konsultation durch Kunstinteressierte oder über die Ausleihe für Ausstellungen mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen.
Bibliographie für Interessierte:
Marcel Strub, Les Monuments d’art et d’histoire du Canton de Fribourg, tome III: La Ville de Fribourg. Les Monuments religieux, Bâle 1959, pages 3–96, bes. p. 87, no 1 und p. 91 Abb. 82.
Hans Fries. Ein Maler an der Zeitenwende, herausgegeben von Verena Villiger und Alfred A. Schmid, Museum für Kunst und Geschichte Freiburg, Zürich 2001, p. 49-53 (Zeichnungen, Unterzeichnungen) und p. 234-235 (Kat. Nr. 17), große farbige Abb. p. 233.