Eine Blechliesel läuft vom Band

13. Dezember 2013 | von

In der Autoindustrie kam es 1913 zu einer revolutionären Entwicklung. Die Produktion des Ford Model T wurde vollständig auf Fließband umgestellt. Die Montagezeiten konnten drastisch reduziert werden. Statt in 12,5 Stunden wurde ein Auto in nur 93 Minuten fertig. Die Kombination aus Massenproduktion und erhöhten Löhnen, um die Nachfrage anzukurbeln, ist heute auch unter dem Begriff Fordismus bekannt.



Alles hatte mit der Vision Henry Fords begonnen, ein Auto zu bauen, das ganz anders konzipiert sein und sich insbesondere an eine breite Käuferschicht richten sollte. Bisher war die Fortbewegung im Automobil ein teurer Spaß nur für die Oberschicht gewesen. Das Model T sollte so günstig sein, dass es für die breite Masse erschwinglich sein würde. Es war also von Anfang an auf die Massenproduktion getrimmt.



ERFOLG MIT BILLIGPRODUKTION

Schon bei der Einführung lag der Marktpreis nur bei 825 US$, heute etwa 16.000 €. Durch die effektive Fließbandarbeit senkte sich der sowieso schon günstige Preis schließlich bis auf 345 US$ (heute etwa 5.000 €). Ford verzichtete ganz bewusst auf viele technische Raffinessen, um Material und Kosten zu sparen.

Das Model T verfügte zum Beispiel nicht über ein konventionelles Kupplungsgetriebe. Stattdessen hatte der Wagen drei Fußpedale, bei denen eines für den eingelegten Gang verantwortlich war und die Einstellungen schnell, langsam und rückwärts möglich machte. Dieser Verzicht auf klassische Schaltgetriebe setzte sich auf dem amerikanischen Markt auch bei späteren Fahrzeuggenerationen durch. Noch heute kennen viele Fahrzeuglenker in den USA kein Schaltgetriebe.



TIN LIZZY

Die Abstriche bei Ausstattung und Qualität trugen dem Model T den liebevoll gemeinten Kosenamen „Tin Lizzy“ ein, was man mit Klapperkiste übersetzen kann. Mit anderen Fahrzeugen ihrer Zeit konnte die Tin Lizzy zwar in Puncto technischer Details nicht mithalten, allerdings betrug ihre Höchstgeschwindigkeit immerhin 67 km/h. Ford Model T blieb lange Zeit das meistverkaufte Auto Amerikas. 1918 waren fast die Hälfte aller Autos auf der Welt Tin Lizzys. Bis 1927 waren es 15 Millionen. In den 1920ern brach der Umsatz dann ein, weil die Kunden mehr Luxus in ihren Autos wünschten, Ford sich aber weigerte, Korrekturen an seinem Konzept vorzunehmen. Selbst bei der Farbe zeigte er sich kompromisslos. „Die Kunden können das Auto in jeder Farbe, die sie wollen bekommen, so lange es schwarz ist“, lautet sein Kommentar.



KEIN WOHLTÄTER

Die Persönlichkeit Henry Fords lohnt eine genauere Betrachtung. Der hervorragende Ingenieur und Geschäftsmann tat sich zunächst im sozialen Bereich hervor, als er den Arbeitstag in seinen Werken von neun auf acht Stunden reduzierte und den Lohn gleichzeitig auf 5 US$ am Tag erhöhte. Allerdings bekannte er offen, dass er dies nicht aus Nächstenliebe getan hatte, sondern aus blankem Geschäftssinn. Wer mehr verdient, kann sich auch ein Auto leisten, ist zufriedener und dadurch gingen die Kündigungsraten zurück. Dass Ford kein reiner Wohltäter war, bezeugt die strenge Überwachung seiner Arbeiter: Wer Alkohol trank, bekam den Lohn nicht ausgezahlt. Gewerkschaften wollte er in seinem Unternehmen nicht dulden und er hielt sich einen Schlägertrupp, der Versuche der Arbeiter, sich zu organisieren, gnadenlos niederknüppelte.



ANTISEMITISMUS

Ford zog sich 1919 aus der Leitung der Ford Motor Company zurück, übergab sie an seinen Sohn Edsel und kaufte die Zeitung Dearborn Independent. Das hinderte ihn aber nicht, sich immer wieder in die Unternehmensleitung einzumischen. Der Dearborn Independent hetzte gegen die Juden, die Arbeiterbewegung, Immigranten und Alkoholkonsum. Auch wenn Ford selber nie Artikel schrieb, zeichnete er doch als Verleger dafür verantwortlich. Zudem wurden unter Fords Namen in anderen Zeitungen diverse antisemitische Artikel veröffentlicht, in vier Bänden zusammengefasst und unter dem Titel „Der internationale Jude – ein Weltproblem“ publiziert. In diesen Büchern wurde über eine jüdische Weltverschwörung fabuliert. Heinrich Himmler bekannte sich zu Ford als „gewichtigster und geistreichster Vorkämpfer“. Adolf Hitler sagte: „Ich betrachte Henry Ford als meine Inspiration“. Fords Porträt hing in seinem Büro. Auch geschäftlich kooperierte die Ford Motor Company mit Nazideutschland, indem sie über 100.000 Fahrzeuge für die Wehrmacht produzierte.

Der Antisemitismus Fords und die Geschäfte mit dem Dritten Reich verwundern, da er selbst als glühender Pazifist bereits gegen den Ersten Weltkrieg opponiert hatte. Außerdem brauchte er für die geplante politische Karriere die jüdischen Stimmen. Entsprechend zog er dann auch niemals in den US Senat ein. 1941 zeigte er sich in einem offenen Brief einsichtig, indem er die Hoffnung äußerte, dass die antisemitische Hetze endlich aufhören möge. Am 7. April 1947 verstarb Henry Ford im Alter von 83 Jahren und wurde in Detroit beigesetzt. Mit seinen Neuerungen und der Organisation von Arbeit und Kapital prägte der Automogul eine Epoche.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016