Eine wandernde Kanzel in Padua
Der heilige Antonius war ein begnadeter Prediger, ein Verteidiger der Schwachen und Letzten. Und von der Kanzel aus verbreiten seine Mitbrüder noch heute seine mächtige Botschaft von Gerechtigkeit und Nächstenliebe.
Der Duft von Weihrauch verbreitet sich vom Altar aus in der ganzen Antonius-Basilika. Er unterstreicht die Feierlichkeit des gerade verkündeten Wortes Gottes während der Liturgie. Die Basilika ist voll betender Menschen: Familien, Kinder, junge Menschen und Alte. Viele von ihnen sind aus Padua, aber es sind auch viele von weither angereist. Am Ambo predigt der Zelebrant zu den Lesungen und dem Tagesevangelium. Über allem thront die „Kanzelmadonna“, ein Fresko aus dem 14. Jahrhundert, das dem Künstler Stefano da Ferrara zugeschrieben wird und wahrscheinlich zur Zeit der Herrschaft der Carraresi über Padua entstanden ist. Es befindet sich hinter der antiken Kanzel, von der es den Namen hat.
Im Dienst des Wortes Gottes
Die Kanzel – heute in den meisten Kirchen der Ambo – ist einer der zentralen Punkte einer liturgischen Feier. Das lateinische Wort für Kanzel ist pulpitum, was so viel bedeutet wie „erhöhte Plattform“ und woraus auch das deutsche Wort „Pult“ entstanden ist. Pulpita wurden seit der Römerzeit von Rednern verwendet, um besser gesehen und gehört zu werden. In den Kirchen werden Kanzeln seit dem Mittelalter für die Lesungen, die Verkündigung des Evangeliums und Predigten benutzt. Für die Gläubigen, die die Antonius-Basilika betreten, wird die Kanzel in Gedanken der Ort des hl. Antonius, des großen Predigers. Br. Andrea Massarin, der Vize-Rektor der Basilika, erklärt: „Das ist der Ort des Heiligen, aber vor allem der Frohen Botschaft. Wir alle brauchen frohe Botschaften. Vor allem in schwierigen oder trostlosen Momenten. Und das Wort Gottes ist die Frohe Botschaft schlechthin, denn sie trägt die Wahrheit der Auferstehung und der Rettung in sich.“
Die Kanzel des heiligen Antonius war immer eine „wandernde“ Kanzel, eine Kanzel der Straße, unter den Leuten. Und seine Basilika steht symbolisch für alle Kanzeln, durch die er sich immer mehr dem Volk angenähert hat. Ein menschlicher und spiritueller Weg, der seit 800 Jahren gegangen wird, seit der Berufung des hl. Antonius, sich dem hl. Franziskus von Assisi anzuschließen. Wenn man die Kanzel ansieht, fallen Vielen auch die Sermones ein, das wichtige, auf Latein verfasste literarische und theologische Werk mit mehr als 6.000 Bibelzitaten und Hinweisen auf Kirchenväter, Theologen und Philosophen, das der hl. Antonius verfasst hat, um seinen Mitbrüdern ein Lehrwerk in die Hand zu geben, das vom Glauben ausgehend dabei hilft, die Bibelworte in das tägliche Leben zu übertragen.
Botschaft für das Leben
Papst Franziskus hat in seiner Botschaft zum 800-jährigen Jubiläum der franziskanischen Berufung des heiligen Antonius den Wunsch geäußert, dass dieses Jubiläum in den vielen Antoniusverehrern und -verehrerinnen „den Wunsch erweckt, dieselbe heilige Unruhe zu verspüren, die den hl. Antonius auf die Straßen der Welt geführt hat, um durch Worte und Taten die Liebe Gottes zu verkünden“. Und er hat die jungen Menschen dazu eingeladen, auf diesen alten und doch stets aktuellen Heiligen zu schauen, der so genial war in seinen Intuitionen: „Möge er für die jungen Generationen ein Vorbild sein, um den Weg eines jeden und einer jeden fruchtbar werden zu lassen.“ Denn ein Kernpunkt der Botschaft des hl. Antonius war immer der Blick auf die Letzten, die Schwachen: „Die Nächstenliebe“, so schreibt der hl. Antonius in einem seiner Predigtentwürfe, „ist die Seele des Glaubens, der ihn am Leben hält; ohne die Liebe stirbt der Glaube.“ Deshalb ruft er dazu auf, Geiz und Stolz zu bekämpfen und hingegen die Tugenden der Armut, der Großzügigkeit und der Demut zu leben. Er lädt dazu ein, an den wahren Reichtum zu denken, nämlich den des Herzens. Br. Andrea erklärt: „Die Predigten des hl. Antonius waren nie voraussehbar. Sie beleuchteten die Schwächen und die Stärken seiner Zeit. Sie bezogen sich auf aktuell offene Fragen, ohne auf irgendjemand Rücksicht zu nehmen. Er scheute es nicht, sich mit harten Worten an die Mächtigen oder die Regierenden zu wenden. Und er sparte auch die Kirchenmänner nicht aus, die ihre Berufung durch ein Verhalten, das weit von Gottes Wort entfernt ist, verraten.“
Von seiner Kanzel aus wurden Worte der Gerechtigkeit, des Friedens, der Solidarität und der Nächstenliebe gesprochen. Ein gebildeter Heiliger, ein Akademiker, der sich „zum Volk bekannt hat“, zu den Armen, zu den Menschen, wie es Tonino Bello, Bischof von Molfetta, der kürzlich von Papst Franziskus selig gesprochen wurde, betont hat: „Antonius hat mit den Menschen die Erfahrung von Leid und Sorge geteilt, er hat das Volk gegenüber Tyrannen verteidigt, war immer an der Seite der Schwachen, er hat das Brot und das Dach mit den Armen geteilt. Das war seine wahre Kanzel!“
Antonius‘ Erbe
Br. Andrea Massarin sieht die Antonius-Basilika als Mittelpunkt der gesamten Predigttätigkeit des hl. Antonius. „Für uns Brüder, die wir seine Lehre bewahren und verbreiten, ist das hier ein Ort großer Verantwortung, wo unser Dienst die ‚gute Verkündigung der Kirche‘ wird, für die sich der hl. Antonius selbst völlig eingesetzt hat.“
Eine „Verkündigung“, die sich mit dem Wort „Zuhören“ verbindet, in einer Welt, in der uns die Zeit aus den Fingern zu rinnen scheint und die Menschen sich von allem erdrückt fühlen. „Predigen, zu den Menschen von heute zu sprechen, so wie es Antonius von seiner Kanzel aus getan hat, ist zugleich Verantwortung und Chance. Wie der hl. Antonius haben auch wir – durch ihn inspiriert – die Aufgabe, das hervorzuheben, was nicht in Ordnung ist, was nicht den Lehren des Evangeliums entspricht, und gleichzeitig Trost und Hoffnung zu schenken. Und vor allem sind wir dazu aufgerufen, durch unsere Worte zu versuchen, die Lust auf Gott in den Menschen zu wecken. Die wahre Herausforderung, der wir uns an der Kanzel stellen müssen, ist: Worte zu suchen und zu finden, um Gott den Menschen von heute zu verkünden.“