Eine Zukunft für Gottes Erde

01. Januar 1900 | von

Am Morgen des ersten Tages beschloss der Mensch, frei zu sein und gut, schön und glücklich. Nicht mehr Ebenbild eines Gottes, sondern ein Mensch. Und weil er etwas glauben musste, glaubte er an die Freiheit und an das Glück, an die Börse und den Fortschritt, an die Planung und an seine Sicherheit.
Am zweiten Tag der letzten Zeit starben die Fische in den Industriegewässern, die Vögel am Pulver aus der chemischen Fabrik, das den Raupen bestimmt war, die Feldhasen an den Bleiwolken der Straße...
Am siebten Tag der letzten Zeit war Ruhe. Endlich. Die Erde war wüste und leer (...). Und der Geist des Menschen irrlichterte als Totengespenst über dem Chaos. Tief unten in der Hölle, aber erzählte man sich die spannende Geschichte von dem Menschen, der seine Zukunft in die Hand nahm, und das Gelächter dröhnte hinauf bis zu den Chören der Engel.
Der Schöpfungsbericht einmal ganz anders, adaptiert von Jörg Zink. Mit seiner Bearbeitung des Textes aus Genesis 1 will der Autor Nachdenken provozieren und zur Umkehr bewegen.

Planet am Ende? Als vor knapp 30 Jahren die ersten wissenschaftlichen Berichte erschienen, die vor einem ungehemmten Wachstum und vor Leichtgläubigkeit gegenüber dem technisch-industriellen Fortschritt warnten, wie die berühmte Studie Die Grenzen des Wachstums, da kam es in den 70er-Jahren zu heftigen Debatten zwischen Fortschrittsgegnern und Fortschrittsbefürwortern. Dieser Streit liegt hinter uns, die Probleme der gefährdeten Schöpfung vor uns. Denn inzwischen ist die Tatsache unleugbar, dass die Menschen durch ihre Art des Wirtschaftens den Planeten Erde an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Auf dem Erdgipfel der UNO in Rio de Janeiro (1992) wurden – zumindest auf dem Papier – die ökologischen Gefahren (zum Beispiel der gestörte Ozonhaushalt und der Anstieg der Treibhausgase) benannt, die durch ihre globalen Auswirkungen das Leben auf der Erde gefährden. Doch in den nachfolgenden Verhandlungen seit Rio, zuletzt auf der Klimaschutzkonferenz in Bonn, wurden bisher noch wenig konkrete Ergebnisse erzielt.
Dies ist eine Herausforderung an die christlichen Kirchen, ihre Gemeinden und an die einzelnen Gläubigen, durch ihr Handeln zukunftsfähige Wege zu beschreiten.

Biblischer Auftrag. Die beiden Schöpfungsberichte, mit denen die Bibel beginnt, sind in ihrer Aussage klar. Die Gläubigen bekennen, dass Gott die gesamte Schöpfung gut geschaffen hat, wahrhaftig ein Lebensraum für alle Geschöpfe. Der Mensch nimmt innerhalb der Schöpfung eine Zwischenstellung ein: Einerseits bleibt der Mensch als Geschöpf in die gesamte Schöpfung eingebunden, wie es Ps 104 in vollendeter Poesie zum Ausdruck bringt. Andererseits besitzt der Mensch auch eine Sonderstellung als Ebenbild Gottes. Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a) bringt das in die Worte: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen (V. 28). Der zweite Schöpfungsbericht (Gen 2,4b-25) ergänzt: Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte (V. 15). Entgegen manch hartnäckigem Missverständniss ist der Herrschaftsauftrag an den Menschen kein Freibrief für Ausbeutung, sondern auf dem Hintergrund altorientalischer Königsvorstellungen zu verstehen: der Mensch soll sorgsam in Ackerbau und Viehzucht mit dem ihm anvertrauten Gut an Land und Tieren umgehen. Der Sabbat, an dem Gott sein Schöpfungswerk vollendet (Gen 2,1-3), ist bleibende Erinnerung an den Schöpfungsfrieden des Anfangs. Die Beachtung und Einhaltung des Sabbats durch den Menschen (vgl. die zehn Gebote Ex 20,8-11 und Dtn 5,12-15) soll zum einen dem Menschen die Freude an der Schöpfung bewahren wie ihn bremsen, das Letzte aus ihr herauszuholen. Auch wenn das Neue Testament sich auf das Heilswirken Gottes in Jesus Christus konzentriert, wird der alttestamentliche Schöpfungsglaube als selbstverständlich vorausgesetzt. In Jesus kommt Gottes Liebe zu seiner Schöpfung neu zum Ausdruck. Denn nicht nur die Menschen, sondern die gesamte Schöpfung soll an dem Erlösungsgeschehen teilhaben, wie Paulus in der ökologischen Passage des Römerbriefes (8,18-24) darlegt. Die Praxis der Gottes- und Nächstenliebe in der Nachfolge Jesu schließt einen verantwortlich sorgenden Umgang mit der Schöpfung ein.

Kirche und Schöpfung. Das Aufkommen der Umweltthematik in den 70er-Jahren zwang auch die Kirchen zu Stellungnahmen. Eine erste Verlautbarung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Jahr 1980 trug den programmatischen Titel Zukunft der Schöpfung – Zukunft der Menschheit und begann mit der Feststellung: Der Mensch darf nicht alles, was er kann. Im Jahr 1985 folgte eine gemeinsame Erklärung mit dem Rat der Evangelischen Kirche (EKD) Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung.  Auf europäischer Ebene ist das Schlussdokument der Europäischen Ökumenischen Versammlung Frieden in Gerechtigkeit (1989 in Basel) hervorzuheben. Wie der Titel deutlich macht, wird darin der Zusammenhang der ökologischen Problematik mit den Grundfragen Frieden und Gerechtigkeit behandelt. Wie eng diese Fragen miteinander verwoben sind, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung in den Industriestaaten 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen. Dieses unser Wohlstandsmodell, auf alle Menschen übertragen, würde die Kapazität der Erde überfordern. Änderungen an diesem aufwendigen Lebensstil forderte die Versammlung in Basel von allen Christen in Europa (Nr. 87). Den Weltfriedenstag am 1. Januar 1990 hatte Papst Johannes Paul II. unter das Thema gestellt Friede mit Gott, dem Schöpfer. Friede mit der ganzen Schöpfung. Es ist ein erster Beitrag zur Umweltthematik auf der Ebene der Gesamtkirche. Aus den 90er-Jahren seien für den deutschsprachigen Raum noch zwei Stellungnahmen erwähnt. Im gemeinsamen Wort von EKD und DBK zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit (1997) wird die Umweltthematik konsequent im Gesamt der gesellschaftlich anstehenden Probleme behandelt. Die Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz hat im Oktober 1998 den Text Handeln für die Zukunft der Schöpfung veröffentlicht, der versucht, Brücken zu bauen von der Lehre (christlicher Schöpfungstheologie und Umweltethik) zur Praxis. Die ökumenische Initiative Woche für das Leben im Mai 1999 stand unter dem Thema Gottes Erde – Zum Wohnen gemacht. Unsere Verantwortung für die Schöpfung.
Die biblischen Aussagen wie die Lehräußerungen der Kirchen weisen den Gläubigen einen klaren Weg zu einem verantwortlichen Umgang mit Gottes guter Schöpfung.

Konkrete Ansätze. Viele Christinnen und Christen haben in den letzten Jahrzehnten begonnen, konkret Rücksicht auf die Schöpfung zu nehmen. Das beginnt mit Kleinigkeiten wie dem Mülltrennen und der Abfallvermeidung, dem bewussten Einkauf von umweltverträglich hergestellten und fair gehandelten Produkten, der kritischen Sichtung und Änderung des eigenen Konsumverhaltens, um Energie und Ressourcen einzusparen. Dank vieler kleiner persönlichen Schritte haben Christinnen und Christen auch auf der Ebene von Verbänden und Institutionen etwas bewegt. Einige Initiativen seien stellvertretend für viele andere genannt.

Sonnensiedlung Hettstadt. Der Familienbund der deutschen Katholiken in der Diözese Würzburg hat mit 22 Familien in Hettstadt bei Würzburg ein Bauprojekt verwirklicht, in dem elf Doppelhäuser weitgehend mit regenerativen Energien versorgt werden. Die Südseite der Dächer ist mit Solarmodulen belegt, die im Jahr 1998 eine Strommenge von 53500 Kilowattstunden erzeugt haben. Zum Heizen wird – wie bei dem in der Nähe errichteten Kindergarten St. Sixtus – Erdwärme genutzt.
Eine vorbildliche Initiative ist die Hackschnitzelheizung auf Burg Feuerstein, einer Einrichtung der Diözese Bamberg, in der Fränkischen Schweiz gelegen. Seit 1997 werden die Gebäude durch ein Biomasseheizwerk beheizt. Das Holz des heimischen Waldes wird dazu genutzt. Die Verbrennung der Holzhackschnitzel verursacht weniger Schwefel- oder CO2-Emissionen und verbraucht zudem weniger Energie beim Antransport. Ein ähnliches Heizprojekt soll auch in Kirche, Schule und Lehrerhaus von Binsfeld bei Arnstein entstehen.

Neues Konsumverhalten. In Städten lässt sich eine weitere Form umweltfreundlichen Verhaltens leichter verwirklichen, das unter dem Stichwort Car-Sharing läuft: Mehrere Personen teilen sich ein Auto und zahlen neben einer Kaution und einem monatlichen Mitgliedsbeitrag nur eine entfernungs- oder zeitabhängige Nutzungsgebühr. Für alle die weniger als 15.000 Kilometer im Jahr fahren und in einer Stadt leben eine bedenkenswerte Alternative zum eigenen Wagen.
Die Welt findet sich im nächsten
Supermarkt: Trauben aus Südafrika, Erdbeeren aus Spanien, Tomaten aus Holland, Ananas von der Elfenbeinküste, Weine aus Chile und Kalifornien, Schnittblumen aus Kolumbien oder Sambia, Bananen aus Ekuador. In der Diözese Passau wurden vier Modellhaushalte ausgewählt, die ihre Erfahrungen mit dem regionalen Einkauf dokumentierten. Ziel ist eine Versorgung mit frischen gesunden Lebensmitteln aus heimischer, möglichst umweltverträglicher Landwirtschaft. Die kurzen Transportwege sparen Energie, die Nachfrage schafft Arbeit für die Produzenten vor Ort.

Unternehmen Lebensbaum. Die Diözese Würzburg und der Diözesanrat der Katholiken haben im Mai 1999 Christinnen und Christen, kirchliche Gruppen, Gemeinden und Einrichtungen eingeladen, am Unternehmen Lebensbaum mitzuwirken. Nach einer Bestandsaufnahme (was doch alles geschieht) geht es in weiteren Phasen darum Neues (zu) unternehmen und Sich (zu) vernetzen mit dem Prozess für eine lokale Agenda 21.
Die Agenda 21 ist das Schlussdokument des oben schon erwähnten Erdgipfels der UNO von Rio de Janeiro (1992). Agenda steht für Handlungsprogramm und 21 für das 21. Jahrhundert. 179 Staaten haben sich durch die Unterzeichnung verpflichtet, die Ziele einer sozial gerechten, ökologisch tragfähigen und wirtschaftlich produktiven Entwicklung der Menschheit mitzutragen. Das Leitwort für das Handeln lautet Nachhaltigkeit und fordert ein Verhalten, die Lebens- und Wirtschaftsformen so zu gestalten, dass andere Menschen weder heute noch in Zukunft ihrer Lebenschancen beraubt werden. Umweltschutz wird so wesentlicher Bestandteil weltweiter wie Generationen übergreifender Solidarität. Im Kapitel 28 der Agenda 21 werden die Kommunen aufgefordert, im Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eine kommunale Agenda 21 zu beschließen. Hier ist ein konkreter Ansatzpunkt für die Christen und die kirchlichen Gemeinden, sich an diesem Dialog und der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort einzuschalten.

Christlicher Lebensstil. Christinnen und Christen, insbesonders wenn sie zur franziskanischen Familie gehören, können dem Agenda 21-Prozess eine geistliche Dimension vermitteln. Niemand hat in der christlichen Tradition die Verbundenheit mit unserer Schwester, Mutter Erde so poetisch ins Leben übersetzt wie Franziskus. Der von ihm inspirierte Lebensstil universaler Geschwisterlichkeit kann uns Menschen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend Orientierung geben und Mut machen. S. Vesper hat einen solchen christlichen Lebensstil in neuen  Seligpreisungen ausgedrückt:

Selig, die versuchen, einfach zu leben.
Selig, die sich in der Gesellschaft engagieren, auch wo keine Orden und Posten winken.
Selig, die Freunde zu einem einfachen und preiswerten Essen einladen können.
Selig, die den Mund aufmachen, wenn hinter dem Rücken über andere gesprochen wird.
Selig, die sich auslachen lassen, wenn sie auch im Regen Fahrrad fahren.
Selig, die gegenüber Konsumverlockungen Nein sagen können.
Selig, die ihre Zeit an Menschen verschenken können.
Selig die, deren Beten Hand und Fuß bekommt.
Selig, die ein offenes Haus haben.
Selig, die gelernt haben, dass Verzicht nicht Kasteiung, sondern Gewinn und Tiefe bedeutet.

 Die kirchlichen Dokumente sind zu beziehen über: Sekretariat DBK, Kaiserstr. 163, 53113 Bonn.

Zu Agenda 21 und Kirche informiert: M. Vogt, Der Zukunft Heimat geben – Pfarrgemeinden im Agenda-21-Prozess, Clearingstelle Kirche und Umwelt, 83671 Benediktbeuern.

Informationen zum Unternehmen Lebensbaum bei: E. Gumpert, Umweltbeauftragter der Diözese Würzburg, Kürschnerhof 2, 97070 Würzburg.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016