Franziskus-Handschriften restauriert
„Wir alle haben die große Hoffnung, dass Papst Franziskus die Vereinten Nationen besucht, es könnte im September 2015 sein“, so der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls im Glaspalast, Erzbischof Bernardito Auza. Die wertvollsten franziskanischen Handschriften aus dem Sacro Convento in Assisi werden bereits in einer Ausstellung in New York gezeigt. Zuvor wurden sie in der Werkstatt der Benediktinerabtei Praglia restauriert.
Noch bis zum 14. Januar sind 19 unvorstellbar wertvolle Manuskripte aus Assisi in der Brooklyn Borough Hall von New York ausgestellt. Zuvor waren sie vom 17. bis 28. November am UN-Hauptquartier der Vereinten Nationen in Manhattan zu sehen. Die Ausstellung unter dem Titel „Frate Francesco – Spuren, Worte, Bilder“ zeigt 13 Manuskripte und sechs päpstliche Dokumente aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Mit „Spuren“ sind authentische Texte des heiligen Franziskus in ihren frühesten erhaltenen Fassungen gemeint, mit „Worte“ Lebensbeschreibungen des Poverello von frühen Autoren, mit „Bilder“ prächtige Miniaturen des Heiligen aus Assisi in liturgischen Büchern.
FONDO ANTICO, CODEX 338
Alle 19 Exponate dieser exklusiven Ausstellung stammen aus dem Fondo Antico der Bibliothek des Sacro Convento von Assisi. Den Liebhabern von Bibliotheksschätzen dürften die Herzen höher schlagen allein bei der Nennung einiger dieser Pretiosen. So enthält der Codex 338 als Miscellanea (Mischung) die früheste erhaltene Fassung der Schriften des heiligen Franziskus, unter anderen die zwölf Kapitel der Regula Fratrum Minorum, der Ordensregel, die 1223 von Papst Honorius III. bestätigt wurde. Weiterhin finden sich im Codex 338 die Laudes creaturarum (Lobpreis der Geschöpfe), im Italienischen bekannt unter Cantico delle Creature, im Deutschen als „Sonnengesang“ – immerhin das älteste Werk in antiker italienischer Volkssprache und zugleich die älteste Dichtung der italienischen Literatur.
In der Abteilung „Worte“ werden die ältesten Biographien des heiligen Franziskus gezeigt, so ein Fragment der Vita beati Francisci des Thomas von Celano aus dem Jahr 1229, oder dessen zweite Lebensbeschreibung Memoriale in desiderio animae von 1247. Natürlich auch die Legenda Maior und die Legenda
Minor, verfasst vom heiligen Bonaventura in einer Kopie zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Und schließlich die in der Volkssprache entstandenen Fioretti di san Francesco, die berühmten „Blümlein“.
RESTAURIERT IN PRAGLIA
Nach 700 Jahren verlassen diese wertvollen Handschriften zum ersten Mal Italien; für die Reise nach New York mussten sie „feingemacht“ werden. Auf Anfrage gab P. Alberto Fanton, Direktor der Biblioteca Antoniana in Padua, den Brüdern in Assisi den Tipp, mit dieser heiklen Aufgabe Don Pierangelo Massetti OSB aus der Benediktinerabtei von Praglia am Fuße der Euga-neischen Hügel zu beauftragen, der ein Jahr zuvor die Kanonisierungsbulle des heiligen Antonius perfekt restauriert hatte.
Besondere Mühen gaben sich Don Pierangelo Massetti OSB und seine Kollegen Cristiano Ballan OSB, Alberto Benato und Gloria Biasin mit dem Codex 338. Sie entfernten den Buchrücken und lösten die Bindung der einzelnen Bögen, säuberten alles mit einem sehr weichen Pinsel und reparierten die beschädigten Stellen mit feinem Japanpapier und leichtem Vliesstoff. Wo sich die Tinte vom Pergament gelöst hatte, musste sie wieder konsolidiert werden; wo die Tinte das Pergament durch Korrosion beschädigt hatte, wurde mit unterlegtem Vliespapier repariert; kleine Löcher wurden mit japanischem Papier ausgebessert. Die geglätteten Pergamentbögen wurden fachgerecht mit doppeltem Hanfgarn wieder zusammengeheftet.
ABSOLUTE GEHEIMHALTUNG
Die Restaurierung samt Transport von Assisi nach Praglia und zurück kostete immerhin 40.000 Euro, darin enthalten die Versicherungspolice, denn die Handschriften waren für die Zeit in Praglia (23. Juni – 10. November 2014) mit einem Wert von 15 Millionen Euro versichert. Private Spender hatten diese Summe aufgebracht. Eine kuriose Folge war die strenge Geheimhaltung, selbst die 35 Mönche seiner Abtei informierte Don Pierangelo erst nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten darüber, welche Schätze im Tresor der Werkstatt lagerten. Kein Krimineller sollte durch unvorsichtige Äußerungen Wind davon bekommen. Das handlich-kleine Memoriale des Thomas von Celano etwa hätte ein als frommer Besucher getarnter Dieb leicht unbemerkt in die Manteltasche stecken können.
Auch wir vom Messaggero erfuhren erst post festum von der Restaurierung. Verlagsdirektor P. Fabio Scarsato gelangen bei seinem Besuch in Praglia die schönen Fotos von den herrlichen Manuskripten und ihren Ledereinbänden (die Metallköpfe dienen der Schonung beim Aufschlagen). Uns „deutschen“ Besuchern widmete Don Pierangelo eine sonntägliche Stunde. Mit mir waren gekommen P. Giampaolo Pinato, der in Würzburg Theologie studiert hatte; Dr. Ada Gehann, Musikdozentin in Tübingen und Herausgeberin von Sammartini-Kompositionen; Dorothee Goldbach, Redaktionssekretärin, die mit ihrer Familie nahe bei Praglia wohnt und Don Pierangelo bereits kannte, als ihren ehemaligen Pfarrer. Wir alle können die Empfehlung von Bibliotheksdirektor P. Alberto Fanton nur bestätigen. Die Abtei Praglia ist einen Besuch wert, und Don Pierangelo Massetti OSB ist ein begeisterter und kompetenter Restaurator, den man auch mit heiklen Aufträgen betrauen kann.