Frauen und Amt

06. Januar 2020 | von

Ob „Maria 2.0“ oder eine Ortsgruppe des Katholischen Deutschen Frauenbundes oder junge Frauen aus Jugendverbänden – derzeit gehen viele Frauen auf die Straße, um ihre gleichberechtigte Teilhabe an kirchlichen Ämtern einzufordern. Zu Recht! Es ist ja eine unbestreitbare Tatsache: Frauen machen etwa die Hälfte der Menschheit aus. Der aktive Anteil von Frauen in den katholischen Gemeinden vor Ort ist aber ungleich höher als der Anteil der Männer. Ohne die Frauen, die den Mesnerdienst verrichten, die verlässlich Erstkommunion- und Firmkatechese machen, die sich Woche für Woche als Leiterinnen von Wortgottesdiensten in Anspruch nehmen lassen, die sich um Alte, Kranke und Zugezogene kümmern, die sich als Lektorinnen und Kommunionhelferinnen engagieren, die in Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen mitarbeiten: Ohne all diese Frauen und ihr verlässliches Engagement hätte manche Gemeinde schon längst Konkurs anmelden müssen – vielleicht nicht wegen fehlendem Geld, das sowieso meist von Männern verwaltet wird, sondern wegen fehlenden Gläubigen. Ohne zu übertreiben, kann man sagen, dass es sehr oft Frauen sind, die eine Gemeinde zusammenhalten, und oft tun sie das im Verborgenen – nicht, weil sie das Licht scheuen würden, sondern weil es manchen Geistlichen und männlichen Laien ganz recht ist, wenn die Frauen mit ihrem Engagement im Hintergrund bleiben.

 

Offiziell auf der Tagesordnung

Die Deutsche Bischofskonferenz hat endlich auf diese Situation reagiert und mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken verabredet, dass im Rahmen des sogenannten 

„Synodalen Weges“, der am ersten Adventssonntag 2019 offiziell begonnen wurde, ein eigenes Forum mit dem Thema „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ eingerichtet wird. Aber auch das Forum „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ dürfte genügend Gesprächsstoff über den Platz der Frauen in der Kirche bieten. Die Fragen, ob Frauen ein Amt in der Kirche ausüben können und ob sie eventuell sogar zur Diakonin oder Priesterin geweiht werden können, diese und ähnliche Fragen stehen nun ganz offiziell auf der kirchlichen Tagesordnung.

 

Nachhilfe zum Amtsbegriff

Als Kirchenrechtler fällt mir auf, dass bei dem geplanten Forum wieder von Diensten und Ämtern für Frauen die Rede ist. Diese Redeweise entspricht einem krampfhaften Bemühen der deutschen Bischöfe, im Zusammenhang mit Laien – Männern und Frauen – den Begriff „Amt“ zu vermeiden. Bischöfe können sich ein Amt in der Kirche offensichtlich nur als geweihtes Amt vorstellen. Und deshalb bestehen sie zum Beispiel in der Rahmenordnung für die Pastoral- und Gemeindereferenten darauf, dass Laien nur „Dienste“ in der Kirche übernehmen können. Wenn sie das im Rahmen eines kirchlichen Berufs als Pastoral- oder Gemeindereferentinnen tun, dann sind sie in bischöflichen Papieren „Hauptberufliche“, aber keinesfalls „Hauptamtliche“! In der Perspektive der Bischöfe heißt es folglich: Ja, Frauen können Dienste in der Kirche ausüben, auch im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit, ein Amt können sie aber nicht übernehmen – das müsste im Übrigen auch auf der Ebene der Weltkirche entschieden werden.

Da möchte man gerne Nachhilfe geben: Das II. Vatikanische Konzil hat in der dogmatischen Konstitution über die Kirche in Nr. 33 erklärt, dass Laien die Befähigung haben, von den Bischöfen zu bestimmten Kirchenämtern herangezogen zu werden, die geistlichen Zwecken dienen. Auf deutsch: Laien können Ämter, Kirchenämter übertragen werden, die der Verwirklichung der Sendung der Kirche dienen. Dem entsprechend formuliert c. 228 § 1 CIC (= Codex Iuris Canonici; Gesetzbuch der Lateinischen Kirche): „Laien, die als geeignet befunden werden, sind befähigt, von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen.“ Das ist also geltendes Recht in der Kirche, dass Laien – Frauen und Männern gleichermaßen – Kirchenämter übertragen werden können. Das gilt nicht für alle Ämter, sondern nur für solche, für die nicht der Empfang einer Weihe vorausgesetzt wird. Nach geltendem Recht können Frauen zum Beispiel kirchliche Richterinnen sein, sie können Ordinariatskanzlerin oder Hauptabteilungsleiterin im Ordinariat sein, sie können sogar Generalsekretärin der Bischofskonferenz sein – und sie können Pastoral- oder Gemeindereferentin in einer Pfarrei oder Pfarreiengemeinschaft sein.

 

Amt im Namen der Kirche

Warum ist es so entscheidend, auf dem Begriff „Amt“ oder „Kirchenamt“ zu beharren, warum reicht nicht „Dienst“? Zum einen zeigt die Erfahrung, dass Männer sich nicht mit Diensten zufriedengeben, sondern immer nach einem Amt streben und „Amtsträger“ sein wollen, während Frauen oft mit „Diensten“ abgespeist werden, die gegenüber dem „Amt“ als zweitrangig erscheinen. Zum anderen ist das Kirchenamt in c. 145 CIC rechtlich klar geregelt: Es wird entweder kraft göttlichen oder kraft kirchlichen Rechts in der Kirche auf Dauer eingerichtet. Es dient dazu, einen Teil der Sendung der Kirche zu verwirklichen. Ein Kirchenamt umfasst ein bestimmtes Bündel von Aufgaben, Pflichten und Rechten. Was davon zu einem konkreten Kirchenamt gehört, muss rechtlich umschrieben sein, das heißt, dass ein Amtsträger das Recht darauf hat, dass sein Aufgaben- und Pflichtenkreis verlässlich definiert ist. Und noch etwas ganz Entscheidendes: Jeder Amtsträger, ob Geistlicher oder Laie, ob Frau oder Mann, übt seine Aufgaben im Namen der Kirche und nicht einfach nur privat aus.

 

Hilfskraft oder Eigenständigkeit?

Und was macht nun den Unterschied in der Praxis aus? Wenn beispielsweise eine Gemeindereferentin von Seiten der Diözese als Leiterin für Beerdigungsfeiern ausgebildet wurde und die Stelle, die ihr vom Bischof in einer bestimmten Pfarrei übertragen wurde, den Beerdigungsdienst als Aufgabenbereich mit umfasst, dann hat sie das Recht und die Pflicht, Beerdigungen zu feiern, und zwar unabhängig davon, ob das dem zuständigen Pfarrer passt oder nicht. Im Notfall kann sie dieses Recht sogar bei der Diözese einklagen. Wenn der Beruf der Gemeindereferentin aber nur als „Dienst“ verstanden wird, dann ist sie nicht mehr als die Gehilfin des Pfarrers, die oft genug das tun muss, was dieser selbst nicht tun kann oder will. Eigenständigkeit, Gestaltungsmöglichkeiten, Anerkennung – das alles ist mit dem bloßen „Dienst“ weithin ausgeschlossen.

Kirchenrechtlich ist also klar: Frauen können Ämter in der Kirche ausüben. Frauen können kirchliche Amtsträgerinnen sein. Frauen können demzufolge selbständig Aufgaben in der Kirche übernehmen und diese eigenverantwortlich ausüben und gestalten. Frauen können im Namen der Kirche handeln.

Das Wissen darum und vor allem eine kirchliche Praxis, die mit diesem Wissen ernst macht und wertschätzender mit Frauen und mit den von ihnen ausgeübten Aufgaben umgeht, könnte manchen falschen Ton aus den aktuellen Debatten nehmen. Die Frage, ob Frauen eventuell zu Diakoninnen oder Priesterinnen geweiht werden können, ist damit natürlich noch nicht beantwortet; diese Antwort zu finden, ist zudem die Aufgabe des kirchlichen Lehramtes. Allerdings: Wenn man davon ausgeht, dass Frauen schon Amtsträgerinnen sind, dann geht es nicht mehr um alles oder nichts, sondern dann geht es eventuell um weitere Schritte.

Zuletzt aktualisiert: 06. Januar 2020
Kommentar