Göttliches Recht auf Leben

02. August 2010 | von

 In den Medien und in politischen Programmen häufen sich Warnungen vor dem weltweiten Kollaps der Lebensgrundlagen der Menschheit durch die Übervölkerung der Erde. Sie sei schuld am Hunger in den Entwicklungsländern und an der Zerstörung des Planeten. Als Problemlösung wird die Geburtenkontrolle propagiert. Dahinter steckt die Angst der Reichen um ihren Besitzstand, wenn immer mehr Arme und Schwache ihre Rechte einfordern. Tatsächlich wächst aber auf dem „Acker Erde" genug für alle. Doch die meisten haben keinen Zugang zu den Ressourcen. Ein Plädoyer für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Leben und seinen Grundlagen. 



Harry und Sandra, ein junges Paar, sagten mir neulich: „Seien Sie einmal ehrlich, angesichts der drohenden Übervölkerung unserer Erde dürfen wir doch kein Kind mehr in die Welt setzen!" Mir wurde plötzlich bewusst, dass eine seit Jahren laufende Panikmache schon konkrete Wirkung zeigt. Unsere Gesellschaft leidet unterschwellig an Zukunftsängsten. – Nein, nicht die Angst vor ihrem Schicksal nach dem Tod, sondern die Furcht vor drohendem Wohlstandsverlust treibt sie um. Solche von Besitzegoismen bewegten Ängste bieten einen bewährten Nährboden für die Anbahnung einer Anti-Life-Mentalität und Vorbereitung ihrer ideologischen Argumente.



Störfall Kind?



Wenn wir die ideologischen Systeme hinterfragen, welche heute den Ton angeben, und die Normen und Forderungen, die sie mit Hilfe der Massenmedien ins Denken der Menschen bringen, dann wird eine Manipulation unseres Denkens aufgedeckt: Aus persönlicher Verantwortung ein Kind als Geschenk Gottes anzunehmen, gilt heute als naiv. Die so denken, stoßen auf breites Unverständnis: „Kinder nimmt man heute nicht mehr um ihrer selbst willen an", so heißt es. Vielmehr geht es bei Zustimmung für oder Ablehnung von neuem Leben darum, ob es erwünscht ist oder nicht. Dabei hängt eine solche Entscheidung auch davon ab, ob es das „Wohl" einzelner Menschen und der Gemeinschaft angeblich so fordert. Deshalb kommt es dazu, dass sich im Denken vieler junger Menschen bereits frühzeitig – nicht zuletzt durch einen einseitig gesteuerten Sexualkundeunterricht – ein Warnschild eingenistet hat: Vorsicht! Verhütung! Warnung vor Kindern! Warnung vor zu vielen Menschen! Der Platz auf unserer Erde wird knapp!



In der Tat formiert sich insbesondere in der westlichen Welt eine Einstellung, welche die Entstehung eines Kindes als unerwünschten „Störfall", die Erziehung von Kindern als „Belastung", die Immigration armer Menschen aus Hungerregionen als unerwünscht sowie die Betreuung pflegebedürftiger Alter als „Zumutung" wertet. Da wundert es nicht, dass auf einem Symposium in London zum Thema „Zukunft der Erde" menschliches Leben als „Krebsgeschwür unseres Planeten" gebrandmarkt wurde.



Verkehrte WeltorDnung



Die Frage drängt sich auf: Sind wir nicht dabei, Gottes Weltordnung auf den Kopf zu stellen? Ist der Mensch nicht mehr die Krone der Schöpfung? Selbstverständlich gibt es noch eine Menge Probleme zu bewältigen. Wir müssen verantwortungsvoll mit der Schöpfung umgehen. Aber die Lösung kann doch nicht sein, dass die Menschheit sich selbst so lange dezimiert, verhindert und tötet, bis schließlich die paar übriggebliebenen Mächtigen und Privilegierten ohne schlechtes Gewissen ihr Konsumleben in Saus und Braus weiterführen können. Verantwortung für das Leben auf dieser Erde heißt zuallererst Verantwortung für alle Mitmenschen, indem wir Verzicht leisten, von unseren angehäuften Gütern abgeben, teilen, Opfer bringen, damit schließlich alle Menschen in ihrer Existenz respektiert und ihnen ein Leben in Würde ermöglich wird. Was aber tun wir stattdessen? Aus einer Position wirtschaftlich-industrieller Macht heraus drängen wir den armen Ländern Sterilisationskampagnen und Abtreibungsprogramme auf, um Mitmenschen zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen, die uns durch ihre bloße Existenz den Genuss unseres Luxus vermiesen könnten.



Genug für alle



„Aber die Weltbevölkerung wächst doch rapide an", gaben Harry und Sandra zu bedenken. „Ist nicht die wachsende Erdbevölkerung am Hunger schuld und daher lebensbedrohend?" – „Höchstens bei vordergründiger Betrachtung", erwiderte ich. „Die düsteren Alarmrufe und Warnungen vor einer katastrophalen Nahrungsmittelverknappung sind letztlich unehrlich und irgendwie absurd. In den westlichen Ländern zum Beispiel wird die Nahrungsmittelproduktion begleitet von der Diskussion darüber, wie man Flächen stilllegen und die Überproduktion von Nahrungsmitteln reduzieren soll. In Europa wurden kürzlich Felder mit Unmengen ‚überflüssiger‘ Milch gedüngt."



Tatsache ist: Unsere Welt hat insgesamt genügend Ressourcen an Nahrungsmitteln. Der indische Wissenschaftler Raj Krishna sagte: „Indien könnte seine Ernteerträge so weit steigern, dass es die Nahrungsmittelproduktion der ganzen Welt zu übernehmen in der Lage wäre." Die vorhandene landwirtschaftlich nutzbare Fläche bringt schon heute so viele Erträge, dass alle Menschen unseres Planeten genug zu essen hätten, durch Innovationen, neue Züchtungen und Anbaumethoden könnten sie noch gesteigert werden. Trotzdem hungern weiterhin Menschen. Para-

doxes Beispiel ist Indien: Das Land mit den meisten Hungernden in der Welt gehört zu den zehn größten Getreide-Exporteuren. Die Ursachen liegen woanders: Kriege, Vertreibungen, ideologisch verhängnisvolle Staatsprogramme, Korruption, ungerechtfertigte Gegensätze zwischen Arm und Reich, Ausbeutung, Selbstbereicherung in so genannten Spitzenberufen und politische Skandale vielerorts. Anstatt die Zahl der Menschen zu reduzieren, sollte man lieber solchen Zuständen und Entwicklungen den Kampf ansagen. Allein dadurch könnten viele Millionen Menschen wieder würdig leben.



Auch der Wohn- und Lebensraum auf unserer Erde wird noch lange nicht zu eng. Unser Planet bietet noch für viele Menschen Platz. Der bewohnte Raum (Meere, Seen und Gebirge nicht mit einberechnet) ist im Vergleich zum unbewohnten winzig. Bei den heutigen Mitteln der Technik kann man Lebensraum auch dort schaffen, wo man dies noch vor wenigen Jahren für unmöglich hielt. Nach neueren Erkenntnissen des „Club of Rome", der 1972 düstere Prognosen zu den Grenzen des Wachstums stellte, gibt es den angeblichen Mangel an Raum, Nahrung und Ressourcen nicht. Die meisten Argumente der Übervölkerungshysterie sind also in Bezug auf die Lebensperspektive der Menschheitsentwicklung haltlos. Wenn die immer noch reichen Völker gerecht und in einer aus dem Herzen kommenden Nächstenliebe Opfer bringen würden, wäre eine gute Basis der Problemlösung bereits erreicht.



Mir brennt noch ein Gedanke im Herzen: Sollten wir nicht allen Ernstes auch einmal die Frage deutlich ins Bewusstsein rücken, woher das Leben kommt? Wer setzt Menschen in Existenz? Wer trägt die ureigene Verantwortung beim Entstehen neuer Menschen? Wer erschafft sie? Ist es nicht Gott? Sicherlich wirken Mann und Frau mit und nehmen ihrerseits Verantwortung wahr. Aber Gott ist doch der zentrale Urgrund der Existenz jedes neuen Menschen. So betrachtet, macht unsere Anti-Life-Hysterie Gott zumindest unterschwellig den Vorwurf: „Du handelst da verantwortungslos! Deine Erde hat keinen Platz für so viele! Mach doch ein Ende mit der Erschaffung immer neuer Menschen!" Bei diesem Vorwurf bleibt es nicht. Wir geben nämlich Gott gleichzeitig zu verstehen, dass sein Handeln korrekturbedürftig sei. Vernichten wir nicht das von ihm in Existenz gerufene Leben gleich wieder, wenn es uns stört?



Betrachten wir diese ganze Bewusstseinsmanipulation gegen das Leben einmal genauer, so begegnen uns hauptsächlich zwei Schlagworte. Diese hören sich zunächst positiv und harmlos an. Jedoch beinhalten sie bei kritischer Hinterfragung einen unverhohlenen „Anti-Life-Trend". Da ist zunächst die viel proklamierte „Geburtenplanung" innerhalb einer sogenannten „Neuen Weltordnung". Erklärte Teilziele sind dabei das Management des Lebens auf dieser Erde, seine Steuerung, Planung, Verhinderung oder Beseitigung – mittels Gesetzen wohlgemerkt. Eine Reihe von Organisationen haben hierzu Strategien entwickelt und propagieren ihre Vorstellungen. Massiv unterstützt werden sie von öffentlichen Medien und politischen Kräften. Eines der immer wiederkehrenden Argumente lautet: „Die Zahl der Menschen wächst. Wir benötigen mehr Flächen für Nahrung und Wohnung. Rohstoffe und Wasser werden knapp. Die Umweltbelastung steigt." Solche Aussagen sind ansatzweise zwar einleuchtend, da wir uns einer weltweiten Verantwortung nicht entziehen dürfen. Die Konsequenz jedoch, die uns hartnäckig aufgeschwätzt wird, hat eine deutlich ideologische Schlagseite: Sie zielt nämlich vorrangig auf reglementierte und verordnete Fruchtbarkeitsverhinderung ab.



Leben weggeplant



Familienplanung in Verantwortung vor Gott, gegenüber den eigenen Kindern und der Gemeinschaft entspricht einer christlichen Lebenshaltung. Jedes Ehepaar sollte über die Zahl seiner Kinder in diesem Bewusstsein entscheiden dürfen. Wie die Anti-Life-Bewegung aber diese Eigenverantwortung heute durch mediengestützte Steuerung einseitig motiviert, geht über die Toleranzgrenze des ethisch Erträglichen hinaus. Da startete vor kurzem in den USA eine Werbekampagne, die in Wort und Bild den Wert des menschlichen Lebens in Frage stellt. Wenn in einem darin vorkommenden „Familienspiel" ein Würfel „Leben" neues menschliches Leben ankündigt, vernimmt man im Hintergrund eine Stimme, die vor Katastrophen im Zusammenhang mit diesem Kind warnt: „Nun ist der Urlaub futsch, nun ist das Wohnzimmer dahin, nun kannst du das neue Auto vergessen!" Innerhalb dieser Werbekampagne gibt es auch groß aufgemachte Anzeigen: „Genieße deine Freiheit! Wenn du Kinder hast, gibst du vieles von dieser Freiheit auf."



Das zweite Schlagwort lässt sich unter „Abtreibung und Euthanasie" zusammenfassen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass Abtreibung heute auch offiziell als eine Maßnahme der Geburtenkontrolle angesehen wird. Für die Entwicklungsländer wird dies zum Beispiel von Gremien der WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) ganz offen so gewünscht. Und es gibt auch schon neue Möglichkeiten der Abtreibung wie die „Pille danach", welche Politiker hierzulande als „humane Form" der Geburtenregelung bezeichnen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch „unproduktive" Alte, unheilbar Kranke und alle „unnützen" Behinderten als sozial schädlich gelten und mit wohlformulierten Gründen in Euthanasieprogramme abgeschoben werden.





Egoismus pur



Machen wir uns nichts vor! Hinter alledem stehen unverhüllt massive egoistische Abwehr-Ängste vor dem Leben, nicht dem eigenen, sondern vor dem Leben, das die anderen Menschen – ganz winzige und alte – leben möchten. Deren Leben könnte ja den zur lieben Gewohnheit gewordenen eigenen Konsum- und Lebensstandard bedrohen. Wachen wir endlich auf! Hat nicht jeder von Gott in seine Existenz gebrachte, mit Leib und Seele erschaffene Mensch ein göttliches Recht auf sein Leben? Wer hat ein Recht, dieses göttliche Recht zu missachten?



Der tiefste Grund für den Druck, Geburtenplanungsmaßnahmen mit Hilfe von Sanktionen zu fordern, ist „die Verteidigung des Besitzes der Industrieländer gegen die unerwünschte Schar der Erben aus der Dritten Welt, die man als Bedrohung des eigenen Besitzstandes und des einmal eingespielten ungeschmälerten Gebrauchs der Güter dieser Welt fürchtet" (Papst Benedikt XVI.).

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016