Heidedichter, Naturfreund und Dandy
Am 26. September jährt sich der Todestag von Hermann Löns zum 100. Male. Rund 600 Straßen, 80 Plätze und 125 Schulen sind nach ihm im deutschsprachigen Raum benannt. Sei es durch Haltestellen, Parks, Denkmäler oder die Verfilmungen seiner Stücke – der Name ist uns in irgendeinem Zusammenhang geläufig.
Hermann Löns war nicht nur Dichter, sondern engagierte sich als Natur- und Heimatschützer, war Jäger, Maler und schon zu Lebzeiten ein angesehener Autor. Seine Biographie ist geprägt von Brüchen, aber auch immer wieder von Neuanfängen. Ähnlich verhält es sich mit der Rezeptionsgeschichte seines universalen Erbes.
FAMILIENPROBLEME
1866 wurde Hermann Löns in Westpreußen als ältester Sohn von 13 Geschwistern eines Gymnasiallehrers geboren. Nach der Versetzung des Vaters kam die Familie nach Münster, wo Löns 1887 sein Abitur bestand. Er begann ein Medizinstudium in Greifswald, wechselte aus finanziellen Gründen nach Göttingen und kehrte letztendlich auf Drängen des Vaters nach Münster zurück, um sich dort an der Universität für Mathematik und Naturwissenschaften einzuschreiben. Einen Studienabschluss erlangte Löns nicht, was zum Bruch mit seinem Vater führte. Nicht nur das Studium litt unter seinem Alkoholkonsum, auch seine beiden Ehen zerbrachen an seinem exzessiven Charakter. Er schlug seiner zweiten Ehefrau und deren jüngerer Cousine eine Ménage à trois vor, einige Zeit darauf wurde er von seiner Frau, der Heimatschriftstellerin Hanna Fueß, verlassen. Gekränkt verweigerte Löns die Zahlung von Alimenten für seinen körperlich und geistig behinderten Sohn Dettmer und flüchtete, indem er sich ein Jahr auf Reisen begab. Gegen Ende dieser Auszeit heuerte er bei kleineren Tageszeitungen an, wurde dort aber wegen Unpünktlichkeit und Alkoholsucht entlassen. Sechsundvierzigjährig kehrte Löns nach Hannover zurück und ging eine Lebenspartnerschaft mit der 24 Jahre jüngeren Ernestine Sassenberg ein, dem ehemaligen Kindermädchen der Familie.
JOURNALIST UND DICHTER
Seine Karriere scheint ab 1892 eine Wendung zu nehmen. Mit Leidenschaft und Ehrgeiz arbeitete er sich vom freien Mitarbeiter zum Chefredakteur beim Hannoverschen Anzeiger hoch. Nach erneuten Wechseln zu anderen Zeitungen erntete er endlich Aufmerksamkeit und Anerkennung. Löns wurde als angesehener Journalist, Buchautor, Dichter und Naturliebhaber wahrgenommen. Sein Markenzeichen waren weiße Anzüge, sodass er in den gehobenen Kreisen, in denen er nun verkehrte, als Dandy galt. In dieser Zeit unternahm er die ersten Ausflüge in die Lüneburger Heide und hielt Eindrücke und Gefühle in Gedichten fest. Unter anderem entstanden „So schreit meine Seele“ und „Auf der Lüneburger Heide“, das heute im Standardrepertoire vieler Gesangsvereine erklingt und vor allem in Norddeutschland zu Volksfesten angestimmt wird.
ALS KRIEGSFREIWILLIGER GEFALLEN
Modellhaft schöpfte der Stadtmensch Löns aus der Natur seine Kraft und bewunderte sie, wie man in seinen Gedichten nachlesen kann. Dies bedient ein Unsicherheitsgefühl während der wachsenden Industrialisierung zu seiner Zeit. Die Natur und das Land stehen als unveränderbare Sicherheit den unsteten städtischen Lebensverhältnissen gegenüber und bieten Vertrautheit.
1906 beendete er die Anstellung im beschaulichen Bückenburg als Chefredakteur der regionalen Zeitung nach kurzer Zeit, um dann als freier Autor wieder in Hannover zu leben. Zwar entstanden einige seiner bedeutendsten Werke, wie etwa das Tierbuch Mümmelmann, seine Arbeitsauffassung brachte ihn jedoch an die Grenzen. Löns arbeitete Tag und Nacht wie im Wahn, sodass er wegen eines Nervenzusammenbruchs in einem Sanatorium behandelt werden musste. 1914 stellte er sich als Kriegsfreiwilliger zur Verfügung und bestand darauf, an direkter Front zu kämpfen. Bei der verlustreichen Schlacht in Marne fiel er noch im selben Jahr.
ERSTER NATURSCHÜTZER
Analog zu seinem unsteten Leben ist bis heute nicht ganz klar, wo Löns nun begraben ist. Nachdem er in einem Massengrab in Frankreich beigesetzt wurde, wurden seine vermeintlichen Überreste von den Nationalsozialisten exhumiert und aus propagandistischen Gründen in der Lüneburger Heide begraben, ohne dass eine Identitätsprüfung stattgefunden hatte.
Obschon Löns‘ literarisches Werk für viele Menschen bis heute von identitätsstiftender Funktion ist, muss er aus zwei verschiedenen Blickwinkeln gesehen werden. Auf der einen Seite wurde er nicht ganz unbegründet von den Nationalsozialisten funktionalisiert. Andererseits war er Kind seiner Zeit. Hermann Löns äußerte sich zu Lebzeiten völkisch-rassistisch. Gepaart mit seiner Heimatverbundenheit, war er so für die Nationalsozialisten ein fruchtbarer Nationalheld und wurde in die germanische Tradition eingereiht.
Wie es sich für einen Dandy gehört, polarisiert Hermann Löns bis heute. Inzwischen scheint die Figur Hermann Löns jedoch eine Rehabilitierung erfahren zu haben: Der Mythos Löns als Heidedichter drängt stärker in den Vordergrund. Er gilt zudem als einer der ersten Naturschützer, weil er sich für die Einrichtung des ersten deutschen Naturparks einsetzte. Seine detaillierten Naturbeschreibungen sowie sehnsuchtsvollen Gedichte zur Lüneburger Heide zeugen von hoher lyrischer Finesse und zeigen seine Zuneigung zu dieser Landschaft.