Heiße Luft verleiht Flügel

23. Juni 2008




Vor 225 Jahren erfüllte sich in Frankreich der alte Menschheitstraum vom Fliegen. Im Wettstreit um die Eroberung der Lüfte baten im selben Jahr zwei Tüftlerteams zur Premiere. Die Brüder Montgolfier präsentierten der Welt erstmals ihren schwebenden Heißluftballon, während kurz darauf Jaques Charles einen Gasballon aufsteigen ließ.



 



Jungfernfahrt. Die Brüder entwickelten einen mit Papier gefütterten Ballon aus Leinwand. Weil man dachte, im Rauch liege das Gas, wurde der Ballon durch ein stark qualmendes Feuer aus Stroh und Schafwolle aufgebläht und stieg am 5. Juni 1783 in Annonay, der Heimat der Brüder Montgolfier, auf. Das war die Jungfernfahrt des Heißluftballons, der sogenannten Montgolfière. Die Kunde davon drang nach Paris bis zum Königshof Ludwigs XVI. Er lud die Brüder zur Vorführung nach Paris ein. Gleichzeitig war die Pariser Akademie der Wissenschaften aufgeschreckt und ihr Ehrgeiz entfacht. Geld wurde bei der Pariser Bevölkerung gesammelt und das Akademiemitglied Jacques Charles beauftragt, selbst einen Ballon zu entwickeln.



 



Brennbare Luft. Charles war ein in Forschung und Lehre geschätzter Physiker, nach dem später sogar ein physikalisches Gesetz benannt wurde. Vielleicht wusste er gar nicht, dass die Montgolfière mit Heißluft gefüllt war. Jedenfalls dachte er an einen anderen Antrieb, an ein Gas, das ein englischer Chemiker erst wenige Jahre zuvor entdeckt hatte: Wasserstoffgas, vierzehnmal leichter als Luft, geruchlos, aber hochexplosiv, deshalb damals „brennbare Luft" genannt. Der französische Chemiker Lavoisier hatte herausgefunden, dass „brennbare Luft" entstand, wenn man Metalle in Säuren ätzte. Charles gewann das Gas, indem er Schwefelsäure über Eisenspäne goss. Wie aber war Wasserstoffgas im Ballon zu bannen? Stoff ist zu durchlässig. Charles arbeitete mit den Handwerkerbrüdern Robert zusammen, die Seide gummierten, damit sie luftdicht wurde. Am 27. August stieg in Paris der erste Wasserstoffballon auf und trieb gleich 22 Kilometer weit aufs Land. Dort wurde die „Charlière" ein Opfer aufgebrachter Bauern. Sie zerstachen und zerfetzten das vermeintliche Ungetüm mit Mistgabeln und Sensen.



 



Die ersten Flieger. Jetzt begann der Wettlauf der Brüder Montgolfier mit Charles um die erste bemannte Luftfahrt. Im September starteten die Brüder Montgolfier einen Heißluftballon mit Tieren an Bord. Unterdessen suchte man nach wagemutigen Freiwilligen. Die Brüder selbst scheuten die Gefahr. Zum Tode verurteilte Strafgefangene waren im Gespräch. Ihnen sollte als Belohnung die Todesstrafe erlassen werden. Aber dies traf auf Widerstand. Sollten Verbrecher den Ruhm der ersten Luftfahrer davontragen? Zwei junge Adelige meldeten sich freiwillig. François Pilâtre de Rosier und der Marquis d’Arlandes stiegen am 21. November am Rande von Paris auf und überquerten die Stadt.



Zehn Tage später zog Charles nach. Er hatte gründlich gearbeitet. Sein Wasserstoffballon war so gut durchdacht, dass er zum Prototyp wurde für die künftigen Ballons. Um die abgedichtete Ballonhülle spannte sich ein Netz, an dem der Fahrkorb hing. Vom Korb aus führte ein Seil zu einer Klappe am Pol des Ballons. Über dieses Ventil konnte man Gas ablassen, dann sank der Ballon. Sollte der Ballon steigen, so warf man Sandsäcke ab. Mit einem Barometer ließ sich die Höhe des Gefährts bestimmen.



 



Der Erde entflohen. Am 1. Dezember 1783 bestieg Charles mit einem der Brüder Robert den Fahrkorb. Charles berichtete einem Pariser Journal: „Nichts wird jemals mit dem Anflug von Fröhlichkeit zu vergleichen sein, die mein ganzes Wesen durchdrang, als ich empfand, dass ich der Erde entfloh. Es war kein Vergnügen, es war Glückseligkeit." 40 Kilometer fuhren die beiden übers Land. Nach einer Landung startete Charles noch einmal alleine – die erste luftige „Alleinfahrt" eines Menschen. Er wollte so hoch wie möglich steigen und erreichte innerhalb weniger Minuten gut 3.000 Meter Höhe. „Bei meinem Aufstieg von der Wiese war die Sonne für die Bewohner der Täler schon untergegangen. Bald ging sie für mich allein wieder auf und vergoldete noch einmal den Ballon und die Gondel mit ihren Strahlen. Bald versank aber auch für mich die Sonne wieder, aber ich hatte das Vergnügen, sie an ein und demselben Tage zweimal untergehen zu sehen." Die Luft war empfindlich kalt, und so stieg Charles bald wieder ab. Der Wasserstoffballon war dem Heißluftballon überlegen, was die Dauer und Strecke der Fahrt anlangte. Doch einer Schwierigkeit konnte auch er nicht begegnen: Ballons ließen sich nicht lenken, sondern trieben, vom Menschen unbeeinflussbar, mit dem Wind. Flügel, Ruder, handbetriebene Schrauben – alle Konstruktionen der nächsten Jahre erwiesen sich als zu schwach. Es dauerte noch hundert Jahre, bis ein Elektromotor ein mit Gas befülltes Gefährt steuern konnte und so das Zeitalter der Luftschiffe einläutete.



 



Die Konkurrenz verschiedener Erfinder hatte bis zum Jahr 1783 die Entwicklung der Luftfahrt beschleunigt. Da waren zum einen die Brüder Joseph-Michel und Jaques-Étienne Montgolfier, Papierfabrikanten aus der französischen Provinz mit ausgeprägten naturwissenschaftlichen Interessen. Der Ältere, Joseph-Michel, hatte über brennendem Kaminfeuer Papiertüten in die Luft steigen sehen und geglaubt, ein von Rauch erzeugtes Gas entdeckt zu haben. Es gehörte damals noch nicht zum allgemeinen Wissen, dass heiße Luft sich durch Erwärmung ausdehnt, damit leichter wird und nach oben steigt.


 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016