Hilfe für misshandelte Frauen

16. Mai 2022 | von

Laura hat dank ihrer Tochter erkannt, dass der Moment gekommen war, endlich auf die Gewalt ihres Ehemannes zu reagieren. Und der heilige Antonius, der zu seinen Lebzeiten eine Frau, die von ihrem Partner geschlagen wurde, verteidigt hatte, war ihr eine große Stütze.

Irgendwann hat es ihr gereicht – Laura konnte und wollte die ungerechtfertigten Gewaltattacken ihres Mannes nicht mehr tolerieren, seine ständige Wut, die sich durch ihren Alltag zog, die heftigen Streitereien, die oft wegen unwichtigen Kleinigkeiten am Essenstisch ausbrachen, auch vor den Kindern, die still und eingeschüchtert aßen.

Am Abend zuvor war es wieder passiert. Aber im Gegensatz zu den anderen Malen hatte sie reagiert und damit eine neue Welle der Gewalt und des Zorns ausgelöst: erst eine Ohrfeige, dann ein Teller, der vom Tisch gerissen wurde, nur weil ihm das Essen nicht schmeckte, umgestoßene Stühle, Schubsereien durch die gesamte Küche, Schläge und Prügel, obwohl sie versuchte, sich zu wehren. Die schockierten Kinder schrie er an, dass er auch noch genug für sie übrig habe, wenn sie auch nur auf die Idee kämen, ihrer Mutter zu helfen. Anna mit ihren 16 Jahren war wie versteinert, sie versuchte, ihren kleinen Bruder, den sechsjährigen Luca, wegzuziehen. Er weinte und wollte seiner Mama helfen.

Angst, Schmerz – und viele Fragen

Laura hatte die Nacht auf dem Sofa verbracht, wach, verängstigt und verzweifelt. Am nächsten Morgen sah sie die blauen Flecken im Spiegel, die sie nur hinreichend mit Makeup überdecken konnte, dazu kam ein stechender Schmerz in der Hüfte, der sie zwang, ganz schief und gebeugt zu gehen. Sie hatte versucht, das Geschehene vor den Kindern herunterzuspielen, um sie einigermaßen beruhigt in die Schule zu schicken. Irgendwann ist dann auch er zur Arbeit gegangen. Nun war sie endlich alleine. Allerdings hatte ihre Tochter in der Aufregung ihr Handy auf dem Bett vergessen, was noch nie zuvor passiert war – ein Zeichen dafür, wie durcheinander Anna war. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war Laura versucht, in dem Handy ihrer Tochter zu schauen, ob sie ihren Freundinnen vielleicht von der Situation zuhause erzählt hatte.

Sie war sich im Klaren darüber, dass sie damit die Privatsphäre ihrer Tochter verletzte, aber sie wollte verstehen, inwieweit dieses Drama sich auch auf ihre Kinder niederschlug. Sie öffnete also WhatsApp und fand dort eine Gruppe, die Anna „Wir drei“ genannt hatte, zu der sie und ihre beiden besten Freundinnen, die sie schon aus dem Kindergarten kannte, gehörten. Diese Chats war voller Nachrichten, die letzten waren vom Abend zuvor. Mit klopfendem Herzen las sie diese Nachrichten, sie mochte diese Mädchen sehr, sie waren fast wie Töchter für sie.

Anna: Mädels, es ist schon wieder passiert. Heute Abend hatte ich wirklich Angst, dass Papa sie umbringen würde, nur, weil ihm das Fleisch zu trocken war…

Bea: Meinst du deine Mutter? Was hat er ihr denn dieses Mal getan? Hat er sie wieder geschlagen?

Vale: Annie, es tut mir so leid, was für ein schlimmer Mensch dein Vater ist, warum denn diesmal? Das nächste Mal komme ich und dann schlag ich ihn zusammen, du musst mich sofort anrufen.

Anna: Er hat sie verprügelt, hat die Teller runtergeschmissen. Mein Bruder und ich waren total geschockt. Er hat uns gesagt, dass er uns auch verprügeln würde, wenn wir dazwischen gehen würden. Ich wollte die Polizei rufen, aber ich hatte Angst, dass sie ihn verhaften würden.

Vale: Und deine Mama, die arme? Hat er ihr sehr wehgetan, dieser Idiot? Ich kann echt nicht verstehen, wenn die Leute sagen, dass wir alle gleich sind, Frauen und Männer… die profitieren doch von ihrer Stärke, ihren Muskeln!

Anna: Meine Mutter hatte eine aufgeplatzte Lippe und blutete, ihre Backe war ganz rot. Aber dieses Mal hat sie reagiert, nachdem er sie wegen des Fleisches beleidigt hatte, und das kann er gar nicht ertragen, wenn sie versucht, ihm die Stirn zu bieten, und dann ging es los, wie letzten Monat, als er sie im Schlafzimmer fast zu Tode geprügelt hat, erinnert ihr euch?

Bea: Warum zeigt ihr ihn nicht an, Annie? Wenn ihr nicht zur Polizei gehen wollt, dann gibt es doch auch Organisationen, die sich um Frauen kümmern. Und wie geht es dir? Hast du Angst, wollen wir uns irgendwo draußen treffen?

Anna: Ich will nicht weggehen, ich schaff das nicht, ich will zuhause bleiben, weil ich Angst habe, dass er ihr wieder wehtut, und wenn ich da bin, kann ich ihr helfen. Wie schrecklich das alles ist, ich ertrage es nicht mehr. Auch mein Bruder tut mir leid, er weint ständig und will nicht alleine in seinem Zimmer schlafen. Letzte Nacht kam er um zwei Uhr in mein Bett, weil er nicht schlafen konnte!

Bea: Annie, sag uns, was wir tun können, früher oder später bringt er deine Mutter noch um. Wie viele Idioten es doch gibt, also ich kann Gewalt wirklich nicht akzeptieren, wenn jemand, egal ob Frau oder Mann, sich an Schwächeren auslässt, nur weil er oder sie sich überlegen fühlt.

Vale: Sorry, Bea, ich glaube, dass es viel mehr Frauen gibt, die zu Opfern werden, denn wir sind schwächer und uns kommt es ja erst gar nicht in den Sinn, handgreiflich zu werden, also wir sind da schon anders als Männer.

Annie: Ich musste gestern Abend echt weinen, und dann hab ich euch geschrieben. Mir ist nämlich auch die Geschichte wieder eingefallen, die uns unser Gruppenleiter in der Jugendgruppe von der Kirche vor einem Monat erzählt hat, erinnert ihr euch an das Treffen, als wir über Gewalt und Mord an Frauen gesprochen haben? Es ging um die Geschichte vom hl. Antonius, als er dieser Frau aus der Toskana geholfen hat, deren Mann sie verprügelt und an den Haaren gezogen hatte und sie dann halb tot liegen gelassen hat? Auch in diesem Fall hatte die Frau etwas gesagt, was ihren Mann so aufgebracht hat…

Vale: Ja klar, ich erinnere mich, aber der hl. Antonius hat diese Frau dann auch vollständig geheilt. Das war ein Wunder, aber was können wir tun, um deiner Mutter zu helfen, und auch dir und Luca?

Anna: Tja, ich glaube nicht, dass auch hier ein hl. Antonius vorbeikommt, aber irgendwie hat mich diese Geschichte doch getröstet. Ich habe daran gedacht, dass der Mann ja schließlich seinen Fehler eingesehen hat und verstanden hat, dass er so etwas nie wieder tun darf. Es hat ihm dann auch echt leidgetan. Also es gab dann doch ein Happy End und die zwei haben einen Ausweg gefunden.

Bea: Ja, schon, aber wir können nicht immer auf ein Wunder von oben hoffen…

Plötzlich neue Kraft

Laura hatte gar nicht bemerkt, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen und unter der dicken Makeup-Schicht wieder der blaue Fleck zum Vorschein kam. Wie stark doch diese jungen Mädchen sind, wie stark auch ihre Tochter, von der sie dachte, dass sie noch zu klein und einfach nur verängstigt und passiv gegenüber dieser Situation sei. Aber sie war in der Lage, die Situation in die Hand zu nehmen, sie wollte nicht ausgehen, um ihre Mutter nicht alleine zu lassen, und sie dachte an ähnliche Situationen von Gewalt, an die sie sich hoffnungsvoll klammern konnte, weil sie dann doch einen guten Ausgang hatten.

Der hl. Antonius: Auch Laura dachte einen Moment an ihn, und der Gedanke an seine heilenden Hände, die einer Frau in ihrer Situation geholfen hatten, tröstete auch sie. Und auf einmal betete sie ganz spontan: „Heiliger Antonius, hilf auch mir, alleine schaffe ich es nicht!“ Und sie dachte wieder an ihre Anna, die so schnell erwachsen werden musste, während sie selbst so sehr in ihrer Opferrolle gefangen war. Aber sie ist doch die Mutter, und es ist doch ihre Rolle, ihre Kinder zu schützen, die gezwungen sind, in einer der schlimmsten Situationen, die es für Kinder geben kann, nämlich häuslicher Gewalt, aufzuwachsen. 

Schwerfällig stand sie auf, ihr tat alles weh. Der Schmerz in der Hüfte raubte ihr fast den Atem. Sie legte das Handy ihrer Tochter wieder zurück, entschuldigte sich im Geiste dafür, darin gelesen zu haben, bedankte sich aber auch insgeheim bei ihr. Und sofort begann sie, selbst nach Frauenhilfsorganisationen zu suchen. Endlich hatte sie die Kraft dazu!

Zuletzt aktualisiert: 16. Mai 2022
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