Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens

Passend zu den Sommermonaten, in denen das Leben hoffentlich etwas leichter ist als es manchmal scheint, widmet sich unser Thema des Monats dem Humor. Und wenn der Beitrag es schafft, Sie an der ein oder anderen Stelle zum Schmunzeln zu bewegen, hat er ei
27. Juni 2016 | von
Dieses Wort stammt von Wilhelm Raabe und vergleicht unser Leben mit einem (vielleicht unfreiwilligen) Ausflug ins kühle und auch tiefe Nass. Mich hat es auch erinnert an die Flutkatastrophe im Jahr 2002: Wir haben es doch nach den Ereignissen und während der Flut erlebt. Soviel Miteinander und Unterstützung gab es zuvor nicht. Jemand sagte: In diesen zwölf Tagen ist Deutschland mehr zusammen gewachsen als in den vergangenen zwölf Jahren. Es war kein verzweifelter Humor, den die Betroffenen vor den zerstörten Häusern an den Tag legten, es war da auch die Heiterkeit derer, die irgendwie verstanden hatten, dass Besitz und Sicherheit doch nicht alles sind. 

Mehr als Lachen und Witze

Dieses Wort könnten wir auch mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik in Zusammenhang bringen. In meiner Thüringer Pfarrei in Altenburg kamen jeden Sonntag drei junge Eriträer zum Gottesdienst, die „über das Wasser“ zu uns gekommen sind. Auch sie haben trotz der furchtbaren Erlebnisse ihren Humor nicht verloren. Nach der Fußwaschung am Gründonnerstag, zu der ich die drei Afrikaner eingeladen hatte, sagte ich ihnen mit verstellt ernster Miene: „But your feet were very black!“ (für Leser/innen, die nicht des Englischen kundig sind: Aber eure Füße waren sehr schwarz!) Sie haben herzlich gelacht.
Humor, das ist viel, viel mehr als Lachen, als Witze und Pointen. Humor ist ein Heilmittel, eine Medizin, das beste Fitnessprogramm der Welt. 

Wer hat Humor?

Humor hat man nicht, wenn man in jeder Situation, auch der peinlichsten, trotzdem lacht. Humor hat einer, wenn er im Tiefsten versteht, was der weise Papst Johannes XXIII. trefflich formulierte. Mit einem gütigen Lächeln besah er seine rundliche Gestalt im Spiegel und sagte: „Giovanni, nimm Dich nicht so wichtig!“ 
Humor hatten die alten Stoiker, griechische Philosophen, die halb nackt in einer Tonne sitzend, nur einen Wunsch gegenüber ihren Spöttern äußerten: „Freund, tritt mir doch aus der Sonne!“
Humor hatten viele gläubige Menschen, wie etwa der heilige Philipp Neri, der seinen ihm Anvertrauten riet: „Seid gut, wenn ihr könnt!“ 
Es ist im guten Sinne Galgenhumor, wenn der englische Lordkanzler Thomas Morus vor seiner Hinrichtung den Scharfrichter bittet, ihm den Bart zurückzustreifen, denn der hätte ja schließlich keinen Hochverrat begangen. 
Es ist kein schlechter Witz, wenn ein bettelnder Vater (ich habe den Namen des Heiligen vergessen), nachdem man ihm ins Gesicht gespuckt hat, sagt: „So das war für mich, mein Herr, gebt nun auch etwas für meine Kinder!“ Und der so völlig Entwaffnete wirft ihm daraufhin die ganze Geldbörse in den Hut.

Das Lächeln Gottes

Humor ist das Lächeln Gottes in unsere Welt hinein. Sollten wir ihm da nicht zurücklächeln?! Gott hat Humor, denn nach seinem Bild und Gleichnis ist der Mensch geschaffen. Dieser göttliche Humor aber gleicht in vielem seiner Liebe, die viel mehr ist als Gefühl, viel mehr ist als „lieb sein“. 
Gott spricht seine Liebe in unserer Sprache aus, der Sprache, die jeder verstehen kann, und doch sagt er viel mehr, als wir sagen könnten oder wollten. Seine Worte sind unsere Worte, denn nur sie können wir ja verstehen; aber diese seine Worte sind größer als wir selbst. Seine Taten sind wie unsere Taten, denn sie vollziehen sich in dieser Welt; aber sie überragen unser Fassungsvermögen bei weitem, machen unsere Schuld, die Machtlosigkeit und allen Mangel offenbar. Gott führt keine Kriege, doch er spricht zu uns in den von uns angezettelten und durch uns losgetretenen Katastrophen. Gott ersäuft nicht Mensch und Tier, um sein Mütchen zu kühlen. Aber er umspült unser Leben, weil wir wissen müssen, dass wir auf hoher See sind und nicht die Macher dieser Welt – herzlos und irgendwie vogelfrei.
Liebe hat so gesehen auch ein herbes Gesicht, aber diese Seite des Lebens ist die fruchtbarere. Aus ihr wachsen Solidarität, Opfergeist, Zusammengehörigkeitsgefühl und neuer Lebensmut. 
„Humor ist der Schwimmgürtel des Lebens“ – Ich brauche also Humor, um aus der Flut gerettet zu werden, nur so kann ich mich halten, kann ich andere halten. 

Humor lernen

Vieles trainieren wir uns im Leben an: eine gute Figur, eine glatte Haut, Manieren bei Tisch und im Geschäft. Wir lernen es, ein Pokerface aufzusetzen, eine versteinerte Maske, wir lernen, Sympathie zu heucheln, mit einem Lächeln zu lügen und die Ellenbogen zu gebrauchen. Wie lebensrettend könnte es für viele sein, die Säfte des Humors in sich kreisen zu lassen, die in unserem Gemüt ein gutes Gefühl und ein Gleichgewicht der Stimmungen bewirken würden, ja viel Lebensfreude zum Sprühen bringen könnten. 
Das Wort Humor leitet sich ab aus der lateinischen Bedeutung von „flüssig, feucht“. Er ist wie ein Lebensquell, ein Sprudeln, das uns immer wieder hochspült, wo wir im Alltag unter der Last der Sorgen zu ertrinken drohen. Ich erzähle den folgenden pointierten Dialog sehr gern, weil er in paradoxer Weise Mut macht: Unterhalten sich ein Pessimist und ein Optimist. Sagt der Pessimist: „Also schlimmer kann es nicht werden!“ Darauf der Optimist: „Dooooch!!!“ Ich habe es ausprobiert: Diesen Witz versteht man auch in anderen Sprachen sehr gut. Auch den sollte man überall verstehen: „Herr Ober, in meiner Suppe schwimmt ein Hörgerät!“ „Wie bitte?!!!“

Trainingsprogramm

Wie man Humor trainiert, wollen Sie wissen? Er ist ja nicht allen wie Juckpulver in die Wiege gelegt, das stimmt schon. Ein paar Tipps könnten deshalb hilfreich sein:
1. Humor glaubt an das Frohmachende in der Welt, dass da Humor lebt und webt. Schon die alten Griechen sprachen vom panta rei – alles fließt, und man steigt nie in den gleichen Fluss, also ist das Flüssige, der „humor“, etwas Bestimmendes und Allgegenwärtiges. Wenn ich mit humorhungrigen Augen in die Welt schaue, dann werde ich auf meine Kosten kommen und Sie auch. Versprochen! 
Da hat einer im Straßenverkehr besser aufgepasst und nutzt eine von mir nicht gesehene Lücke und ist plötzlich an der Spitze des Staus – take it easy, warum schimpfen, das nächste Mal bist Du selbst pfiffiger.
Da reagiere ich humorvoll auf eine derbe Unhöflichkeit, etwa nach dem Motto des englischen Gentleman in der Straßenbahn: „Mein Herr, hätten Sie die Güte von meinem Fuß zu steigen, ich müsste an der nächsten raus.“
Da begegnet mir das Lächeln eines behinderten Menschen und ich bin voller Dankbarkeit für das, was mir geschenkt wurde, und lächle zurück.
 
2. Humor sieht zuerst mal die Dinge und Menschen positiv, ja er lässt sich auch nicht so schnell von dieser Einstellung abbringen. Man hat festgestellt, dass eine viertel Sekunde ausreicht, um festzustellen, ob einem jemand sympathisch ist oder nicht. Nun, eine viertel Sekunde werden wir ja überstehen können, um dann den Willen einzuschalten und uns zu sagen: Jetzt versuchst Du es erst einmal mit dem Typen! Und wir kennen ja den Anspruch aus dem Evangelium: Wie oft muss ich verzeihen? Sieben mal Siebzig mal und das von ganzem Herzen! Da braucht man schon Humor, doch stellt sich selbiger dabei auch wie von selbst ein! 
 
3. Mit Humor ist vieles, wenn nicht gar alles, zu ertragen, wenn..., ja, wenn unser Humor geerdet – oder sollte ich besser sagen – „gehimmelt“ ist? Humor setzt dann Kräfte frei, die vor Verzweiflung und Niedergeschlagenheit schützen. Der Humor findet einen Zugang zu den schweren Seiten des Lebens, ja er nimmt sich ihrer an. Humor umarmt den Schmerz im Leben und küsst den Leidenden die Stirn. Auch ich könnte jetzt in diesem Krankenbett da liegen. Was würde ich tun? Wie viele, auch schwer kranke Menschen habe ich erlebt, die trotz Schmerzen und Behinderungen Quelle von Freude und Humor waren. Etwa mein Großvater, der – kaum dass er noch laufen konnte – sich am Morgen zurief (er war ein waschechter Vogtländer): Herbert, fauler Hund, steh uff, sei froh, dass de noch labbst (lebst)!
 
4. Humor sieht das Wesentliche und bringt es zum Leuchten. Erst eine Beziehung, die den Humor, die Freude aneinander eingebüßt hat, braucht Luxusartikel und finanzielle Polster, um sich im Korsett und unter der Schminke der Bürgerlichkeit am Leben zu erhalten. „Christen“, so bemerkt Friedrich Hebbel, „die den Kelch der Freude hienieden getrunken, bekommen dort oben den Katzenjammer.“ Wenn ich mich an kleinen Dingen noch freuen kann, wenn ich über kauzige Mitmenschen wohlwollend ein wenig zu schmunzeln vermag, dann hab ich diese darin lieb und werde mich sogar dann freuen können, wenn sie meinen, mehr haben zu müssen als ich.
 
5. Humor ist ein Weg zum Glauben und zum Christsein. Wie vielen von uns fällt es schwer, eigene Schuld einzugestehen, geschweige denn, sie zu bekennen (ich nenne hier nur das leidige Thema Beichte!). Ich habe das Wort vom Kreuz, das es täglich auf sich zunehmen gilt, auch immer ein Stück so verstanden, dass – wenn man es wegwirft – man dann schneller laufen kann. Also sollten wir unsere Schuld und Sünden auf Gott werfen, das macht uns leicht ums Herz und fähig, anderen beim Tragen ihrer Last zu helfen.
6. Humor lacht über sich selbst, weil er weiß, dass er nichts weiß, aber das ganz sicher. Wir sollten es öfters tun: über uns lachen. Etwa, wenn uns was schief gegangen ist: Der Sonntagsbraten ist angebrannt, die erste Schramme am neuen Wagen, wenn wir vor anderen keine gute Figur gemacht haben... Humor und Demut gehören eben einfach zusammen, und diese beiden Grundpfeiler könnten unsere oft so humorlose Welt zum Wanken und Schwanken bringen, bis sie vor Freude tanzt. 
 
Arzt zum Patienten: „Rauchen Sie?“ – „Nein!“ „Trinken Sie?“ „Gern, Herr Doktor, ham‘ Se ein´ da?!“

Mein eigener Beitrag

Der Mensch ist zur Freude, zum Glücklichsein geschaffen. Das, was er selbst dazu beitragen kann, ist: mit Humor in den Tag zu gehen, die Augen aufzuhalten, um die vielen Verbindungen und Fügungen zu entdecken, die den Bau der Welt zusammenhalten. Sie wollen doch nicht zu den Leuten gehören, die nur aus dem Grunde in jeder Suppe ein Haar finden, weil sie, wenn sie davor sitzen, so lange den Kopf schütteln, bis eins hineinfällt?

Und noch ein Tipp: „Es ist unmöglich, jemandem ein Ärgernis zu geben, wenn er`s nicht nehmen will!“

Humor und Demut

Nach einer längeren Krankheit, die zu ertragen mir wohl auch der Humor ein wenig geholfen hat, habe ich ab Mai diesen Jahres eine neue Stelle in der Nähe von Leipzig angetreten. Ich bin nur noch mitarbeitender Pfarrer. Ich muss nun meinem (10 Jahre jüngeren) leitenden Pfarrer gehorchen. Das verlangt Demut und Humor von mir.

Die Herzen meiner hiesigen Pfarrkinder in insgesamt fünf Gemeinden habe ich wohl schon ein wenig gewonnen, weil ich das Osterlachen hab noch etwas nachklingen lassen! Die Menschen freuen sich über kleine Anekdoten, die an passender Stelle im Gottesdienst vorkommen. Das macht die Andacht nicht kaputt, sondern unterstreicht den Sinn dieser Feier als frohmachende, von Erlösung sprechende Liturgie. Gott will, dass wir zur Freude kommen.

So hab ich also einen Oster-, einen Himmelfahrts- und einen Pfingstwitz erzählt, und weil mich eine Mutter bat, auch etwas für die Kinder zur Erstkommunion.

Witze passend zum Kirchenjahr

Ostern: Zwei ältere Damen stehen an der Tramhaltestelle vor dem Zentralfriedhof in Wien. Sagt die eine: „Sagen Sie, wie alt sind Sie denn eigentlich?“ – „Ich? 84!“ – „Woos? Und da schminken Sie sich noch?“ – „Na, und Sie, wie alt sind Sie?“ –„Ich? Ich bin 94!“ – „Woos und da fahren‘S noch zurück?“

Himmelfahrt: Ein Mann springt mit dem Fallschirm ab. Er zieht die Reißleine – Nichts!, er zieht die Leine des Ersatzschirms – wieder nichts!!! Da kommt ihm von unten einer entgegengeflogen, dem ruft er zu: „Reparieren Sie Fallschirme? – Naaaa-ein, Gasflaschen!“

Pfingsten: Die Dreifaltigkeit und Maria machen sich Gedanken, wo der nächste Urlaub hingehen soll. Gott-Vater meint: „Na, vielleicht Jerusalem!“ – „Neee“, sagt Jesus, „da hab ich schlechte Erfahrungen gemacht.“ – „Dann vielleicht Lourdes!“ – „Neee“, meint Maria, „da bin ich doch ständig. Mmm, Rom?“ – „Ja!“, ruft der Heilige Geist, „da war ich noch nie!“

Und die Erstkommunionkinder haben über den geschmunzelt: Fritzchen fliegt mit seiner Mutter zum ersten Mal. Als das Flugzeug abhebt, sagt er: „Mutti, Mutti, weiß der liebe Gott eigentlich, dass wir kommen?“

Deshalb: fliegen, gehen, schwimmen Sie ruhig weit raus, um selbst viel zu erleben, um Ihren Mitmenschen zu begegnen und sie froh zu machen! Sie wissen ja: Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens!

Zuletzt aktualisiert: 11. Oktober 2016
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