Im Kameraflug durch den Mikrokosmos
Wie ein Urzeitvieh sieht der liebliche Glasflügelfalter aus nächster Nähe aus. Dreidimensional lässt Stefan Diller die Mikrowelt in bewegten Bildern erstehen. Erstmalig sind die fantastischen Ergebnisse seiner jahrelangen Experimente am Elektronenmikroskop öffentlich einsehbar.
Mikrowelten im Kameraflug zu präsentieren, diese Idee wälzt der experimentierfreudige Würzburger Fotograf Stefan Diller schon seit über 15 Jahren. Nach drei Jahren Tüftelei ist das Unterfangen, bewegte Bilder des Mikrokosmos mit dem Rasterelektronenmikroskop zu erstellen, jetzt geglückt. In einer Weltpremiere zeigte das ZDF die Aufnahmen in der Sendung TerraX vom 23. März 2013.
Aufmerksame Leser des Sendboten haben von Herrn Diller schon gehört, der die Basilika des heiligen Franziskus in Assisi in tausenden Photographien dokumentiert und ein 3D-Modell daraus erstellt hat. Seine Bilder sind auch in dem schönen Kirchenführer der Franziskusbasilika in Assisi von Bruder Thomas Freidel „… und verkündet aller Kreatur …“ zu bewundern.
RASTER-ELEKTRONEN-MIKROSKOP
Die Schönheit auch im mikroskopisch Kleinen spürt nun das neue Verfahren auf. Zu ersten Versuchen diente eine Honigbiene, dann eine Brennnessel, für das Fernsehen setzte Diller dann einen Glasflügelfalter, Greta oto, in Szene. Der Schmetterling muss zunächst aufwendig und geduldig präpariert werden. Alkoholbäder entziehen dem empfindlichen Objekt das Wasser, um seine fragilen Strukturen später nicht zu schädigen. Denn das Abtasten mit dem Elektronenstrahl geschieht im Hochvakuum, dort würde das Wasser verdunsten und der Falter sich unweigerlich zusammenziehen. Danach wird das Präparat in einer speziellen Apparatur mit einer hauchdünnen Platinschicht überzogen, gesputtert. Die leitende Oberfläche des Metalls kann so in Wechselwirkung mit dem Elektronenstrahl treten. Auf diese Weise können im Rasterelektronenmikroskop (kurz REM) einzelne Bilder gemacht werden, die zweidimensionale Einblicke in für das bloße Auge unsichtbare Welten des Mikrokosmos geben.
Diese „stehenden“ Bilder waren Herrn Diller irgendwann zu langweilig, wie er der Würzburger Lokalzeitung MAINPOST im Interview vom 21. März 2013 gesteht. Das Neue, erklärt er selbst, „ist nun die Bewegung des Präparats auf einer speziellen Motorbühne […]. Dabei werden 41 einzelne Parameter pro Einstellung an das Elektronenmikroskop geschickt, 25 Einstellungen wiederum ergeben eine Sekunde Video.“ Ein in acht Achsen bewegbarer Objekthalter ermöglicht die Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. Diese Einzelbilder wiederum verschmilzt eine eigens entwickelte Software zum Kameraflug. Das Ergebnis sind bewegte Bilder im Kreis um das Präparat herum, die die Verbindungen der einzelnen Strukturen aufdecken. Aus nächster Nähe offenbart der Glasflügelfalter dann ein ganz anderes Gesicht: ein lange aufgerollter Rüssel, „Krallen“ an den Füßen und feinste Härchen auf flauschigen Flügeln werden sichtbar. Wir dürfen gespannt sein, wohin Herr Diller uns mit seinem Wunsch „nach neuen visuellen Erfahrungen“ noch führen wird.