Irdischer Einsatz in Antonius' Namen
Der heilige Antonius und seine Stadt Padua – diese enge Verbundenheit zeigte sich wieder einmal am Abend des 14. November 2008. In der herrlich ausgeleuchteten Basilika des Heiligen wurde ab 21 Uhr zum sechsten Mal der „Internationale Antoniuspreis" verliehen.
Mehr als 2.000 Paduaner waren herbeigeströmt, besetzten schnell Stühle und Bänke und füllten dann die Stehplätze in den Seitengängen. Gut trafen es jene, die sich wenigstens an die Wand lehnen konnten, denn die Feier dauerte bis 23.30 Uhr. Es schien, als habe die Stadt Padua diesem Ereignis entgegengefiebert. An den Haupteingängen der Basilika drängten sich Trauben von Besuchern, die in den Tagen zuvor ein Berechtigungsbillet abgeholt hatten, der Nebeneingang über den Kreuzgang der Magnolie war für die Autoritäten der Stadt und die Presse reserviert.
Im Zwei-Jahres-Rhythmus wird dieser Preis vergeben, jetzt schon zum sechsten Mal seit 1998. Damals wurde er ins Leben gerufen zur 100-Jahr-Feier der Zeitschrift „Messaggero di Sant’Antonio", die jetzt in acht Sprachen erscheint: auf Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, Portugiesisch, Polnisch und Rumänisch. Wahrlich, die Stimme des heiligen Antonius, des großen Kommunikators, dringt in alle Welt, und damit auch seine Botschaft von „Evangelium und Caritas". Genau diese Zielsetzung hat auch der „Internationale Antoniuspreis". Ausgezeichnet werden Personen, die mit ihrem Leben Zeugnis geben von der verwandelnden Kraft des Evangeliums, die tatkräftig christliche Solidarität zeigen mit den Armen und Vergessenen, und die solche Werte einem breiten Publikum zugänglich machen über Film und Fernsehen. In diesen vier Kategorien von Zeugnis, Solidarität, Film und Fernsehen wird die Auszeichnung vergeben.
Zeugnis und Solidarität
Wie man Berufserfahrungen und karitatives Engagement verbinden kann, also Business und tätige Nächstenliebe, das beweisen die amerikanischen Eheleute Michael und Susan Borden, die mit ihren Töchtern aus Milwaukee (Wisconsin/USA) gekommen waren, um mit dem Antoniuspreis in der Kategorie Solidarität geehrt zu werden. Im Jahr 1997 gründeten sie den „Saint Anthony of Padua Charitable Trust", der im Geist des heiligen Antonius erfolgreich Gelder sammelt für die Grundbedürfnisse der Dritten Welt, die an Hunger, Krankheit und Wohnungsnot leidet. „Die Güter der Welt", so betonte Mister Borden, „gehören nicht jenen, die sie gerade in Besitz haben; sie müssen unbedingt mit den Armen geteilt werden."
Ein Sonderpreis Solidarität ging an Ernesto Olivero in der Industriestadt Turin. Im Alter von 24 Jahren gründete er 1964 einen missionarischen Dienst junger Menschen (sermig), um Arme, an den Rand Gedrängte aufzunehmen und zu ernähren, und zugleich jungen Menschen einen Sinn für ihr Leben aufzuzeigen. In Turin baute er ein altes Waffenlager in ein Arsenal des Friedens um, in Brasilien gründete er ein Arsenal der Hoffnung, in Jordanien eines der Begegnung für junge Menschen aus allen Kulturen und Religionen. „Der eigentliche Gründer ist Gott selber", erklärt er, „er macht uns den Weg frei."
Mit großer Ergriffenheit wurde die Schilderung von Gregoire Ahongbonon aus dem afrikanischen Benin aufgenommen, dem der Preis in der Kategorie Zeugnis verliehen wurde. Er beschrieb seinen Kampf darum, dass Geisteskranke in Afrika auch wirklich als Kranke betrachtet und behandelt werden, denn die afrikanische Bevölkerung begegnet ihnen mit Furcht und Aberglauben. Zur Demonstration legte sich Gregoire Ahongbonon eine lange Eisenkette um den Hals, womit in afrikanischen Ländern Geisteskranke jahrelang an Baumstümpfe gefesselt werden, außerhalb der Siedlungen. Gregoire bezeichnet die Geisteskranken in Afrika als „die Vergessenen unter den Vergessenen". Von seiner Ausbildung her hatte Gregoire Ahongbonon eigentlich nicht die Voraussetzungen dafür, die afrikanische Gesellschaft effizient umzugestalten: er flickte kaputte Autoreifen. In einer Lebenskrise wallfahrte er als 30-Jähriger nach Jerusalem, wo ihn das Wort eines Priester traf und sein Charisma weckte: „Welchen Stein trägst Du bei zum Aufbau der Kirche Christi?" Wieder zu Hause in Benin, sah er die Geisteskranken, die nackt durch die Straßen liefen oder angekettet waren, alleingelassen oder gar ins Gefängnis geworfen, plötzlich mit anderen Augen, als Brüder Christi. So gründete er Unterkünfte, um ihnen Nahrung, Pflege, Liebe, Menschenwürde zurückzugeben, als Frauen, als Mütter, als Väter. In seinem Hospital St. Kamillus von Lellis in Bouaké an der Elfenbeinküste finden 1.200 Personen Platz. „Der heilige Antonius, der heilige Kamillus", so ruft Gregoire den Versammelten in der Basilika zu, „die sind da oben im Himmel. Es ist an uns, hier auf der Erde zu wirken, in ihrem Namen."
Der Sonderpreis Zeugnis ging an Monsignore Giovanni Nervo aus der Diözese Padua, ehemals Direktor der italienischen Caritas, der am 13. Dezember 90 Jahre alt wird. Er kennt sich gut aus mit den sozialen und politischen Problemen der Immigranten, die ja aus Afrika kommend an die Inseln Süditaliens gespült werden. Msgr. Nervo steht in der ehrenvollen Reihe jener Paduaner, die den Namen ihrer Stadt in die Geschichtsbücher bringen. „Immer habe ich versucht, auf die Fragen und Probleme, die auf mich zukamen, eine Antwort zu geben", so seine einfache Erklärung.
Film und Fernsehen
Den Film-Preis erhielt der Mafia-Streifen „Gomorrha" von Matteo Garrone, gedreht nach dem Bestseller von Roberto Saviano. Entgegengenommen haben die Auszeichnung vertretungsweise die mit viel Applaus bedachte Schauspielerin Maria Nazionale und der Drehbuchautor Massimo Gaudioso. Der biblische Ort Gomorrha ist als Synonym verwendet für die süditalienische kriminelle Vereinigung Camorra, die im Film schonungslos geschildert wird. Eine Würdigung der gnadenlos hingerichteten Opfer; ein Appell an alle, die noch menschliche Werte in sich haben; ein hoffnungsvoller Traum von einer anderen Welt für all jene, die Angst und Quälerei erdulden.
Der Fernseh-Preis ging an Ettore Bassi als Darsteller des heiligen Franziskus in der Fiktion „Klara und Franziskus", hergestellt von Lux Vide und Rai Fiction und ausgestrahlt von Rai 1 im Oktober 2007. „Ich hoffe", so der Schauspieler, „dass mein Franziskus, wie ich ihn dargestellt habe, das junge Publikum berührt. Denn Franziskus ist für die jungen Menschen ein Freund."
Natürlich braucht es auch eine fachkundige Führung durch einen solch langen Abend, die in der mütterlich-anmutigen und sprachgewandten Fernsehmoderatorin und Schauspielerin Milly Carlucci gefunden wurde. Da die Veranstaltung in der Basilika auf mehreren Fernsehkanälen (Telechiara, Telepace Verona und Telepace Roma) live übertragen wurde, dürften Angelica und Patrizio zu Hause im familiären Rahmen miterlebt haben, wie ihre Mutter das Paduaner Publikum gleich zu Beginn für sich gewann, als sie von der großen Ehre sprach, in der Antoniusbasilika mitwirken zu dürfen.
Antonius im Dialog
Der heilige Antonius war sozusagen leibhaftig anwesend, in seiner Tomba, momentan im rechten Seitenschiff aufgestellt, weil der Grabaltar noch renoviert wird. Doch für eine antonianische Prägung des Abends wäre das zu wenig gewesen. Den lebendigen Antonius, in seinen Lebensentscheidungen, seinen Krisen, seinem apostolischen Einsatz, den zeigte uns Paolo Pivetti auf. Aus seinem im Mai 2008 im Messaggero-Verlag erschienenen Büchlein „Antonio, Cavaliere di Dio" hatte er vier Passagen zu Dialog-Szenen umgeschrieben, die in der abendlichen Veranstaltung von in Italien bekannten Schauspielern aus Film und Fernsehen vorgetragen wurden. Für mich war es höchst erstaunlich, wie ein Nicht-Ordensmann sich so tief hineinfühlen kann in das Leben unseres verehrten Heiligen. Ausgewählt hatte Paolo Pivetti einmal das Gespräch des jungen Fernando mit seiner Mutter, die zuerst gar nicht damit einverstanden war, dass ihr Sohn die Ritterlaufbahn ausschlagen wollte, um „Ritter Gottes" zu werden. Später hörten wir den Dialog zwischen dem Augustiner-Chorherrn Fernando und dem Minderbruder Berard, dem Erstlingsmärtyrer des Franziskaner-Ordens, wo ihm der Gedanke kommt, in den Franziskanerorden überzutreten. Im dritten Dialog hilft Bruder Filippino dem in Marokko erkrankten Missionar Antonius, herauszufinden, was Gott wirklich mit ihm vorhat. Im vierten Dialog ersucht Antonius den gefürchteten Tyrannen von Verona, Ezzellino da Romano, um die Freilassung eines Gefangenen. Paolo Pivetti lässt den „Erzähler" den Rückblick auf das Leben des Heiligen sprechen: „Antonius, geboren als Fernando, hatte gelernt, seine unruhige Natur zu zähmen und sein großherziges Draufgängertum zu zügeln. Er hatte gelernt, den Zeitpunkt abzuwarten, den Gott setzen will. Und erst zu der Stunde, die Gott festgelegt hatte, begann seine Heiligkeit aufzuleuchten." So hatte Antonius das letzte Wort des Abends.