Josef - aus dem Schatten ins Licht

19. März 2021 | von

Am 19. März gedenkt die Kirche Jahr für Jahr des heiligen Josef – in diesem von Papst Franziskus ausgerufenen „Josefsjahr“ wohl auf ganz besonders intensive Weise. Wir widmen uns ihm im Thema des Monats.

Papst Franziskus ist für Überraschungen gut – gerade auch für Menschen innerhalb der Kirche! Dazu gehört seine Ausrufung des „Jahres des heiligen Josef“ am 8. Dezember 2020. Es endet mit dem Hochfest der unbefleckt empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria am 8. Dezember 2021. Das Datum der Ankündigung zeigt meines Erachtens nicht nur die Verbundenheit des Pontifex mit der Tradition lehramtlicher Äußerungen zur Glaubensgestalt im Hintergrund der Heiligen Familie, sondern auch seine Verwurzelung in der Volksfrömmigkeit bis hin zum ureigenen Gebetsleben.

Im Strom der Tradition 
Genau 150 Jahre zuvor hatte Papst Pius IX. (1846-1878) per Dekret „Quemadmodum Deus“ den heiligen Josef zum „Schutzpatron der ganzen Kirche“ erhoben. In Fortführung der Anliegen der Sozialenzyklika von Papst Leo XIII. (1878-1903) stellte Pius XII. im Jahr 1955 den neutestamentlichen Josef als „Patron der Arbeiter“ vor. Er förderte seine Verehrung mit der Einführung des nicht gebotenen Gedenktages „Josef, der Arbeiter“ im liturgischen Kalender am 1. Mai, auch um die Würde menschlichen Schaffens zu betonen. Ein eigenes Apostolisches Schreiben widmete Johannes Paul II. im August 1989 dem „Beschützer des Erlösers“. Papst Franziskus hat bereits bei seinem Amtsantritt am 19. März 2013, dem Hochfest des Bräutigams der Gottesmutter Maria, in seiner Predigt die universale Bedeutung des Heiligen mit einfachen Worten deutlich gemacht: „Jesus mit Maria zu behüten, die gesamte Schöpfung zu behüten, jeden Menschen zu behüten, besonders den Ärmsten, uns selber zu behüten: Das ist ein Dienst, den zu erfüllen wir alle berufen sind, um den Stern der Hoffnung leuchten zu lassen: Hüten wir mit Liebe, was uns Gott geschenkt hat!“ Am Anfang seines Pontifikates hat er in die Hochgebete der Heiligen Messe den Namen Josefs als Bräutigam einfügen lassen. 

Den „stillen Helden“ der Krise gewidmet
Das jüngste Apostolische Schreiben „Patris corde“ („Mit väterlichem Herzen“) entfaltet das Anliegen, die Josefs-Verehrung besonders in Zeiten weltweiter Erschütterung durch die Covid-19-Pandemie zu fördern. Papst Franziskus will ihn als Fürsprecher und Vorbild vor Augen führen, einen Mann mit nachahmenswerten Grundhaltungen und Tatkraft. Während dieser Krise ist im Papst das Projekt „Josefsjahr“ gereift mit Blick auf die „stillen Helden“ der Pandemie. Für das persönliche Leben seien diejenigen von tragender Bedeutung, die sich jeden Tag in Geduld üben, große Hoffnung beweisen und „darauf bedacht sind, nicht Panik zu verbreiten, sondern Mitverantwortung zu fördern“. Sein Schreiben wolle ein Wort des Dankes und der Anerkennung sein für Eltern, Großeltern, Lehrer/innen, Pflegekräfte, Ärzte, Supermarktangestellte, Reinigungspersonal, Ordnungskräfte, Spediteure, ehrenamtliche Helfer/innen, Priester und Ordensleute – für „viele andere, die verstanden haben, dass niemand sich allein rettet.“ Den heiligen Josef schätzt er als unauffälligen Menschen des Gottvertrauens, „der täglichen, diskreten und verborgenen Gegenwart“, der Maria und das Kind in die Mitte stellt und nicht sich selbst.
Der Eingangssatz lautet: „Mit väterlichem Herzen liebte Josef Jesus, der in allen vier Evangelien ‚der Sohn Josefs‘ genannt wird.“ Es folgt eine kurze biblische Skizze des Heiligen entsprechend der Kindheitsgeschichten des Matthäus und Lukas. Danach entfaltet der Papst den Blickwinkel der „Väterlichkeit“ in sieben Aspekten: geliebter Vater, Vater im Erbarmen, Vater im Gehorsam, Vater im Annehmen, Vater mit kreativem Mut, Vater und Arbeiter, Vater im Schatten.

Geliebter Vater
Nach einer grundsätzlichen Erinnerung an den Dienst Josefs im Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes und einer Würdigung der jüdischen Wurzel – Josef als Bindeglied zwischen Altem und Neuem Testament – knüpft der Papst an bestehende Josefs-Verehrung in Ordensgemeinschaften und Bruderschaften an, verweist auf die Tradition des Josefsmittwochs und den Feier-Monat März. Ausdrücklich wird Teresa von Jesus erwähnt: Was wären ihre Reformbemühungen ohne ihr unerschütterliches Vertrauen auf den heiligen Josef?! 
Hier sei die persönliche Einfügung erlaubt, dass für uns Franziskaner-Minoriten die Gestalt des Bauhandwerkers von Nazareth zum spirituellen Fundament unseres Ordens gehört. Inwieweit diese Vorgabe aufgegriffen wird, ist allerdings immer eine Frage. So finden wir nach dem Blick auf die Immaculata diese Leitlinie: „Die Brüder sollen den heiligen Josef verehren und nachahmen, Patron des Ordens, bewundernswertes Beispiel eines glaubenden Menschen, gänzlich Gott hingegeben.“ (Konstitutionen Nr. 47 §4)

Vater im Erbarmen
In einem eigenen Abschnitt erläutert Papst Franziskus den Horizont Barmherzigkeit für das Wirken Josefs und Jesu im Sinne des Gleichnisses vom Vater und den Söhnen im Lukas-Evangelium, Kapitel 15. Die Wahrheit, die von Gott kommt, ist es, die uns „nicht verurteilt, sondern aufnimmt, umarmt, unterstützt und vergibt.“ Gott habe alles wesentlich umfassender im Blick als wir Menschen mit der Neigung, alles kontrollieren zu wollen. Er wirke durch unsere Ängste und Schwäche hindurch.

Vater im Gehorsam
Wo lernt Josef Gehorsam? In dem Apostolischen Schreiben werden die Wegweisungen in den vier überlieferten Träumen als Ort des Horchens und Gehorchens aufgezeigt, sowie die schweigende Tat des Mannes an der Seite Mariens als menschliches Einschwingen in den Willen des göttlichen Vaters. So wirke er mit am Erlösungsgeschehen. Sein „Fiat“ ist wortlos und doch so bedeutungsvoll. 
Persönlich frage ich: „Wie erkenne ich heute den Auftrag des Herrn?“ Die Unterscheidung der Geister und die menschliche Begleitung mit Weisheit und spiritueller Kompetenz gehören zweifellos zu einem reifen Glauben des Einzelnen wie auch für gemeinschaftliche Prozesse heute.

Vater im Annehmen
In einem weiteren Abschnitt geht es um den heilsamen Grundvollzug des Annehmens auf dem Glaubensweg. „Ohne irgendwelche Vorbedingungen“ nimmt Josef Maria an nach dem Wort des Engels. „Heute stellt sich Josef dieser Welt, in der die psychische, verbale und physische Gewalt gegenüber der Frau offenkundig ist, als Gestalt des respektvollen und feinfühligen Mannes dar, der, obwohl er nicht im Besitz aller Informationen ist, sich zugunsten des guten Rufs, der Würde und des Lebens Marias entscheidet.“ Josef sei für uns ein Vorbild, auch das Widersprüchliche, Unerwartete und Enttäuschende im Sinne einer lebenslangen Aussöhnung mit sich in der Kraft des Geistes Gottes annehmen zu lernen.

Vater mit kreativem Mut
Väterlichkeit zeigt sich am Beispiel des heiligen Josef auch an schöpferischer Tapferkeit als Migrant mit seinen Anvertrauten. 
Eine persönliche Anmerkung: Maria wird seit letztem Sommer nach dem Willen des Pontifex in der Lauretanischen Litanei als Hilfe der Migranten angerufen. Seit der ersten Fahrt des Papstes nach Lampedusa mit Symbolcharakter für die Schwerpunkte seiner Amtszeit liegen ihm die Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, besonders am Herzen – auch in diesem jüngsten römischen Dokument. Sie sind Krieg, Hass, Verfolgung und Elend ausgesetzt. 
Grundsätzlich schreibt der Papst weiter über den Aspekt des Schutzes: „Indem Josef die Kirche beschützt, beschützt er weiterhin das Kind und seine Mutter, und indem wir die Kirche lieben, lieben wir auch immerfort das Kind und seine Mutter.“ Die Anrufung des heiligen Josef als Patron der Sterbenden in der Volksfrömmigkeit wird in diesem Dokument erwähnt als Beispiel für die Sorge der Kirche um die geringsten Schwestern und Brüder.

Vater und Arbeiter
Josef wird uns als ehrlicher Zimmermann vor Augen gestellt, von dem Jesus lernte, das Brot zu essen, das die Frucht der eigenen Arbeit ist. Eine Würde und eine Freude! Der Bauhandwerker aus Nazareth ist für den Papst Vorbild und Schutzpatron in unseren Zeiten, wo die Bedingungen von Arbeit und die Not der Arbeitslosigkeit bedrängende soziale Herausforderungen sind. Seine Vision ist zugleich ein Appell: „Kein junger Mensch, keine Person, keine Familie ohne Arbeit!“

Vater im Schatten
Papst Franziskus weitet den Begriff der Vaterschaft auf dem Hintergrund einer oft vaterlosen Gesellschaft und Kirche aus: „Als Vater wird man nicht geboren, Vater wird man. Und man wird zum Vater nicht einfach dadurch, dass man ein Kind in die Welt setzt, sondern dadurch, dass man sich verantwortungsvoll darum kümmert. Jedes Mal, wenn jemand die Verantwortung für das Leben eines anderen übernimmt, übt er ihm gegenüber in einem gewissen Sinne Vaterschaft aus.“ Das scheint mir persönlich auch ein Trost zu sein für Männer und Paare, die keine Kinder bekommen können. Väterlichkeit hat zu tun mit dem Ins-Leben-Einführen, Menschen zu Aufbruch und Freiheit zu leiten. In diesem Zusammenhang gewinnt der oft negativ besetzte Begriff der Keuschheit einen hellen Klang, ein Gegenteil von Besitzergreifen und Haben-Wollen in Beziehungen zu Anvertrauten. „Gott selbst hat den Menschen mit keuscher Liebe geliebt und ihm die Freiheit gelassen, Fehler zu machen und sich gegen ihn zu stellen.“ Papst Franziskus schließt seine Betrachtungen zu den Aspekten der Väterlichkeit mit der Gotteserfahrung des Nazareners: Wir sind alle wie Josef im Schatten des Abba, der seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Der Papst erfleht von Nährvater Josef die Gnade aller Gnaden: die Bekehrung.

Josef an der Schwelle des neuen Tages
In den Fußnoten des Dokumentes findet man einen persönlichen Hinweis auf seine eigene Josefsverehrung. „Seit mehr als vierzig Jahren bete ich jeden Tag nach den Laudes ein Gebet zum heiligen Josef, das einem französischen Andachtsbuch der Kongregation der Barmherzigen Schwestern von Jesus und Maria aus dem 19. Jahrhundert entnommen ist. Dieses Gebet bringt dem heiligen Josef Verehrung und Vertrauen entgegen, fordert ihn aber auch ein wenig heraus: ‚Heiliger Josef, glorreicher Patriarch, der du das Unmögliche möglich machen kannst, komm mir in meiner Not und Bedrängnis zu Hilfe. Gewähre in den ernsten und schwierigen Anliegen, die ich dir anvertraue, deinen Schutz, sodass alles ein glückliches Ende nimmt. Mein geliebter Vater, ich setze mein ganzes Vertrauen in dich. Niemand soll sagen können, er habe dich vergeblich angerufen, und da du bei Jesus und Maria alles erwirken kannst, lass mich erfahren, dass deine Güte ebenso groß ist wie deine Macht. Amen.‘“ Persönlich erinnert mich dieses Gebet an Charles de Foucauld, der Christus als „Meister des Unmöglichen“ anredet und sich ebenfalls ohne Maß dem Vater im Himmel überlässt.

Persönliche geistliche Spurensuche in Meditation und Gebet 
Im Altarraum des Würzburger Käppele steht unweit des Gnadenbildes der Pietà im Josefsjahr eine Steinskulptur des Bauhandwerkers: aufrecht mit jugendlichem Gesicht, mit einem Balken und einem Hammer jeweils der Hand. Persönlich ist das eine Ermutigung zu mehr Entschiedenheit gegen die eigene Bangigkeit: „Mach Nägel mit Köpf´, tritt entschieden für das Leben und mehr Gerechtigkeit ein!“ Wie den Menschen als Bruder, Freund, Seelsorger in ihren Konflikten, oft „Qua-draturen des Kreises“, gerecht werden? Der heilige Josef hatte seine Methode, zu einer tieferen Gerechtigkeit zu kommen, wenn es um Entscheidungen ging, zum Beispiel in der inneren Not, wie er mit seiner schwangeren Verlobten umgehen soll. Josef traute seinem Traum als Botschaft von Gott her und nahm Mutter und Kind an. Josef hätte nach damaligem Recht die Möglichkeit gehabt, über das Leben und den Tod von Menschen zu bestimmen: das seiner Verlobten, des ungeborenen Kindes und evtl. des leiblichen Vaters. Josef musste seine Lebensplanung loslassen; er hatte die Kraft, seine Kränkung zu überwinden im Angesicht der besonderen Schwangerschaft. Er gab Maria nicht dem Recht und damit der Steinigung preis, sondern suchte einen Ausweg, indem er sie in aller Stille entlassen wollte. Durch das Hinhören auf die Botschaft im Traum wuchs er allerdings über sich hinaus, er erkannte seinen Lebensauftrag, nahm ihn an und wurde so zum wahren Gerechten. Diese Überlegungen zu Josef, dem neuen Mann, verdanke ich Hildegund Keul (Weihnachten. Das Wagnis der Verwundbarkeit, September 2013).
Wer im Stammteil des neuen „Gotteslob“ nach einem Gebet, einem Lied, geschweige denn einer Andacht zum heiligen Josef sucht, wird leer ausgehen. Persönlich wurde mir mehrfach in den letzten Wochen die Litanei von Ida Friederike Görres zum heiligen Josef geschenkt, die mit ihren Anrufungen den Reichtum der Sichtweisen auf den schweigsamen und doch so beredten diesjährigen Jahrespatron erschließen kann. Sie beginnt mit: „Josef, du Schatten des Ewigen Vaters“ und endet mit „Schutzherr der Kirche, bitte für uns. Amen.“
 

Zuletzt aktualisiert: 19. März 2021
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