Kann man mir die Kommunion verweigern?

24. September 2015 | von

Vom 4. bis 25. Oktober 2015 tagt die Bischofssynode in Rom zum Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“. Ein „heißes Eisen“ ist dabei der Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen. Die gegenwärtige Handhabung erscheint oft unbarmherzig, viele fühlen sich ausgeschlossen. Doch entspricht die aktuelle Praxis überhaupt dem geltenden Kirchenrecht?




Eine Frau sprach mich kürzlich an, die beobachtet hatte, dass der Pfarrer eine andere Frau an der Kommunionbank übergangen und ihr die Eucharistie verweigert hatte. Als sie den Pfarrer später darauf ansprach, sagte er ihr: „Ich habe zufällig erfahren, dass diese Frau geschieden und wiederverheiratet ist. Deshalb muss ich ihr die Kommunion verweigern. Das ist im Kirchenrecht so vorgeschrieben. Sie ist schließlich exkommuniziert.“



Als Kirchenrechtler muss ich in so einer Situation erst mal tief durchatmen: Das Kirchenrecht ist schuld! Aber diese Behauptung wird auch dadurch nicht richtiger, dass sie von Seelsorgern, Theologieprofessoren und auch Bischöfen ständig wiederholt wird. Die müssten es eigentlich besser wissen. Tatsächlich ist aber die Praxis verbreitet, dass geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken die Kommunion verweigert wird. Da ist dann von Exkommunikation und vom angeblichen Verlust der kirchlichen Ehrenrechte die Rede.







Stand nach altem Kirchenrecht



Das früher geltende Kirchenrecht von 1917 kannte den Straftatbestand der Bigamie (c. 2356 CIC/1917): In Bigamie lebte, wer trotz bestehenden Ehebandes eine neue, zivile Ehe schloss. Geschiedene und wiederverheiratete Katholiken galten also als Bigamisten. Die Folge dieser Straftat war die von selbst eintretende Strafe der Infamie, das heißt des kirchlichen Ehrverlustes. Dieser spielte aber nur eine Rolle, wenn ein solcher Katholik geweiht werden sollte. Für die meisten Geschiedenen und Wiederverheirateten war diese Strafe also bedeutungslos. Nur in einem sehr schwerwiegenden Fall konnte durch Urteil eines kirchlichen Gerichts die Strafe der Exkommunikation hinzugefügt werden. Das ist aber praktisch nie geschehen. Das bedeutet, dass Geschiedene und Wiederverheiratete schon nach altem Recht in der Regel nicht exkommuniziert waren. Ihnen durfte daher die Kommunion nicht verweigert werden.







Heute keine Strafen mehr



Das gilt umso mehr nach dem geltenden Recht: Der CIC/1983 kennt die Straftat der Bigamie nicht mehr – und deshalb kennt er auch keine daraus abzuleitenden Strafen. Die Infamie, das heißt den kirchlichen Ehrverlust, gibt es ebenfalls nicht mehr. Das bedeutet nicht, dass die geltende Rechtsordnung die Unauflöslichkeit der Ehe in Frage stellen würde. Aber die Kirche hat wohl eingesehen, dass das früher geltende Recht nicht anwendbar war.





Gegenwärtige Praxis



Papst Johannes Paul II. weist in dem Nachsynodalen Schreiben Familiaris Consortio von 1981 in Nr. 84 auf die Praxis der Kirche hin, wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion zuzulassen. Er begründet das damit, dass ihre Lebensverhältnisse in einem objektiven Widerspruch zum Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche stehen. Dabei bewegt den Papst die Sorge, eine Zulassung von Geschiedenen und Wiederverheirateten zur Eucharistie könnte bei anderen Gläubigen Ärgernis und Verwirrung hervorrufen. Johannes Paul II. spricht von der üblichen Praxis der Kirche, so zu handeln, aber nicht von einer Rechtsnorm, die das vorschreiben würde. Sein Schreiben ist ein Lehrschreiben, kein Gesetzbuch. Es enthält keine Normen, die zwingend anzuwenden wären. Und ob Praxis alleine schon wegen ihrer langen Übung richtig ist, kann und darf hinterfragt werden.



Das Vorbereitungsdokument zur Bischofssynode im Oktober 2015 kommt in Nr. 121 ebenfalls auf diese Praxis zu sprechen. Dort ist die Rede von „Formen des Ausschlusses, die gegenwärtig praktiziert werden“. Mit dem Wort „gegenwärtig“ wird aber schon angedeutet, dass diese Praxis zukünftig auch eine andere sein könnte.







Barmherzigkeit und geltendes Recht



Die Deutsche Bischofskonferenz weist zu Recht darauf hin, dass die gegenwärtige Praxis, Geschiedene und Wiederverheiratete von der Eucharistie auszuschließen, von vielen Katholiken nicht verstanden und als unbarmherzig bewertet wird. Es wird daher von der Bischofssynode 2015 ein barmherzigerer Umgang mit solchen Katholiken erwartet. Die von Johannes Paul II. vermutete Sorge scheint nun auch eine ganz andere Wendung genommen zu haben: Nicht die Zulassung, sondern die Verweigerung der Eucharistie für Geschiedene und Wiederverheiratete ruft bei den Gläubigen Verwirrung und Ärgernis hervor. Ein Kirchenrechtler hat kürzlich geschrieben, die Kirche brauche nicht Barmherzigkeit zu üben, sie müsse nur ihr geltendes Recht anwenden und ausschöpfen: Es gibt nämlich keine Norm im geltenden Kirchenrecht, die den Ausschluss von Geschiedenen und Wiederverheirateten von der Eucharistie rechtfertigen würde.







Keine Exkommunikation



Manche berufen sich mit ihrer Praxis auf c. 915 CIC/1983. Dort heißt es, dass Gläubige, die aufgrund eines Gerichtsurteils mit der Exkommunikation oder mit dem Interdikt bestraft sind, nicht zur Kommunion zugelassen werden dürfen. Geschiedene und Wiederverheiratete können davon nicht betroffen sein, weil ein entsprechender Straftatbestand fehlt und deshalb gerichtlich auch keine Strafe verhängt werden kann. Ebenso dürfen Gläubige, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren, nicht zur Eucharistie zugelassen werden. Diese Situation darf nicht mit dem von Johannes Paul II. erwähnten „objektiven Widerspruch zum Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche“ gleichgesetzt werden. Denn eine schwere Sünde setzt nach dem Lehramt der Kirche immer ein subjektives Bewusstsein schwerer Schuld und ein freies, bewusstes Handeln gegen den Willen Gottes voraus. Ob sich ein Mensch im Zustand schwerer Sünde befindet, kann nur im Beichtstuhl geklärt werden, aber nicht durch den Spender der Kommunion. Und Wissen aus dem Beichtstuhl darf wegen des Beichtgeheimnisses bei der Kommunionspendung nicht verwendet werden. Zudem kann die Hartnäckigkeit nicht einfach angenommen werden.







Grundrecht auf Sakramentenempfang



Der c. 916 CIC/1983 wendet sich an den möglichen Empfänger der Kommunion und macht darauf aufmerksam, dass derjenige, der sich einer schweren Sünde bewusst ist, erst nach der sakramentalen Beichte die Kommunion empfangen darf. Ob eine solche Situation schwerer Sünde besteht, kann also nur der einzelne Gläubige entscheiden, nicht aber ein Kommunionspender. Ansonsten gilt für alle Katholiken das Grundrecht auf Sakramentenempfang (cc. 213 und 843 § 1 CIC/1983), das nur aufgrund eines im Recht vorgesehenen Grundes und nicht durch Entscheid eines Pfarrers oder eines anderen Kommunionspenders eingeschränkt werden darf.



Wer geschieden und nicht wieder verheiratet ist, der ist in seinen kirchlichen Rechten in keiner Form eingeschränkt oder gehindert. Das schließt nicht aus, sondern ein, dass sich ein Gläubiger in dieser Situation prüfen muss, ob er nicht durch eigenes schuldhaftes Verhalten die Scheidung (mit) herbeigeführt hat. Das wäre aber dann eine Frage, die in den Beichtstuhl gehört.



Wer nach der Scheidung zivil wieder geheiratet hat, der verletzt objektiv das nach wie vor bestehende Band der ersten Ehe. Oft genug fällt die Entscheidung zu einer neuen Verbindung aber z.B. mit Rücksicht auf die noch kleinen Kinder oder weil jemand alleine nicht leben kann und will. Johannes Paul II. weist darauf hin, dass solche Situationen sehr differenziert zu beurteilen sind. Die Bischofssynode wird hoffentlich weiter darüber nachdenken, welche differenzierten Folgen aus solchen ganz unterschiedlichen Situationen zu ziehen sind. Schon nach geltendem kirchlichem Recht wählt die Kirche aber nicht den Weg der Strafe und der Einschränkung von Rechten, sondern den Weg der seelsorglichen Begleitung und Ermutigung. Das Vorbereitungsdokument für die Bischofssynode sagt daher ganz deutlich, dass auch die geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken zur Kirche gehören, nicht an den Rand gedrängt und auch nicht lieblos behandelt werden dürfen.







Unauflöslichkeit bleibt



Wenn aber nun ein besorgter Katholik ein „Ja, aber …“ einwirft und Sorge hat um die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe, dann möchte ich ihm zweierlei antworten. Zum einen sagt das Vorbereitungsdokument zur Bischofssynode in Nr. 68: „Die Barmherzigkeit nimmt der Wahrheit nichts weg“ und will damit ausdrücken, dass ein barmherziger Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten nicht im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Und als zweite Antwort möchte ich auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15, 11-32) hinweisen: Der jüngere Sohn wird wegen seines Verhaltens vom Vater nicht gelobt – aber er wird wieder aufgenommen und in alle Rechte eines Sohnes eingesetzt. Die selbstgerechte Empörung des älteren Sohnes wird vom Vater entschieden zurückgewiesen: Für beide Söhne gilt es, das Rechte zu tun und, soweit sie es vermögen, dem Willen des Vaters zu entsprechen.






Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016