Katholiken aus dem Osten?

11. Januar 2021 | von

Aus dem Osten kommen die Sterndeuter zur Krippe, die in den vergangenen Monaten Teil einer bisweilen erhitzt geführten Rassismusdebatte waren. Aus dem Osten kommen auch ostkirchliche Katholiken, die mit der römisch-katholischen Kirche in Gemeinschaft leben. 

In den ersten Januartagen bekommen die Figuren an unseren Krippen regelmäßig Zuwachs: Da ziehen die „drei Könige“ auf, oft mit prächtigem Gefolge und mit Reittieren wie Elefanten und Kamelen. Sie bringen reiche Gaben mit: Gold, Weihrauch und Myrrhe – Geschenke, die eines Königs würdig sind. Genau darum geht es bei der Geschichte von den „drei Königen“: das Kind in der Krippe als König auszuweisen. Wo vorher ein ärmlicher Stall war, ist nun ein königlicher Palast; wo Weihnachten vorher nach Stroh und Mist gerochen hat, breitet sich nun Weihrauchduft aus. 
Diese „drei Könige“ werden ganz unterschiedlich dargestellt: als Repräsentanten der drei Lebensalter der Jugend, des Erwachsenseins und des Alters, oder als Vertreter verschiedener Völker mit weißer, brauner und schwarzer Hautfarbe. Wenn in diesem Jahr einige Pfarreien den schwarzen König von der Krippe verbannen wollen, weil das angeblich rassistisch und diskriminierend ist, zeigt das, dass die Verantwortlichen die zentrale Botschaft dieser Darstellung nicht verstanden haben: Gottes Heil gilt allen Menschen. Gott hat sich in Jesus allen Menschen als Erlöser gezeigt – ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe und ihrer Nationalität. So gesehen ist der schwarze König an unseren Krippen ein klares Statement gegen jeden Rassismus.

Göttliches Heil für alle
Wer die Geschichte von den „drei Königen“ in der Bibel sucht, wird enttäuscht sein: In den Weihnachtsevangelien kommen nämlich keine Könige vor. Nur der Evangelist Matthäus bietet uns in Kapitel 2, Verse 1-12 einen Anhaltspunkt: Da ist die Rede von Sterndeutern aus dem Osten, die nach Jerusalem kommen, um den neugeborenen König der Juden zu suchen. Bei diesen Gottsuchern handelt es sich um Sterndeuter oder Magier – ihre Zahl bleibt unbestimmt. Es handelt sich um Menschen, die ein geheimes Wissen besitzen, das sie aus der Beobachtung der Sterne gewinnen, und es sind Heiden – im Verständnis der Bibel also Menschen, die nicht jüdischen Glaubens sind. Und sie kommen aus dem Osten, wobei auch ihr Herkunftsland nicht genannt wird. Was Matthäus uns damit sagen will, liegt auf der Hand: Menschen aus allen Völkern und Kulturen können in Jesus Christus das Heil finden, wenn sie ihn denn suchen. Die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk und Glauben ist keine Voraussetzung dafür. Und: Die Heilsgemeinschaft des Volkes Gottes ist viel weiter, größer und vielfältiger, als das die Frommen zur Zeit Jesu wahrhaben wollten. Mit dem schwarzen König geht es also gerade nicht darum, bestimmte Menschen rassistisch auszugrenzen, sondern es geht darum, unterschiedslos alle Menschen in die Heilsgemeinschaft des Volkes Gottes einzubeziehen.

Ostkirchliche Katholiken
Ich bin mir nicht sicher, ob wir Frommen von heute den Zuwachs wahrgenommen haben, den die katholische Kirche in Deutschland in den letzten Jahren erfahren hat: Etwa 200.000 Menschen katholischen Glaubens sind „aus dem Osten“, wie Mt 2,1 sagt, zu uns gekommen, vor allem aus Syrien, dem Irak und Ländern Afrikas. Sie kamen weder als Sterndeuter und Magier noch als Könige zu uns, sondern sie kamen als Flüchtlinge. Sie brachten auch keine üppigen Geschenke mit, sondern in der Regel leere Hände, die gefüllt werden wollten. Was sie aber mitgebracht haben, das ist eine bunte Vielfalt, die uns Katholiken bislang meist fremd war. Diese Katholiken „aus dem Osten“ sind zwar katholisch wie wir, aber sie gehören nicht der lateinischen Kirche an, die auch römisch-katholische Kirche genannt wird, sondern sie kommen aus etwa 14 verschiedenen katholischen Kirchen mit je eigener Rechtsordnung und mit je eigenen liturgischen Riten. Diese ostkirchlichen Katholiken stellen eine Art Bindeglied zwischen den orthodoxen oder orientalischen Kirchen einerseits und der katholischen Kirche andererseits dar: Mit den Orthodoxen oder Orientalen ihrer Heimat haben sie die liturgischen Riten und kirchlichen Gebräuche gemeinsam, als Katholiken leben sie aber in Gemeinschaft mit dem Papst. Das wird unter anderem auch dadurch erkennbar, dass der Papst den CCEO (Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium) als das kirchliche Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen erlassen hat, der sich in manchem vom ebenso vom Papst erlassenen CIC (Codex Iuris Canonici) als dem Gesetzbuch für die lateinische Kirche unterscheidet. Um nur ein Beispiel zu nennen: Während c. 277 § 1 CIC alle Kleriker (mit Ausnahme der Ständigen Diakone) zum Zölibat, also zur ehelosen Lebensweise verpflichtet, sprechen die cc. 373 und 374 CCEO sowohl von unverheirateten als auch von verheirateten Klerikern; gemäß c. 373 CCEO ist der Stand der verheirateten Kleriker in der Praxis der jungen Kirche und der orientalischen Kirchen durch die Jahrhunderte bestätigt und soll in Ehren gehalten werden.

Gleiches Recht, gleiche Ehre
In Art. 1 des Dekrets über die katholischen Ostkirchen hat das II. Vatikanische Konzil gesagt: „Die Ostkirchen mit ihren Einrichtungen und liturgischen Bräuchen, ihren Überlieferungen und ihrer christlichen Lebensordnung sind in der katholischen Kirche hochgeschätzt.“ In Art. 4 der Liturgiekonstitution hat das Konzil den verschiedenen katholischen Rituskirchen gleiches Recht und gleiche Ehre zuerkannt. Die einzelnen Riten sollen gemäß c. 39 CCEO gewissenhaft bewahrt und gefördert werden und c. 40 CCEO verpflichtet alle Gläubigen, sich um eine bessere Kenntnis der verschiedenen Riten zu bemühen.

Unterschiedliche Praxis
Dabei geht es nicht um eine nur theoretische Kenntnis, sondern um die unterschiedliche Praxis des Glaubens. Uns betrifft das, weil die meisten katholischen Ostkirchen in Deutschland keine eigene kirchliche Struktur besitzen und eigene Geistliche auch kaum zu finden sind. Für die Mitfeier der Gottesdienste und für den Empfang der Sakramente sind die orientalischen Katholiken daher auf die römisch-katholischen Bischöfe und auf unsere Pfarrer und Pfarreien verwiesen. Wer etwa die Erstkommunion mit vorbereitet, muss wissen, dass orientalische Katholiken die Sakramente der Myron-Salbung (Firmung) und der Eucharistie in ein und derselben Feier zusammen mit der (Kinder-)Taufe empfangen; Kinder orientalischer Katholiken können also schon vor dem üblichen Erstkommunionalter die Eucharistie empfangen. Die Myron-Salbung oder Firmung darf nur einmal gespendet und nicht wiederholt werden (c. 845 § 1 CIC; c. 672 § 1 CCEO); das ist bei der Firmvorbereitung zu beachten, weil orientalisch-katholische Christen dieses Sakrament bereits im Zusammenhang mit der Taufe empfangen haben. Damit eine kirchliche Eheschließung gültig ist, muss ein Priester assistieren und den Brautsegen spenden (c. 1108 § 3 CIC; c. 828 CCEO); in der lateinischen Kirche kann auch ein Diakon der Eheschließung gültig assistieren (c. 1108 § 1 CIC). Weil mit der Taufe die Eingliederung in eine konkrete Rituskirche erfolgt, muss beim Eintrag in das Taufbuch auch die Rituskirche angegeben werden, welcher der Getaufte angehört (cc. 111 § 1 u. 535 § 2; cc. 678 § 1, 683 u. 689 § 1 CCEO). Viele weitere Hinweise finden sich in einer Handreichung, die von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht worden ist (DBK, Arbeitshilfe Nr. 316, 24.08.2020).
Wenn wir dieses Jahr die „drei Könige“ an unseren Krippen aufstellen, sollten wir das mit dem Bewusstsein tun, dass es mitten unter uns auch Christen „aus dem Osten“ gibt, die wie wir die Nähe Jesu suchen.

 

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Zuletzt aktualisiert: 11. Januar 2021
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