Kirchenasyl
24. September 2015
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Was derzeit die Öffentlichkeit stark beschäftigt, sind die Flüchtlinge, die aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns kommen; und es werden immer mehr, die Zuflucht in unserem Land suchen. Nicht nur die aufzunehmende Anzahl der Menschen auf der Flucht wird kontrovers diskutiert, auch die Kriterien für ihre Anerkennung.
Der Staat hat bestimmte Kriterien, nach denen er Asyl gewährt oder verweigert. Diejenigen, die abgelehnt werden, haben oft die große Angst, dass sie bei ihrer Rückkehr um Leib und Leben fürchten müssen. Sie wenden sich dann nicht selten an die Kirchen, ob ihnen nicht Kirchenasyl gewährt werden kann.
Kirchenasyl ist eigentlich nichts Neues. Es gab diesen besonderen Schutz für Verfolgte schon im Mittelalter. Innerhalb der Mauern einer Kirche konnte jemand Zuflucht suchen vor seinen Verfolgern, vor allem vor staatlicher Gewalt.
So erreichte uns im Kloster Maria Eck im April dieses Jahres der Anruf einer pensionierten Mitarbeiterin der Caritas, die ehrenamtlich für Amnesty International arbeitet. Sie fragte an, ob wir einen jungen Syrer bei uns aufnehmen könnten, der mit seiner Familie aus dem Kriegsgebiet in Syrien geflohen sei, und dessen Frau mit seinen vier Kindern in der Türkei in einem Flüchtlingslager lebte. Nach den sogenannten Dublin-Verträgen müsste er nach Ungarn zurück, weil er dort in die EU eingereist ist. Er hat aber große Angst, dass er dort menschenunwürdig behandelt wird: In Ungarn will man keine Flüchtlinge haben.
Diese Anfrage war für uns eine neue Herausforderung und stellte uns vor viele Fragen. Zunächst, ob das vom Staat her überhaupt möglich ist, oder man da nicht straffällig wird und mit gerichtlichen Auseinandersetzungen rechnen muss und schließlich, auf was man sich da im Einzelnen einlässt. Wir fragten deshalb zunächst bei der Diözese an. Dort wurden wir an das Katholische Büro verwiesen, wo uns eine Mitarbeiterin sachlich kompetente Auskunft geben konnte. Wir wurden auf die Veröffentlichungen der deutschen Bischofskonferenz zu diesem Thema hingewiesen, in denen die Sorge um Asylanten befürwortet wird. Es wurden uns Gruppen in der Kirche genannt, die sich für ein Kirchenasyl einsetzen, die für rechtlichen Beistand sorgen oder selber Kirchenasyl durchführen.
Es wurde uns bestätigt, dass zwischen dem Staat und der Kirche ein sogenanntes „Agreement“ bezüglich Kirchenasyl besteht: Der Staat will zwar nicht, dass die Kirche Asyl gewährt, weil die abgelehnten Asylbewerber ja nach Recht und Gesetz abgewiesen würden, aber er duldet es stillschweigend. Allerdings muss derjenige, der Kirchenasyl in Anspruch nimmt, beim Ausländeramt gemeldet sein und darf den Kirchengrund oder den Klosterbesitz in der Zeit des Kirchenasyls nicht verlassen.
Wir haben im Konvent den an uns ergangenen Hilferuf besprochen und beschlossen, den Asylsuchenden bei uns aufzunehmen. Da bei uns im Konvent ein Zimmer frei war, konnten wir ihm dort Obdach gewähren. Unser Syrer nimmt mit uns die Mahlzeiten ein und hilft auch bei Arbeiten im Kloster mit.
Wir waren zunächst sehr unsicher, was wohl auf uns zukommen würde, hatten viele Fragen und Befürchtungen. Gott sei Dank waren alle Befürchtungen unnötig. Unser Gast aus Syrien fühlt sich bei uns wohl und ist sehr dankbar, dass wir ihm bei uns Zuflucht gewährt haben. Wir haben Freundschaft mit ihm geschlossen und warten nun darauf, dass er nach einer Überbrückungszeit von einem Vierteljahr als Asylant angenommen wird und seine Familie zu ihm nach Deutschland nachkommen kann. Wir sind froh, dass wir uns zu dieser konkreten Geste der Mitmenschlichkeit durchgerungen
haben!
Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016