Konservativer Katholik mit Blick nach vorn

22. Januar 2010

 Romano Guardini war einer der bedeutendsten deutschen Religionsphilosophen, Theologen und Pädagogen. Der vielseitige Gelehrte hat, weit über den Bereich von Kirche und Theologie hinaus, vielen geisteswissenschaftlichen Disziplinen wichtige Impulse gegeben. Vor 125 Jahren wurde er in Verona geboren.



 Dass unzählige Briefmarken mit dem Bildnis von Staatsoberhäuptern, Erfinderinnen, Päpsten oder Kunstschaffenden im Umlauf sind, verwundert niemanden. Höchst außergewöhnlich aber ist, dass die Deutsche Bundespost 1985 ein Wertzeichen mit dem Konterfei eines ‚ganz gewöhnlichen’ Theologen herausgab, und zwar anlässlich seines 100. Geburtstags. Die Rede ist von Romano Guardini, dessen Lebenswerk damit auch von staatlicher Seite gewürdigt wurde.



„Ich liebe die Universität", schrieb Romano Guardini 1954. Das bezog sich auf die Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo der inzwischen zum Startheologen Avancierte seit sechs Jahren lehrte.



Als Guardini 1948 den Ruf nach München erhielt, war er bereits 63 Jahre alt. Den dortigen Lehrstuhl für Religionsphilosophie und Christliche Weltanschauung hatte er bis 1962 inne. Aber auch noch nach seiner Lehrtätigkeit, bis zu seinem Tod im Jahr 1968, wirkte Guardini in der bayrischen Landeshauptstadt als Seelsorger. Seine Eucharistiefeiern und Predigten in der Universitätskirche St. Ludwig gehörten zu den meistbesuchten, wobei gerade Jugendliche einen großen Teil der Anwesenden ausmachten.



Guardini? Romano? Wie kommt ein Deutscher zu einem italienischen Namen? Ganz einfach, weil seine Eltern aus Italien stammten. Romano Guardini wurde am 17. Februar 1885 in Verona geboren. Ein Jahr später siedelte die Familie nach Mainz über. Nach dem Abitur und zwei Semestern Chemie in Tübingen und drei Semestern Nationalökonomie in München und Berlin studierte Guardini in Freiburg im Breisgau und in Tübingen Theologie. 1910 ließ er sich zum Priester weihen. 1915 promovierte er in Freiburg zum Doktor der Theologie. In der Folge habilitierte er sich in Bonn in Dogmatik mit einer Arbeit über Bonaventura. Gleichzeitig engagierte er sich in der katholischen Jugendbewegung Quickborn, deren geistliches Zentrum die Burg Rothenfels am Main war.



Liturgie und Literatur



Seine akademische Laufbahn begann Guardini in Bonn, wo er ab 1920 Dogmatik lehrte. Drei Jahre später erreichte ihn ein Ruf an die Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) in Berlin, wo er den neu errichteten Lehrstuhl für Katholische Weltanschauung übernahm. Schon damals hatte der junge Gelehrte mit seinen Vorlesungen sensationelle Erfolge. Sogar Vertreter des diplomatischen Korps der Hauptstadt fanden sich im Hörsaal ein. 1939 wurde der Theologieprofessor auf Druck der Nationalsozialisten zwangsemeritiert, worauf er sich vorübergehend wieder in der praktischen Seelsorge und als Schriftsteller betätigte. Damit aber war seine akademische Laufbahn keineswegs beendet. Ab 1945 lehrte Guardini an der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität in Tübingen Religionsphilosophie und christliche Weltanschauung. 1948 erfolgte die Berufung nach München.



Als Universitätsprofessor, theologischer Schriftsteller und Gelehrter blieb Guardini zeitlebens ein Grenzgänger zwischen Literatur, Philosophie und Theologie. Aber auch zwischen Kirche, Kunst und Gesellschaft. Das Spektrum seiner Untersuchungen reicht von Sokrates, Plato und Augustinus über Dante, Pascal und Kierkegaard, bis hin zu Hölderlin, Nietzsche, Dostojewskij und Rilke. Neben theologischen und philosophischen Werken veröffentlichte Guardini auch Aufsätze über psychologische und religionspädagogische Probleme. Und immer wieder äußerte er sich zu brennenden Gegenwartsfragen, wovon vor allem seine berühmten Briefe vom Comer See zeugen.



Letztlich verfolgte der Gelehrte dabei immer ein religiöses Anliegen. Es gibt kaum ein Werk von ihm, in welchem er, und sei es bloß indirekt, die Glaubensfrage nicht thematisiert hätte. In manchen Veröffentlichungen kommt dieses Anliegen schon im Titel zum Ausdruck, so etwa in den Schriften Glaubenserkenntnis, Gläubiges Dasein, Vom Leben des Glaubens, Der Mensch und der Glaube. Dabei blieb Guardini zeitlebens der kirchlichen Überlieferung verpflichtet. Allerdings wusste er sehr genau zu unterscheiden zwischen der großen Apostolischen Tradition und den im Lauf der Zeit ihr zugewachsenen und deshalb zeitbedingten Traditionen. Er war ein skeptischer Konservativer, der für Neuerungen durchaus offen war. Besonders deutlich wird das in seinen Überlegungen über die Kirche als Glaubensgemeinschaft oder in seinen Werken über die Liturgie. Wie sehr er von der Bedeutung der Liturgie für das Leben der Kirche überzeugt war, beweist die große Zahl seiner diesbezüglichen Studien. Zu Recht gilt Romano Guardini als einer der Wegbereiter der vom Zweiten Vaticanum eingeleiteten Liturgiereform.



Am 1. Oktober 1968 starb der in seinen letzten Lebensjahren häufig von Schwermut heimgesuchte Gelehrte in München. Begraben wurde er auf dem Priesterfriedhof St. Laurentius in München-Nymphenburg. 1997 überführte man seine Gebeine in eine Seitenkapelle der Ludwigskirche, in der er während vieler Jahre überaus segensreich gewirkt hatte.



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016