Lebensgefahr für Christen
Die Christenverfolgung ist nicht nur ein historisches Ereignis. Über 300 Millionen Christen weltweit können ihren Glauben nicht nur nicht frei praktizieren, sondern werden obendrein Opfer von Einschüchterung und Gewalt. Unser Autor wirft einen Blick auf die Not unserer Schwestern und Brüder.
Gewarnt hat Jesus seine Jünger durchaus. Der Evangelist Johannes lässt ihn beispielsweise im 15. Kapitel seines Evangeliums prophezeien: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.“ (Joh 15,20) Matthäus überliefert dann einen Jesus-Spruch, der auf die überirdische „Belohnung“ für die angekündigte Verfolgung abzielt: „Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.“ (Mt 5,11f.) Und im Römerbrief scheint Paulus seine Leserinnen und Leser schließlich zum passiven Erdulden dieser Gewalt aufzufordern: „Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht!“ (Röm 12,14)
Verfolgung im Römischen Reich
Solange die Jesus-Bewegung eine verschwindend kleine Minderheit ist, müssen die Christen nicht wirklich um ihr Leben fürchten. Auch Jesus selbst wird weniger aus religiösen Gründen umgebracht als vielmehr wegen „politischem Aufrührertums“, wie die Kreuzesinschrift „König der Juden“ unübersehbar angibt. Schon bald aber kommt es zu immer mehr Konflikten mit der jüdischen Umwelt, die schließlich zur Steinigung des Stephanus führt, des ersten Martyrers der Kirche.
Die staatlichen Behörden vermeiden zunächst eine Einmischung in das, was man für einen innerjüdischen Konflikt hält – je mehr das Christentum aber zahlenmäßig zunimmt und je weiter es sich vom Judentum entfernt, desto aufmerksamer beobachten die Römer die neue Religion. Mit ihrem Glauben und ihrer Moralvorstellung bieten die Christen obendrein eine klare Alternative zum römischen Götterkult, die schließlich auch zu unausweichlichen Konflikten führt: Christen wollen dem Staat gegenüber zwar eigentlich loyal sein, dürfen sich aber an den Staatsopfern und der Verehrung des Kaisers nicht beteiligen. Es entwickelt sich im Abseits ein gewisses religiöses Eigenleben, das sich aber zunehmender Kritik gegenübersieht. Über Christen werden Gerüchte verbreitet, sie werden immer wieder als Sündenbock gebraucht – siehe Nero, der den Christen die Schuld am Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. unterschieben will – und obendrein wird ihr Glaube selbst und grundsätzlich in Frage gestellt. Bis ins Jahr 249 n. Chr. kommt es dann immer wieder zu Anzeigen und einzelnen Übergriffen, die mit dem Regierungsantritt von Kaiser Decius schließlich „systematisiert” werden: Wer sich nun an den Opfern für die Staatsgötter nicht beteiligt, muss mit der Todesstrafe rechnen. Jemand wie der heilige Fabian, 236 zum Bischof von Rom gewählt, bleibt standhaft – und wird daraufhin am 20. Januar 250 umgebracht. Sehr viele mehr aber geben ihren Glauben auf, um ihr Leben zu retten. Valerian, römischer Kaiser ab 253, wendet sich mit zwei Edikten direkt gegen die Christen und versucht, ihren Einfluss weiter zurückzudrängen. Es folgen drei Jahrzehnte halbwegs friedlicher Koexistenz, bis schließlich die Christenverfolgung unter Diokletian ab 284 neu aufflammt. Immer mehr Christen sind aber mittlerweile bereit, tatsächlich für ihren Glauben zu sterben – und die Herrscher des Reichs sind sich keineswegs mehr einig in ihrem Verfolgungseifer. Galerius erlässt schließlich 311 ein erstes „Toleranzedikt“, 313 gefolgt von der „Mailänder Vereinbarung“, die wesentlich mit Kaiser Konstantin verbunden ist. Nun ist es nicht mehr lebensgefährlich, Christ zu sein oder zu werden.
Zu jeder Zeit, an allen Orten
Die Geschichte kennt weitere Phasen intensiver Christenverfolgung – sowohl zeitlich als auch regional. Im Mittelalter kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Religionen, wofür nicht zuletzt die Kreuzzüge Pate stehen. Wechselseitige Verfolgungen prägen das Verhältnis zwischen dem Christentum und dem Islam. Nach großen Missionserfolgen in Japan, angeführt von Franz Xaver (1506-1552), schlagen die Herrscher zurück. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird das Christentum schrittweise verboten, zigtausende Christen werden getötet. Die Französische Revolution von 1789 kann anfangs auf eine nicht unwesentliche Unterstützung des Klerus bauen – wendet sich aber schon bald unter dem Stichwort der „Aufklärung“ massiv gegen die Kirche. Zahlreiche Klöster werden aufgehoben, Kirchenbesitz wird eingezogen, Christen verlieren ihr Leben. Die Christenverfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland ist nicht in erster Linie systematisch organisiert, wer sich aber aus religiösen Gründen gegen die Politik des NS-Regimes richtet, muss mit massivem Widerstand rechnen. Zahlreiche Christen landen wegen ihres Engagements in Konzentrationslagern – auch wenn die Verfolgung der Juden ein weitaus größeres und bis dahin unvorstellbares Ausmaß annimmt. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts müssen vor allem die Christen in kommunistischen Ländern um ihr Leben fürchten oder ihre religiöse Praxis in den Untergrund und ins Heimliche verlagern. In Ländern wie der Sowjet-
union oder der Tschechoslowakei muss die Kirche ständig mit Zwangs- und Gewaltmaßnahmen rechnen.
Abseits der Weltöffentlichkeit
Und heute? Das Thema „Christenverfolgung“ steht selten im Fokus der Weltöffentlichkeit. Zum Glück engagieren sich hierzulande Viele für die Rechte von Minderheiten, Menschenrechtsverletzungen werden angeprangert und das Gewährleisten von Grundrechten eingefordert. Wo es aber um die Reaktion auf die weltweite Christenverfolgung geht, beklagt die Zeitung „Die Welt“ „Deutschlands lautes Schweigen“.
Das christliche Hilfswerk „Open Doors“, 1955 von dem Niederländer Anne van der Bijl gegründet, versucht nicht nur, ganz konkret verfolgten Christen in aller Welt zu helfen, sondern die Öffentlichkeit über das Maß der Verfolgung zu informieren. Der veröffentlichte „Weltverfolgungsindex“ ist zwar in seiner Methodik nicht ganz unumstritten und basiert auf einer relativ weiten Definition von „Verfolgung“, liefert aber ein eindrucksvolles Zeugnis, in wie vielen Ländern der Welt auch heute noch Christen Schikanen, Diskriminierung und Lebensgefahr ausgeliefert sind. Laut „Open Doors“ ist in 74 Ländern das Recht von Christen auf freie Ausübung ihrer Religion eingeschränkt – deutlich über 300 Millionen Christen seien irgendeiner Form der Verfolgung ausgesetzt. Besonders schlimm, so Markus Rode, Leiter von „Open Doors Deutschland“, sei die Lage in Afrika. Wo Regierungen korrupt seien und es in Folge ein Machtvakuum gäbe, hätten es islamistische Gruppierungen leicht, ihre Kalifate zu gründen und dabei Christen rücksichtslos aus dem Weg zu räumen. Kirchen werden niedergebrannt, Christen entführt und exekutiert. Im Berichtszeitraum 01.10.2019 bis 30.09.2020 wurden in Nigeria 3.530 getötete Christen verzeichnet, weitgehend unbemerkt von der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Den ersten Platz auf dem Weltverfolgungsindex allerdings belegt zum 20. Mal in Folge das kommunistische Nordkorea. Hier verbringen unzählige Christen jahrelange Haftstrafen in brutalen Arbeitslagern. Und für das benachbarte China gilt, so „Open Doors“: „Wer Gott über den Staats- und Parteichef Xi Jinping setzt, muss mit Bestrafung rechnen.“
Mit dieser Ausgabe des Sendboten beginnen wir eine Reihe, die über die Situation verfolgter Christen weltweit berichten will. Ausgabe für Ausgabe werden wir Länder vorstellen, in denen die Lage für Menschen, die an Jesus glauben, besonders bedrohlich ist.