Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

Der Portiunkula-Ablass ist in unserer katholischen Welt ein beliebter Brauch mit langer Tradition. Franz von Assisi hatte ein göttliche Eingebung und erwirkte von Papst Honorius III. einen Ablass für das kleine Landkirchlein, das er selbst instand gesetzt hatte. Dieser Ablass wurde später auf alle franziskanischen Kirchen und Pfarreien übertragen. Der heilige Franz wollte möglichst vielen Menschen die Gnade des Ablasses eröffnen. Es sollten nicht nur die Wallfahrer des heiligen Landes oder der Gräber der Apostel Petrus und Paulus davon profitieren, sondern auch das arme Volk Umbriens, wenn es die Marienkapelle besuchte.

1310 wandte sich Bischof Teobaldo von Assisi in einem Brief an alle Christen in dem er daran erinnerte wie der Portiunkula-Ablass gewährt worden war und mit dem er dessen Rechtmäßigkeit bestätigte. Das Schreiben war eine Reaktion auf jene kritische Stimmen, die – vielleicht aus Neid – die Rechtmäßigkeit des Portiunkula-Ablasses angezweifelt hatten.

Diesen Aspekt des heiligen Franziskus mag manch einer dem tiefsten Mittelalter zuordnen, weit weg von unserer heutigen Auffassung. Ich finde aber, genau dieses christliche Zeugnis des Heiligen von Assisi sollte uns ermuntern, eine heikle Praxis wieder zu entdecken. Von der Geschichte des Ablasses, auch von seinen Missbräuchen, die zu Recht verurteilt wurden und beseitigt werden mussten, schreibt unser Autor Josef Imbach im aktuellen Thema des Monats.

Franz von Assisi empfand ganz tief die Größe Gottes und wusste um die unendliche Liebe des Vaters, die nicht nach Gegenleistung fragt. Der Ablass, den er vom Papst erbat, entstand nicht aus einem beschränkten oder abergläubischen Glauben. Seine Überzeugung war nicht, dass der vollkommene Nachlass der Sünden an eine menschliche Handlung, wie eine Wallfahrt oder Almosen, geknüpft sei, dass der Nachlass eine Abkürzung zum Paradies wäre, die davon abhinge, wie sehr man sich bei der Umkehr ins Zeug legte.

Der Ablass wird einerseits in der Kirche nicht überbewertet. Grundlegend für das christliche Leben sind die Sakramente, die Eucharistie und die Wiederversöhnung mit Gott: denn ohne die Vergebung der Sünden durch das Sakrament gibt es auch keine neue geistliche Hilfe, die uns durch den Ablass geschenkt wird. Andererseits – würden wir die Gnade des Ablasses leugnen, wäre das ein Zeichen von Unverständnis und Überheblichkeit.

Beim Ablass ist es wie in der Parabel des Evangeliums: Der barmherzige Vater vergibt dem verlorenen Sohn ohne Wenn und Aber. Aber die Zeit, die der Sohn weit weg von Zuhause verbracht hat, hat ihn auch gezeichnet, hat Spuren hinterlassen, schlechte Gewohnheiten eingegraben – es ist also notwendig, dass er, wie in einer Rekonvaleszenz des Geistes – zu einem unbelasteten Verhältnis zu Vater und Bruder zurückfindet.

Der Ablass bedeutet in diesem Sinne, dass einem Menschen, dem bereits verziehen wurde, der aber immer noch die Spuren der verübten Sünde in sich trägt, diese spirituelle Gesundung und Erneuerung erleichtert wird.

Unser Heiliger war einer der großen Prediger und Vermittler der Barmherzigkeit Gottes. Ich wünsche Ihnen, liebe Freunde der Antonianischen Familie, dass sie in diesem Heiligen Jahr dankbar und mit Freude alle Zeichen der Güte unseres himmlischen Vaters erfahren dürfen.

Pace e bene!

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016