Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

Pace e bene! Friede und Heil! So lautet der vertraute franziskanische Gruß, mit dem ich mich jeden Monat von der Basilika aus an Sie, liebe Leserinnen und Leser des Sendboten, wende. In diesem Monat möchte ich ihm besonders viel Herzlichkeit mit auf den Weg geben, denn der Oktober steht für uns Franziskaner-Konventualen (ebenso für viele Brüder und Freunde) ganz im Zeichen des Gedächtnisses des heiligen Franziskus von Assisi.

Wie der biblische Ausdruck Shalom, umfaßt auch dieser Gruß viele Aspekte: göttlicher Segen, Friede, von Gott geschenkt und durch unseren Einsatz verbreitet, Heiterkeit, Kraft, Hoffnung... Der Herr gewähre Ihnen auf die Fürsprache unseres Heiligen Friede und Heil!

Franziskus ruft uns auch heute noch dazu auf, uns für den Frieden und die Solidarität unter den Menschen einzusetzen – allgemeingültige Werte, die im Leben des Poverello konkret wurden.

Ende Oktober treffen sich zahlreiche Vertreter der Weltreligionen in Rom und Assisi, um das fortzuführen, was beim ersten Treffen zur Interreligiösen Ökumene am Gebetstag in Assisi am 27. Oktober 1986 grundgelegt wurde.

Damals wurde der Geist von Assisi geboren, der Geist des Dialoges und der Versöhnung – heute angesichts der Konflikte zwischen Juden und Moslems mehr denn je gefragt -, der Geist der Zusammenarbeit angesichts der großen menschlichen Dramen des Krieges, der ökonomischen Ungerechtigkeiten und all den anderen Menschenrechtsverletzungen. Der Geist von Assisi soll aber keinesfalls bedeuten, daß die Religionen zu einem Einheitsbrei verkocht, daß sie alle auf eine gemeinsame Ebene gestellt werden, daß der missionarische Eifer und das Zeugnis des eigenen Glaubens vernachlässigt werden. Freilich gab es auch kritische Stimmen und Ratlosigkeit angesichts der Initiative zum Dialog zwischen den Religionen. Die Initiative wurde beschuldigt, sie betreibe Synkretismus und Relativismus, als ob Dialog gleichzusetzen wäre mit einer Einladung, oberflächlich verschiedene Arten der Gottesbilder und -begegnung zu übernehmen und mit Eigenem zu vermischen, als ob man jede Religion als gleich wertvollen Weg zum Heil ansehen würde. Vielmehr ist es doch so, daß die offene und ehrliche Begegnung mit dem anderen erkennen läßt, daß der Herr das Licht seines Heils großzügig über die ganze Welt scheinen läßt. Der Heilige Geist macht vor den Grenzen zwischen den Religionen nicht halt. Er trägt die Gnade dorthin, wo er ein offenes Herz findet. Freilich, es gibt viel, was uns trennt, aber in entscheidenden Fragen gibt es auch viel, das die Gläubigen unterschiedlicher Religionen vereint.

Das Friedensgebet von Assisi hat vor allem eine gemeinsame Haltung in den Religionen deutlich werden lassen: Der Mensch ist dazu berufen, sich mit seinem Geist beharrlich für den Frieden einzusetzen. Er wird aber auch immer wieder erkennen, daß er dieses Ziel nicht nur aus eigener Kraft erreichen kann.

Man muß ihn herbeirufen und im Glauben erwarten, losgelöst von jener Neigung – Quelle der Gewalt - sich auf anderer Kosten durchzusetzen und zu behaupten.

Eine hebräische Volksweisheit besagt: Gott ist überall da, wo man ihn einläßt. Er wird mit Sicherheit auch dort anwesend sein, wo sich Menschen treffen, um von ihm den Frieden zu erflehen und um den Auftrag, dem Wohl der Menschheit zu dienen, zu erneuern. Ich wünsche mir, daß mit dem neuen Monat, den uns der Herr schenkt, dieser Geist in Ihren Familien und der franziskanischen Gemeinschaft wirken möge.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016