Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

Die Basilika des Heiligen Grabes in Jerusalem wird von den orthodoxen Christen und von den Arabern Anastasis oder Qiyama genannt. Die beiden Worte bedeuten sowohl im Griechischen als auch im Arabischen Auferstehung: Gerade der Ort des Todes wird zum Ort des Lebens und des Sieges. Das leere Grab und der weggerollte Stein sind nicht nur ein Symbol der Botschaft Jesu, die immer Bestand haben wird, sie verkünden auch den wahrhaftigen und endgültigen Sieg des Gekreuzigten über den Tod.

Mit diesem Wissen wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Lesern, von der Basilika in Padua aus eine frohe, kräftigende und wiederbelebende Osterzeit.

Wir feiern die Auferstehung Jesu mit einem Siegeslied. Dieser Ostergesang soll uns als musikalisches Thema begleiten und zum Hintergrund dieser Tage werden, die die Auferstehung Christi erleuchtet. Das helle Licht des Auferstandenen strahlt, wie wir wissen, vom Ostersonntag auf alle Sonntage aus: Sonntag, der Tag jener Sonne, die Christus ist. Aber besonders in der Osterzeit haben wir Anlaß, uns voller Erstaunen und Freude die Bedeutung der Ereignisse am dritten Tage nach der Kreuzigung Jeus bewußt zu machen. Die Männer in leuchtenden Gewändern am Grab offenbarten: Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. (Lk 24,4-6)

Ein großer Stein lastet heutzutage auf den Hoffnungen und den Plänen vieler Menschen und hält sie im Grab fest: Nicht nur die Anstregnungen der Arbeit oder der tägliche Streß lassen sich auf den matten Gesichter der Menschen und in ihrem glanzlosen Blick lesen. Jeder Impuls, jede Kraft, sich für ein besseres Leben für sich und die anderen einzusetzten wird, wenn auch unbewußt, im Keim erstickt, wenn der Mensch nicht an ein Leben nach dem Tode glaubt. Wir Gläubige empfangen mit dem Vertrauen auf Gott die Fähigkeit, über den Tod, über die vielen kleinen Tode, die wir täglich erleben und über unser häufiges Versagen hinauszuschauen. Denn Christus hat den Grabstein weggerollt und erleuchtet uns. Ein berühmter Theologe unseres Jahrhunderts, Henri de Lubac, sagte einmal, daß sich der ganze Wert eines Menschen erst dann enthüllt, wenn sein Gesicht von einem Strahl des himmlischen Antlitzes des Auferstandenen gestreift wird. Wenn er sich dann noch weiter entwickelt und an der Geschichte mitwirkt, atmet er schon ein Stück Ewigkeit.

Sicher, dies alles entbindet ihn nicht von seiner täglichen Aufgabe. Er muß trotzdem den Weg in Treue und Geduld weiter gehen. Der Sieg ist ihm versprochen worden und bereits im Ansatz vorhanden, aber noch nicht entgültig erreicht. In den Aufzeichnungen eines Mitbruders lese ich, daß die Christen nicht nach allem im Hier und Heute verlangen: Sie leben zwischen dem Schon aber Noch nicht ganz; sie tragen den Keim der Auferstehung in sich, erwarten aber die Vollendung bei der Begegnung mit Christus.

In der Nachfolge der Apostel Christi und unseres heiligen Antonius schöpfen wir aus dem Osterereignis Kraft, um unseren Weg vertrauensvoll weiterzugehen.
Pax et Bonum

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016