Liebe Freunde!
Immer wieder und ohne Ende erreichen uns beängstigenden Wellen gleich, Nachrichten aus dem Nachkriegs-Irak, Bilder von Terroranschlägen in Israel oder Russland, von Geiseln, die als menschliche Schilde verwendet werden (erschütternd die Ereignisse in Ossetien, die 350 Kindern und Erwachsenen das Leben gekostet haben)… Angesichts dieser erschreckenden Flut bleiben wir verstört, ohnmächtig und ohne Antworten zurück. Wird es immer so weiter gehen? Wie kann diese Spirale der Gewalt gestoppt werden? Ihre Angst vor dem Terrorismus, liebe Leser des Sendboten, können wir Ihren Briefen entnehmen und Ihrer Feststellung, dass es keine Lösung sein kann, auf Gewalt mit Waffen und Bombardierungen zu antworten – denn damit riskiere man vielmehr weitere Zerstörung und noch mehr Leid.
In diesen ersten Jahren des neuen Jahrtausends ist der Terrorismus zum dramatischsten Problem innerhalb der Staaten und in den internationalen Beziehungen geworden. Es ist nicht die Aufgabe der Hirten der Kirche, Position zu beziehen und bestimmte konkrete Lösungen im Kampf gegen die Gewalt gut zu heißen. Vielmehr ist es die Aufgabe christlicher und politisch engagierter Laien sowie aller, die im sozialen Leben Verantwortung tragen, kluge und realistische Entscheidungen zu treffen.
Doch auch aus der Kirche gibt es einen unüberhörbaren Ruf – er findet sich am eindrücklichsten in der Person Franz von Assisis verkörpert, dessen unsere Antonianische Familie im Oktober ganz besonders gedenkt. “Gelobt seist Du, Herr, durch jene, die vergeben um Deiner Liebe willen”, hat Franziskus in seinem Sonnengesang formuliert.
Die Kette von Gewalt, Rache und Vergeltung kann nur durchschlagen werden, wenn es Vergebung gibt. Die Vergebung räumt die Möglichkeit eines Neuanfangs ein in einer Beziehung, die auf Gerechtigkeit und Wahrheit baut, ohne dass man sie durch die gegenseitig zugefügten Verletzungen der Vergangenheit belastet.
Freilich, Vergebung ist schwer zu verstehen und zu leben. Und sie bedeutet keineswegs “Vergessen“, verlangt nicht, dass wir das uns zugefügte Böse banalisieren. Sie bedeutet vielmehr – und so lebt sie der barmherzige Gott vor, wann immer er uns Menschen begegnet – Einzelne oder eine ganze Gruppe nicht mit dem vergangenen Bösen zu identifizieren, sondern ihnen immer wieder die Chance einzuräumen, an einer brüderlichen Welt teilzuhaben.
Es bedarf gerade heute, angesichts all dieser Gewalt, dringend einer Wiederentdeckung der Vergebung, des Glaubens an die alles überwindende Liebe (omnia vincit amor). Dass dies keineswegs ein weltfremder Traum ist, haben die europäischen Nationen gezeigt, als sie unter der Führung großer christlicher Politiker, trotz immer wieder aufbrechender Missverständnisse, von der Feindschaft zu Versöhnung und Zusammenarbeit gelangten.
Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit und Wahrheit, und es gibt keine Gerechtigkeit ohne Vergebung – diese Botschaft ruft der Papst immer wieder in die Welt hinaus. Diese Botschaft wollen auch wir in diesen Tagen in unser Gebet und unsere Gedanken einfließen lassen. Im Namen des heiligen Franziskus von Assisi und seines Schülers Antonius von Padua wünsche ich Ihnen von Herzen
Pace e bene
Ihr
P. Sergio