Liebe Freunde

01. Januar 1900 | von

Seit einigen Jahren liegen am Eingang der Basilika große Hefte bereit – Gästebücher für die Besucher der Basilika. Die meisten Einträge sind Dankschreiben für erhaltene Gnaden, vermittelt durch den heiligen Antonius, oder Gebete an den “Santo”. Diese Zeilen sind zusammen mit den Briefen, den Telefonaten und E-Mails, Zeugnisse, die uns Brüder der Basilika und die Mitarbeiter des Sendboten des heiligen Antonius erreichen. Verschiedene “Kanäle”, die persönliche, meist bewegende Geschichten, Hoffnungen und Nöte bündeln. Oft gedenken die Menschen in ihren schriftlichen Zeugnissen auch ihrer Toten, bitten den heiligen Antonius, diese bis vor das Angesicht des Herrn zu begleiten und ihren Familien beizustehen.
Lieber Leser, vielleicht hat gerade in diesem Jahr Bruder Tod an Ihre Tür geklopft, um einen Ihrer Lieben zum himmlischen Vater heimzuholen. Besonders in diesem Monat erinnern wir uns in Liebe unserer Verstorbenen. Doch wir wollen auch alle Mitglieder der Antonianischen Familie, die im vergangenen Jahr ihren irdischen Weg vollendet haben, in unser Gedenken einbeziehen. Gemeinsam mit meinen Mitbrüdern der Basilika beten wir für diese Toten und stehen spirituell all jenen bei, die erst vor kurzem einen Trauerfall erlitten haben.
Wir vertrauen unsere Toten der Geborgenheit des Vaters an und bitten den heiligen Antonius, unseren Freund bei Gott, um seine Fürsprache.
Die Erinnerung an die Toten und alle Heiligen kann uns – wenn es nötig ist – unserem wahren Dasein als Geschöpfe und Söhne Gottes näher bringen. Wir können nicht auf ewig in dieser Welt bleiben, und es ist sinnlos, sich an Dinge zu klammern oder sich mit Erreichtem brüsten. Der Vater hat uns freilich nicht für den Tod geschaffen. Er hat uns für das Leben und die Freude bestimmt, wir müssen uns ihm nur aufrichtig anvertrauen. Wenn wir uns nicht in Illusionen und auf Pfaden ohne Ziel verlieren wollen, müssen wir über unseren Lebensweg nachdenken und die weitere Marschrichtung festlegen. Unser Heiliger hat uns darauf hingewiesen, dass der lateinische Begriff für Grab “monumentum” lautet. Er hat zwei Bedeutungen: etwas, das an den Verstorbenen erinnert, zugleich aber auch an den eigenen Tod und die persönliche Berufung als Mensch gemahnt. Dieser Gedanke, so Antonius, ist wie ein Anker, der das Boot auf dem wir reisen fest hält, damit es nicht an den Klippen zerschellt.
Pavel A. Florenskij, ein russischer Theologe und Wissenschaftler, der Opfer des Kommunismus wurde, hat in unserer Zeit die sehr weise Erkenntnis gewonnen: “Wie im Traum fliegt das Leben davon, und man schafft es nicht rechtzeitig anzukommen, um den Augenblick, der das Leben ist, zu genießen. Deshalb müssen wir die Kunst des Lebens erlernen, die schwierigste und wichtigste aller Künste: die Kunst, jede Stunde mit gehaltvollem Inhalt zu füllen und daran zu denken, dass sie nie mehr wiederkehrt.”
Mit solchen Gedanken können wir uns wappnen gegen die Flut der Eitelkeit und Leere, die uns umgibt.
Ihnen allen einen herzlichen Gruß mit dem franziskanischen “Pace e bene”!

Ihr

P. Sergio  

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016